Gabelstapler-Hersteller streicht 1000 Stellen: Rechtstipps für betroffene Arbeitnehmer

25. Juli 2025 -

Jungheinrich, ein Hamburger Gabelstapler-Gigant, hat ein umfangreiches Sparprogramm angekündigt. Weltweit sollen rund 1.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Diese Nachricht versetzte viele Beschäftigte in Sorge – besonders, weil mehrere norddeutsche Standorte erheblich betroffen sind. Im Folgenden geben wir einen Überblick zur aktuellen Situation bei Jungheinrich und erläutern, welche Rechte und Handlungsmöglichkeiten Arbeitnehmer jetzt haben. Dabei beleuchten wir auch spezielle Aspekte wie Kündigungsschutz, Sozialplan, Abfindungen sowie Besonderheiten durch Tarifvertrag, Betriebsrat und regionale Gegebenheiten.

Hintergrund: Jungheinrich kündigt massiven Stellenabbau an

Ende Juli 2025 gab die Jungheinrich AG bekannt, im Rahmen eines Sparprogramms weltweit etwa 1.000 Stellen zu streichen. Als Grund nennt das Unternehmen veränderte Marktbedingungen – Kunden würden verstärkt auf günstigere Geräte setzen, was den Druck auf Margen und Kosten erhöht. Zwar erwirtschaftete Jungheinrich 2024 immer noch Gewinne (rund 289 Mio. € Überschuss), doch man peilt ambitionierte Wachstumsziele an und will die Effizienz steigern. Bis 2030 soll der Umsatz nahezu verdoppelt werden, weshalb das Management nun einen harten Sparkurs fährt.

Für die Belegschaft bedeutet dies einschneidende Veränderungen. Zum Jahresende 2024 beschäftigte Jungheinrich weltweit ca. 21.000 Mitarbeiter. Die geplanten Kürzungen treffen vor allem Standorte in Norddeutschland. Ein Werk soll sogar ganz geschlossen werden – ein Schritt, den die IG Metall als „Tabubruch“ kritisiert, da Jungheinrich bislang als sozial verantwortlich galt. Insgesamt will der Konzern durch das Programm mittelfristig rund 100 Mio. € einsparen und hat dafür einmalige Rückstellungen von ca. 90 Mio. € vorgesehen. Doch welche Standorte und Mitarbeiter sind konkret betroffen?

Betroffene Standorte: Lüneburg, Norderstedt und Hamburg

Werk Lüneburg: Besonders drastisch ist die Lage in Lüneburg (Niedersachsen). Dieses Werk mit rund 380 Beschäftigten soll bis Ende 2027 komplett geschlossen werden. Die Mitarbeiter – überwiegend in der Produktion – wurden bereits in einer Betriebsversammlung informiert. Laut IG Metall sind etwa 350 Arbeitsplätze bedroht; allerdings sollen rund 100 Beschäftigte (insbesondere aus der Konstruktion) weiterbeschäftigt werden und an einem anderen Standort in Lüneburg neue Büros erhalten. Damit versucht Jungheinrich, zumindest einen Teil der Lüneburger Belegschaft im Unternehmen zu halten. Für die übrigen ca. 250 Mitarbeiter aus der Produktion gibt es hingegen kaum Alternativen – das Werk wird dichtgemacht, und eine Versetzung ins 60 km entfernte Norderstedt ist kaum möglich, da auch dort Stellen abgebaut werden. Die Schließung des Lüneburger Werks stellt einen herben Schlag für die Region dar, zumal bereits andere Industriebetriebe (z. B. Lüneburger Eisenwerk, Panasonic, Yanfeng) Jobs abgebaut haben. Entsprechend groß ist die Verunsicherung unter den Kollegen vor Ort.

Werk Norderstedt: Im Jungheinrich-Werk Norderstedt (Schleswig-Holstein) mit etwa 1.500 Beschäftigten plant das Unternehmen den Abbau einer dreistelligen Zahl von Stellen. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts könnten über 200 Jobs dort wegfallen. Noch ist nicht exakt bekannt, welche Bereiche betroffen sind – Medienberichte nennen Management, Verwaltung und Produktion als mögliche Kandidaten. Um die Auswirkungen abzufedern, setzt Jungheinrich offenbar auf ein Freiwilligenprogramm: Freiwillige Abgänge sollen gefördert werden, um die Zahl betriebsbedingter Kündigungen möglichst zu reduzieren. Der Konzern steht hierzu bereits in Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern in Norderstedt. Denkbar ist, dass älteren Mitarbeitern oder denen, die freiwillig gehen, Abfindungen oder Vorruhestandsregelungen angeboten werden, um den Personalabbau „sozialverträglich“ zu gestalten. Konkrete Details sind aber noch Verhandlungssache.

