„Frischzellentherapie“ als bedenkliches Arzneimittel verboten

Das Landgericht München I hat am 27.11.2020 zum Aktenzeichen 1 HK O 18008/19 einem Unternehmen die Herstellung, Anwendung und Bewerbung von Frischzellen tierischer Herkunft für eine „Frischzellentherapie“ verboten.

Aus der Pressemitteilung des LG München I Nr. 26/2020 vom 27.11.2020 ergibt sich:

Das beklagte Unternehmen warb am 21.06.2019 im Internet auf seiner Website für eine „Frischzellentherapie“ zur Anwendung am Menschen. Unter anderem sollte die beschriebene Zelltherapie sich in der Praxis zur Behandlung bei folgenden Indikationen bewährt haben: Altersbeschwerden mit körperlicher und geistiger Erschöpfung, vegetative und nervöse Symptome bei chronischer Stressbelastung, Reizbarkeit, Konzentrationsmangel und Schlafstörungen, funktionelle und organische Herz-Kreislauf- und Gefäßkrankheiten, Diabetes, Verschleißerscheinungen am Bewegungsapparat, Krankheiten innerer Organe, Stoffwechselkrankheiten, Hormonstörungen, neurologische Erkrankungen, Immunschwäche, allergische Erkrankungen. Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. klagte auf Unterlassung wegen des Verstoßes gegen Vorschriften im Heilmittelbereich.

Das LG München I hat der Klage vollumfänglich stattgegeben.

Das Landgericht stufte aufgrund mehrerer gutachterlicher Stellungnahmen das von der Beklagten vertriebene Produkt als bedenkliches Arzneimittel i.S.d. § 5 Arzneimittelgesetz ein. Die Frischzellen hätten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkung, die über ein nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Es gebe hier zwei wesentliche Risiken, nämlich das Risiko der Übertragung von Infektionserregern sowie das Risiko immunologischer und allergischer Ereignisse, die durch Verabreichung eines Fremdproteins prinzipiell bestünden. Im konkreten Fall sei darüber hinaus eine Wirksamkeit für die von der Beklagtenseite beworbenen Anwendungsbereiche nicht wissenschaftlich erwiesen. Zudem wirke sich bei der Kosten-Risiko-Analyse zu Ungunsten aus, dass die Beklagte nicht konkret dargelegt habe, in welcher Menge das Produkt jeweils verabreicht werde.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, dass sie alle Maßnahmen bei der Herstellung ergreife, um sterile Bedingungen zu gewährleisten sowie eventuelle Viren und Bakterien inaktiv werden zu lassen, bleibe immer noch das nicht auszuschaltende Risiko der immunologischen bzw. allergischen Nebenwirkungen. Das Risiko, dass es bei solchen Reaktionen zu möglicherweise irreversiblen Schäden bei Patienten komme, sei unvertretbar groß im Hinblick auf den wissenschaftlich nicht belegten Nutzen der Anwendung, zumal auch zugelassene und gut verträgliche Thera-piealternativen zur Verfügung stünden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.