Zentrale Hamburg: Auch die Konzernzentrale in Hamburg-Wandsbek (über 1.200 Beschäftigte) bleibt nicht verschont. Hier sollen im Zuge des Sparprogramms Arbeitsplätze im zweistelligen Bereich wegfallen – vermutlich also einige Dutzend Stellen, voraussichtlich vor allem in Verwaltung und zentralen Funktionen. Verglichen mit Lüneburg und Norderstedt ist der Einschnitt in Hamburg geringer, doch auch hier läuft der Dialog mit dem Betriebsrat über den Stellenabbau. Möglicherweise können Stellenstreichungen in Hamburg zum Teil durch natürliche Fluktuation oder Versetzungen umgesetzt werden.

Gewerkschaft und Betriebsräte: Die Arbeitnehmervertretungen reagieren alarmiert. Betriebsräte und IG Metall kündigten an, die Entscheidungen nicht einfach hinzunehmen und fordern Alternativen ein. IG-Metall-Sekretäre vor Ort sprechen von einem Vertrauensbruch und mangelnder sozialer Verantwortung – insbesondere angesichts der weiterhin profitablen Geschäftslage von Jungheinrich. Für das Lüneburger Werk beispielsweise wollen Betriebsrat und Vertrauensleute Perspektiven für den Standort entwickeln, da man dort über spezialisiertes Know-how (Sonderbau kundenspezifischer Stapler) verfügt. Ob dies die Schließung noch verhindern kann, ist ungewiss – meistens setzt sich bei solchen Entscheidungen letztlich das Management durch. Nichtsdestotrotz sind die Betriebsräte nun in intensiven Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit der Geschäftsführung. Für die Belegschaft ist wichtig zu wissen, dass diese Verhandlungen maßgeblich über Abfindungen, Ersatzarbeitsplätze und sonstige Hilfen entscheiden werden.

Zusammengefasst stehen den Jungheinrich-Beschäftigten unruhige Zeiten bevor. Was aber bedeutet dies konkret für jeden einzelnen Arbeitnehmer? Nachfolgend erläutern wir, welche arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen jetzt greifen, worauf bei Kündigungen zu achten ist und wie man am besten vorgeht, wenn man von einer Kündigung oder einem Abfindungsangebot betroffen ist.

Kündigungsschutz: Rechte der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen

Für alle Arbeitnehmer von Jungheinrich, die länger als 6 Monate im Betrieb sind, gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Angesichts der Betriebsgrößen (weit über 10 Mitarbeiter) unterliegen alle betroffenen Arbeitsverhältnisse dem allgemeinen Kündigungsschutz. Das bedeutet: Eine Kündigung bedarf eines sozial gerechtfertigten Grundes (§ 1 KSchG). Im Falle von Jungheinrich kommen betriebsbedingte Gründe in Betracht, da Stellenabbau und Werksschließung als unternehmerische Entscheidungen gelten. Dennoch kann der Arbeitgeber nicht willkürlich kündigen – gewisse Regeln müssen beachtet werden:

  • Betriebsbedingte Kündigung: Jungheinrich muss darlegen, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigungen notwendig machen (z. B. Auftragsrückgang, Umstrukturierung oder in Lüneburg die komplette Betriebsschließung). Eine Werksschließung ist in der Regel ein anerkannter betrieblicher Grund. In Norderstedt dürfte der Abbau von Teilbereichen ähnlich begründet werden (Effizienzsteigerung, Kostenreduktion). Arbeitnehmer können eine solche Kündigung vor dem Arbeitsgericht aber prüfen lassen – z. B. ob die Situation wirklich keine Weiterbeschäftigung zulässt oder ob der Wegfall der Stelle vorgeschoben ist. Solange Jungheinrich jedoch ganze Abteilungen oder Standorte stilllegt, stehen die Chancen einer erfolgreichen Anfechtung eher begrenzt dar, da dies grundsätzlich ein legitimer Grund sein kann.
  • Sozialauswahl: Muss das Unternehmen von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern einige kündigen, schreibt das KSchG eine Sozialauswahl vor. Das heißt, Jungheinrich muss prüfen, wen die Kündigung sozial am wenigsten hart treffen würde. Kriterien sind insbesondere Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung (§ 1 Abs. 3 KSchG). Mitarbeiter, die z. B. lange im Betrieb sind, älter und familienpflichtig, müssten bei den Auswahlentscheidungen eher verschont bleiben gegenüber jungen, unverheirateten Kollegen mit kurzer Betriebszugehörigkeit – sofern alle in ähnlich austauschbaren Positionen arbeiten. In der Praxis wird diese Sozialauswahl oft in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat anhand eines Punktesystems durchgeführt. Wichtig: Falls Sie das Gefühl haben, die Auswahl war unfair (etwa ein Kollegen mit viel kürzerer Betriebszugehörigkeit behält den Job, Sie aber nicht), kann dies ein Ansatz für eine Kündigungsschutzklage sein. Allerdings sind Ausnahmen möglich, etwa wenn bestimmte Schlüsselqualifikationen berücksichtigt werden dürfen – hier lohnt eine individuelle Prüfung.
  • Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten: Vor einer betriebsbedingten Kündigung muss geprüft werden, ob der Mitarbeiter nicht an anderer Stelle im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann (ggf. nach Umschulung oder zumutbarer Versetzung). Jungheinrich hat zum Beispiel einigen Lüneburger Konstrukteuren alternative Büros in der Region angeboten. Grundsätzlich sollte jeder Arbeitnehmer hinterfragen: Gibt es im Konzern freie Stellen, die ich ausfüllen könnte? Ein Arbeitgeber muss solche Möglichkeiten mit einbeziehen, bevor er kündigt. Wer also z. B. bereit wäre, von Lüneburg nach Hamburg oder Dresden zu wechseln, sollte dies dem Arbeitgeber oder Betriebsrat signalisieren. In der Realität sind allerdings derzeit auch an anderen Standorten Stellenstreichungen geplant, sodass Jungheinrich vermutlich nur wenigen Betroffenen einen anderen Arbeitsplatz intern anbieten kann.
  • Massenentlassungsanzeige: Bei so großen Kündigungswellen muss der Arbeitgeber eine Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten (§ 17 KSchG). Für das Werk Lüneburg (über 20 Arbeitnehmer, > 5 Entlassungen) und auch für Norderstedt (über 400 Arbeitnehmer, > 30 Entlassungen) ist eine rechtzeitige Massenentlassungsanzeige Pflicht. Diese Anzeige dient dazu, die Arbeitsagentur einzuschalten, damit diese bei der Vermittlung und Beratung unterstützen kann. Aus Arbeitnehmersicht ist relevant: Unterbleibt die Anzeige oder ist sie fehlerhaft, sind Kündigungen unwirksam. Dies ist jedoch ein eher technischer Aspekt – man sollte aber im Hinterkopf behalten, dass Formfehler des Arbeitgebers (z. B. Verletzung von Anzeige- oder Anhörungspflichten) einen Kündigungsschutzprozess erfolgreich machen können.
  • Betriebsratsanhörung: Vor jeder Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden (§ 102 BetrVG). Gerade bei Jungheinrich mit starken Betriebsräten ist davon auszugehen, dass dies erfolgt. Wenn nicht, wäre eine Kündigung ebenfalls unwirksam. Als betroffener Mitarbeiter kann man beim Betriebsrat nachfragen, ob die ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hat und welche Stellungnahme der Betriebsrat ggf. abgegeben hat.
  • Besonders geschützte Personengruppen: Einige Arbeitnehmer genießen Sonderkündigungsschutz. Dazu zählen unter anderem Schwangere und Mütter im Mutterschutz, Mitarbeiter in Elternzeit, Schwerbehinderte sowie Betriebsratsmitglieder oder Auszubildende. Solche Personen können nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Beispielsweise bräuchte Jungheinrich für Schwerbehinderte die vorherige Zustimmung des Integrationsamts. Betriebsratsmitglieder sind praktisch unkündbar (außer bei Betriebsstilllegung, wo sie einen Nachwirkungsanspruch auf Gehalt haben). Wenn Sie in eine dieser Kategorien fallen, teilen Sie dies unbedingt Ihrem Arbeitgeber mit (sofern nicht ohnehin bekannt) und suchen Sie den Rat Ihres Betriebsrats oder Anwalts. In vielen Fällen wird der Arbeitgeber versuchen, geschützte Personen durch Angebote zum freiwilligen Ausscheiden zu bewegen, da eine Kündigung hier sehr schwierig ist.

Unterm Strich haben Arbeitnehmer gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren, wenn Fehler im Verfahren passieren oder die Sozialauswahl grob unfair ist. Allerdings: Entscheidet man sich gegen eine Kündigung vorzugehen, muss man rasch handeln.

Wichtig: Die Klagefrist beträgt nur 3 Wochen ab Zugang der Kündigung. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als akzeptiert und kann nicht mehr angefochten werden! Daher sollten Sie spätestens mit Erhalt eines Kündigungsschreibens umgehend einen Fachanwalt für Arbeitsrecht kontaktieren oder – falls vorhanden – Ihre Gewerkschaft einschalten. Innerhalb von drei Wochen muss dann Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben sein.

Verhandlungen über Sozialplan: Abfindungen und weitere Ansprüche

Bei großangelegten Stellenstreichungen wie bei Jungheinrich kommt fast immer ein Sozialplan ins Spiel. Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 112 BetrVG), die Ausgleichs- und Entschädigungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer festlegt. Einfach gesagt: Hier wird geregelt, was die Beschäftigten als finanziellen Ausgleich oder Unterstützung erhalten, wenn Arbeitsplätze wegfallen. Im aktuellen Fall haben Jungheinrich und die Betriebsräte bereits signalisiert, dass es Gespräche über Interessenausgleich und Sozialplan gibt. Was bedeutet das für die Mitarbeiter?

  • Interessenausgleich: Dabei handeln Betriebsrat und Arbeitgeber aus, ob und wie die Maßnahme durchgeführt wird – z. B. ob statt sofortiger Kündigungen erst freiwillige Angebote gemacht werden, ob es Transfers in andere Werke gibt, welcher zeitliche Ablauf gilt usw. Ein Interessenausgleich könnte z. B. festhalten, dass der Standort Lüneburg bis 2027 schrittweise heruntergefahren wird und bis dahin niemand betriebsbedingt gekündigt wird, sofern genug Freiwillige gehen. Oder er könnte regeln, welche Teile des Werks nach Dresden verlagert werden. Wird ein Interessenausgleich erzielt, enthält er oft auch eine Namensliste der zu kündigenden Personen. Steht ein Arbeitnehmer auf so einer Liste, ist eine spätere Kündigungsschutzklage in Bezug auf die Sozialauswahl nur noch eingeschränkt möglich (§ 1 Abs. 5 KSchG). Kommt kein Interessenausgleich zustande, kann das in bestimmten Fällen zu einem Nachteilsausgleich führen (§ 113 BetrVG) – das hieße, das Arbeitsgericht könnte den Gekündigten eine Entschädigung zusprechen, wenn der Arbeitgeber die Restrukturierung ohne Einigung durchzieht. Arbeitgeber sind daher meist sehr bemüht, mit dem Betriebsrat zumindest einen Minimal-Konsens zu erreichen.
  • Sozialplan: Hier geht es um Geld und Hilfsmaßnahmen. Ein Sozialplan muss einen monetären Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsehen. Üblich ist insbesondere eine Abfindungszahlung pro Arbeitnehmer. Die Höhe variiert je nach Verhandlungsmacht, Finanzlage des Unternehmens und ggf. tariflichen Vorgaben. Als grober Richtwert wird oft die Formel 0,5 Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit angewandt. Diese klassische Formel („ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“) ist allerdings kein gesetzlicher Anspruch, sondern eine verbreitete Verhandlungsbasis. Ein gut verhandelter Sozialplan kann auch höhere Faktoren oder Zusatzleistungen vorsehen – z. B. Mindestabfindungen (damit auch kurz Beschäftigte eine gewisse Summe erhalten) oder Staffeln, die älteren Mitarbeitern etwas mehr zugestehen. Tatsächlich ermöglichen § 10 KSchG bzw. gerichtliche Vergleiche sogar Abfindungen bis zu maximal 12 Monatsgehältern, in besonderen Fällen auch darüber. Bei Jungheinrich wird man genau hinschauen: Der Konzern ist nicht insolvent, also steht ein Topf für Sozialplanleistungen zur Verfügung. Angesichts der Größenordnung (1000 Stellen) dürfte aber darauf geachtet werden, dass die Abfindungen finanzierbar bleiben – es ist also unwahrscheinlich, dass exorbitante Summen gezahlt werden. Dennoch: Lassen Sie sich nicht vorschnell mit einer niedrigen Summe abspeisen. Prüfen Sie die Sozialplanformel und rechnen Sie nach, ob die Ihnen angebotene Abfindung korrekt ermittelt ist. Der Betriebsrat wird hier normalerweise beraten und die Berechnungen überprüfen.
  • Weitere Sozialplan-Leistungen: Neben der Abfindungssumme selbst können Sozialpläne auch weitere Hilfen enthalten. Oftmals werden etwa Transfergesellschaften eingerichtet: Das heißt, gekündigte Mitarbeiter können freiwillig für z. B. 6–12 Monate in eine Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln. Dort erhalten sie (finanziert vom Arbeitgeber und durch Arbeitsagentur-Zuschüsse) ein gewisses Übergangsgehalt und Unterstützung bei Bewerbungen oder Fortbildungen, um den Übergang in einen neuen Job zu erleichtern. Das könnte für Lüneburg eine sinnvolle Maßnahme sein, da dort viele Industriejobs auf einmal wegfallen. Fragen Sie daher nach, ob Jungheinrich eine Transfergesellschaft oder Outplacement-Programme anbietet. Ebenso könnten Schulungen, Umschulungen oder Nachqualifizierungen Teil des Sozialplans sein, um Beschäftigte fit für andere Tätigkeiten zu machen. In manchen Fällen werden auch Zuschüsse für einen umzugsbedingten Wohnortwechsel vereinbart, falls jemand eine Stelle in einer anderen Stadt annimmt.
  • Abfindungsangebot bei betriebsbedingter Kündigung: Sollte Ihnen eine Kündigung ins Haus flattern, kann es sein, dass Jungheinrich Ihnen bereits automatisch eine Abfindung anbietet, falls Sie auf eine Klage verzichten. § 1a KSchG ermöglicht dies: Steht im Kündigungsschreiben, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erfolgt und Sie bei Verstreichenlassen der Klagefrist eine Abfindung erhalten, so entsteht nach Fristablauf ein Anspruch auf diese Abfindung. Gesetzlich ist hierbei genau die erwähnte 0,5 Monatsgehalt pro Jahr vorgesehen. Achtung: Dieses Angebot gilt nur, wenn man nicht klagt. Es kann ein faires Angebot sein – aber manchmal erreicht man durch Verhandlungen (z. B. im Gütetermin vor Gericht) noch etwas mehr. Hier muss man das Risiko abwägen: Nimmt man die sichere Abfindung gemäß Schreiben oder versucht man, per Klage eine Verbesserung zu erzielen? Ein Anwalt kann helfen, diese Entscheidung zu treffen.

Wichtig ist: Ein Sozialplan kann Abfindungen vorsehen, aber keinen Kündigungsschutz aufheben. Wer also lieber seinen Job behalten will, darf trotz Sozialplan eine Kündigungsschutzklage erheben. Der Sozialplan schließt das nicht aus; er regelt nur die finanziellen Folgen, falls die Kündigung wirksam wird. Eine Ausnahme: Falls es eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit Angebot eines neuen (schlechteren) Arbeitsvertrags gäbe, könnte ein Interessenausgleich regeln, dass man bei Ablehnung ebenfalls „sozialplanmäßig“ abgefunden wird. Aber im vorliegenden Fall geht es eher um reine Beendigungen.

Tarifvertrag und besondere Schutzregelungen

Jungheinrich ist tarifgebunden (Metall- und Elektroindustrie, Bezirk vermutlich Küste oder Niedersachsen). Daher gelten für viele Arbeitnehmer die Regelungen des Tarifvertrags der Metallindustrie. Das hat mehrere Auswirkungen:

  • Tarifliche Kündigungsfristen: Oftmals sehen Tarifverträge längere Kündigungsfristen vor als das Gesetz. Gerade für langjährige Mitarbeiter können sich Kündigungsfristen von mehreren Monaten bis zu über einem halben Jahr ergeben (abhängig von der Betriebszugehörigkeit). Jungheinrich muss die für Sie jeweils geltende Frist einhalten. Sollte also ein Kündigungsschreiben eine zu kurze Frist nennen, lohnt sich Widerspruch, da die Kündigung ggf. unwirksam sein könnte oder zumindest erst später greift. Beispielsweise haben laut Tarifvertrag der Metallindustrie Beschäftigte je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Fristen, die über den gesetzlichen liegen – im Zweifel beim Betriebsrat oder in der Personalabteilung nachfragen.
  • Tariflicher Alterskündigungsschutz: Eine sehr wichtige Besonderheit im Metall-Tarif: In vielen Tarifgebieten der Metallindustrie gibt es die sogenannte Alterssicherungsklausel. Diese besagt, dass älteren Mitarbeitern ab einem bestimmten Alter nicht mehr ordentlich gekündigt werden darf. Je nach Region greift dieser Schutz ab 53 oder 55 Jahren, meist verbunden mit mindestens 10 Jahren Betriebszugehörigkeit. Wenn Sie also z. B. 55 Jahre alt sind und seit über 10 Jahren im Unternehmen, könnten Sie tariflich unkündbar sein. Das bedeutet: Jungheinrich dürfte Ihnen dann aus betriebsbedingten Gründen gar nicht erst kündigen. In der Praxis werden solche Mitarbeiter oft durch Angebote zum freiwilligen Aufhebungsvertrag mit Abfindung in den Ruhestand oder eine Frühverrentung bewegt. Beachten Sie: „Unkündbar“ heißt nicht, dass das Arbeitsverhältnis ewig fortbestehen muss – aber man kann nur mit Zustimmung des Mitarbeiters oder über einen Aufhebungsvertrag gelöst werden. Es lohnt unbedingt, dies zu prüfen. Fragen Sie Ihren Betriebsrat oder die IG Metall, ob und ab welchem Alter der Tarif-Kündigungsschutz greift. Sollte Jungheinrich tariflich geschützte ältere Arbeitnehmer dennoch kündigen wollen, wäre das ein Angriffspunkt, um gegen die Kündigung vorzugehen. Eventuell könnte man in einem solchen Fall eine deutlich erhöhte Abfindung aushandeln, da der Arbeitgeber eigentlich nicht kündigen dürfte.
  • Tarifsozialplan und Extras: Mit IG Metall im Boot ist es möglich, dass der Sozialplan gewisse tarifliche Zusatzregeln einhält. Beispielsweise gibt es häufig einen Erhöhungsfaktor für ältere Arbeitnehmer oder für Schwerbehinderte bei Abfindungen, um Härten abzumildern. Auch werden im Metallbereich oft besondere Programme für Ältere angeboten, wie z. B. betriebliches Übergangsgeld bis zur Rente oder Angebote zur Altersteilzeit. Informieren Sie sich, ob Jungheinrich solche Instrumente anbietet. Gerade wer kurz vor der Rente steht (z. B. in 2–3 Jahren) sollte nach Überbrückungsmöglichkeiten fragen. Manchmal finanzieren Firmen extra Abfindungszahlungen in eine Rentenversicherung oder Ähnliches, damit die Betroffenen ohne Abschläge in den Ruhestand gehen können.
  • Betriebsratssituation: Ein starker Betriebsrat – wie er bei Jungheinrich vorhanden ist – kann für Arbeitnehmer ein großer Vorteil sein. Er sorgt dafür, dass die Sozialplan-Verhandlungen zu halbwegs fairen Ergebnissen führen und dass individuelle Härten aufgefangen werden (z. B. kann im Sozialplan vereinbart werden, dass Schwerbehinderte oder Alleinerziehende besondere Unterstützung erhalten). Zudem wacht der Betriebsrat über die Einhaltung aller Beteiligungsrechte. Sollte es Unstimmigkeiten geben (etwa Streit um die Höhe der Abfindungen), kann die Einigungsstelle angerufen werden, die dann einen Sozialplan festsetzt. Als Arbeitnehmer sollten Sie engen Kontakt zum Betriebsrat halten: Fragen Sie nach dem Stand der Dinge, lassen Sie sich die Kriterien für die Kündigungsauswahl erklären und wenden Sie sich an den Betriebsrat, wenn Sie das Gefühl haben, unfair behandelt zu werden. Auch die Gewerkschaft IG Metall bietet Mitgliedern Beratung und notfalls Rechtsschutz an. In einer Situation wie dieser ist die Unterstützung durch Betriebsrat und Gewerkschaft sehr wertvoll – scheuen Sie sich nicht, diese auch zu nutzen.

Regionale Perspektive: Lüneburg und der Arbeitsmarkt

Wenn ein großes Werk wie in Lüneburg schließt, ist das nicht nur für die Firma, sondern auch für die Region schmerzlich. Viele der 380 Lüneburger Jungheinrich-Mitarbeiter werden in der Region verwurzelt sein. Leider gibt es in und um Lüneburg nicht viele vergleichbare Industrie-Arbeitgeber – und wie bereits erwähnt, haben einige Betriebe in der Umgebung selbst Stellen abgebaut. Daher ist es für die Betroffenen umso wichtiger, sich frühzeitig auf Arbeitssuche zu begeben. Melden Sie sich unbedingt sofort arbeitssuchend, spätestens drei Monate bevor Ihr Arbeitsverhältnis endet. Sollte die Kündigungsfrist kürzer sein, müssen Sie innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis der Beendigungsmeldung bei der Agentur für Arbeit vorstellig werden. Diese Meldung ist entscheidend, um keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu riskieren. Die Agentur kann Ihnen auch Beratung bieten, z. B. zu Qualifizierungsmaßnahmen.

Für die Mitarbeiter in Norderstedt/Hamburg ist die Arbeitsmarktlage tendenziell etwas günstiger, da die Metropolregion Hamburg viele Unternehmen beherbergt. Gleichwohl: Gerade im technischen Bereich (Staplerbau, Maschinenbau) muss man schauen, welche Firmen ähnliche Qualifikationen suchen. Nutzen Sie die Angebote der Transfergesellschaft (falls eingerichtet), dort wird oft Bewerbungstraining angeboten und es bestehen Kontakte zu anderen Arbeitgebern. Auch Eigeninitiative zählt: Aktualisieren Sie Ihren Lebenslauf, schauen Sie sich nach Stellen um (vielleicht auch innerhalb der Branche bei Wettbewerbern oder Zulieferern – allerdings kündigt Jungheinrich auch Zukäufe und Wachstum an anderer Stelle an, eventuell entstehen an neuen Standorten langfristig wieder Jobs).

Nicht zuletzt: Die Region kann auch politisch reagieren. In manchen Fällen bemühen sich Kommunen oder Landesregierungen um Förderprogramme für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer (z. B. spezielle Weiterbildungsangebote über die Arbeitsagentur oder Wirtschaftsförderung für Neuansiedlungen). Die Hansestadt Lüneburg hat z. B. bereits eine Stellungnahme abgegeben und möchte gemeinsam mit dem Unternehmen und der IG Metall über Zukunftsperspektiven beraten. Das zeigt, dass Ihr Schicksal nicht egal ist – es lohnt sich, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen und ggf. öffentliche Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen.

Konkrete Tipps für betroffene Jungheinrich-Mitarbeiter

Abschließend möchten wir Ihnen einige praxisnahe Tipps mit auf den Weg geben, wie Sie in dieser schwierigen Situation vorgehen können:

  • Informieren und ruhig bleiben: Lassen Sie sich regelmäßig vom Betriebsrat über den neuesten Stand informieren. Gerüchteküche und Unsicherheit sind belastend – versuchen Sie, Fakten zu bekommen. Nehmen Sie an Betriebsversammlungen teil und lesen Sie Memos oder Newsletter des Betriebsrats. Wissen ist Macht: Je besser Sie die geplanten Schritte kennen, desto gezielter können Sie reagieren.
  • Unterstützung suchen: Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihr Betriebsrat und die Gewerkschaft (IG Metall) stehen an Ihrer Seite – nutzen Sie deren Erfahrung, insbesondere bei Fragen zum Sozialplan oder zur Kündigung. Auch ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann individuell beraten, etwa wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird oder Sie über eine Klage nachdenken. Viele Rechtsanwälte bieten eine Erstberatung an; auch die Rechtsschutzversicherung (falls vorhanden) oder die Gewerkschaftsmitgliedschaft kann die Kosten decken.
  • Freiwilligenprogramm sorgfältig abwägen: Falls Jungheinrich Ihnen anbietet, freiwillig mit Abfindung auszuscheiden, wägen Sie Pro und Contra gut ab. Vorteil: Man kann meist selbst den Beendigungszeitpunkt mitbestimmen und erhält eine Abfindung, ohne einen Rechtsstreit führen zu müssen. Nachteil: Wer selbst geht (Aufhebungsvertrag oder Eigenkündigung), riskiert unter Umständen eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld von 12 Wochen. Allerdings entfällt die Sperrzeit oft, wenn die Abfindung nicht höher als 0,5 Gehälter pro Beschäftigungsjahr ist und eine betriebsbedingte Kündigung ohnehin gedroht hätte – dies müsste mit der Agentur für Arbeit geklärt werden. Lassen Sie sich ein freiwilliges Angebot schriftlich geben und vergleichen Sie: Ist die Abfindung höher als das, was der Sozialplan vorsieht? Bekommen Sie eventuell eine Besserstellung als Freiwilliger (z. B. einen Aufschlag auf die Abfindung)? Stimmen die Rahmenbedingungen für Sie (z. B. in puncto Krankenversicherung bis zum Enddatum, Zeugnis, etc.)? Unterschreiben Sie nichts übereilt – Sie haben in der Regel Bedenkzeit.
  • Kündigung erhalten – Fristen wahren: Wenn Sie eine Kündigung bekommen, notieren Sie sofort das Zugangsdatum. Ab diesem Tag laufen die 3 Wochen Klagefrist! Melden Sie sich am besten direkt beim Betriebsrat oder einem Anwalt. Selbst wenn Sie prinzipiell mit einer Abfindung gehen wollen, kann das Einreichen der Kündigungsschutzklage sinnvoll sein, um Ihre Position zu stärken – viele Kündigungsschutzprozesse enden mit einem Vergleich, bei dem eine höhere Abfindung erzielt wird als ursprünglich angeboten. Wichtig: Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen beim Arbeitsgericht sein, sonst ist die Kündigung endgültig gültig. Versäumen Sie diese Frist nicht, sofern Sie Ansprüche wahren möchten.
  • Ansprüche prüfen (Urlaub, Bonus, Zeugnis): Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen Ihnen gewisse Ansprüche zu. Offener Resturlaub muss gewährt oder abgegolten werden. Ausstehende Sonderzahlungen (wie Boni, Weihnachtsgeld) sind ggf. anteilig noch auszuzahlen, je nach vertraglicher Regelung. Achten Sie darauf, dass im Aufhebungsvertrag oder Kündigungsschreiben nichts unter den Tisch fällt. Sie haben zudem Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis – im Idealfall „wohlwollend“ formuliert. Es kann sinnvoll sein, frühzeitig ein Zwischenzeugnis anzufordern, besonders wenn Sie sich bewerben möchten, solange Sie noch angestellt sind.
  • Arbeitslosmeldung und neue Perspektiven: Wie erwähnt, melden Sie sich rechtzeitig arbeitssuchend und zum Beschäftigungsende arbeitslos, um finanzielle Nachteile zu vermeiden. Nutzen Sie die Angebote der Agentur für Arbeit – etwa Vermittlungsvorschläge oder Weiterbildungsgutscheine. Überlegen Sie, ob eine Weiterqualifizierung (z. B. in Richtung Elektromobilität, wenn Sie aus der Stapler-Produktion kommen) Ihre Jobchancen erhöht. Manchmal lassen sich solche Qualifizierungen im Sozialplan verankern oder durch die Transfergesellschaft abdecken. Scheuen Sie sich nicht, auch über den Tellerrand zu schauen: Vielleicht ist jetzt die Gelegenheit, in einer anderen Branche Fuß zu fassen oder einen schon länger gehegten Karrierewunsch umzusetzen.
  • Emotionale Aspekte berücksichtigen: Der Verlust des Arbeitsplatzes nach oft vielen Jahren ist belastend. Unterschätzen Sie nicht die psychische Belastung. Sprechen Sie mit Kollegen, Familie, Freunden über Ihre Situation. Häufig gibt es bei größeren Firmen auch eine Sozialberatung oder externe Coaching-Angebote, um mit der Veränderung umzugehen. Unterstützen Sie sich gegenseitig im Kollegenkreis – gemeinsam lässt sich die Herausforderung leichter bewältigen als allein.

Zusammenfassend gilt: Jungheinrichs Stellenabbau ist zwar ein harter Einschnitt, aber das Arbeitsrecht stellt Schutzmechanismen bereit, um die Folgen für Arbeitnehmer abzumildern. Informieren Sie sich über Ihre Rechte, nutzen Sie die Hilfsangebote von Betriebsrat, Gewerkschaft und Arbeitsagentur und treffen Sie keine vorschnellen Entscheidungen. Mit kühlem Kopf und guter Beratung können Sie in dieser schwierigen Lage das Beste für sich herausholen – sei es eine angemessene Abfindung und Unterstützung beim Übergang oder auch die Wahrnehmung Ihrer Chancen, falls sich innerhalb oder außerhalb von Jungheinrich neue Türen öffnen. Bleiben Sie aktiv und lassen Sie sich nicht entmutigen – Ihre berufliche Zukunft verdient es, jetzt engagiert gestaltet zu werden.