Genehmigungsfiktion für Hautstraffungs-OP bei nicht rechtzeitiger Entscheidung der Krankenkasse

16. Dezember 2019 -

Das Sozialgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 22.11.2019 zum Aktenzeichen S 14 KR 3166/18 entschieden, dass eine beantragte Hautstraffungs-Operation als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet und über eine Verzögerung nur mit nicht unterschriebenem Schreiben informiert.

Aus der Pressemitteilung des SG Heilbronn vom 16.12.2019 ergibt sich:

Nach einer von ihrer Krankenkasse (KK) bezahlten Magen-Bypass-Operation reduzierte die 61-jährige Klägerin ihr Körpergewicht um über 40 kg. Mitte April 2018 beantragte sie bei ihrer KK die Gewährung von Hautstraffungsoperationen am Bauch, den Brüsten, Oberarmen und Oberschenkeln. Sie leide u.a. an einer Makromastie (Brustfehlbildung), was sie auch psychisch belaste. Die KK informierte die Klägerin am 11.05.2018 darüber, dass sie den Antrag nicht binnen der gesetzlichen Fünfwochenfrist bearbeiten könne, weil noch eine Untersuchung beim MDK erforderlich sei. Sie gehe davon aus, eine Entscheidung bis Anfang Juni 2018 treffen zu können. Dieses Schreiben war weder unterschrieben noch der Sachbearbeiter erkennbar, sondern lediglich „Mit freundlichen Grüßen Ihre KK“ unterzeichnet. Auf das nachfolgende MDK-Gutachten gestützt teilte die KK der Klägerin sodann Ende Mai 2018 – nach Ablauf der Fünfwochenfrist – mit, dass die Kosten für die Bauchdeckenstraffung, nicht jedoch für die weiteren Hautstraffungsoperationen übernommen würden. Es bestünden keine Hautreizungen. Zudem sei die erschlaffte Brust mit einem gut sitzenden BH zu kaschieren. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die KK zurück: Beim Hautmantelüberschuss an Oberarmen und Oberschenkeln sowie den Hängebrüsten handele es sich nicht um eine Krankheit. Es liege auch keine Entstellung vor. Die durch die Hautüberlagerung entstehenden Reizungen u.a. an der Hängebrust der Klägerin könnten ausreichend durch Hygienemaßnahmen und Salben behandelt werden. Hinsichtlich ihrer psychischen Beschwerden könne sich die Klägerin nervenärztlich und psychotherapeutisch behandeln lassen. Bei den weiteren Straffungsoperationen handle es sich um kosmetische Eingriffe.

Das SG Heilbronn hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben.

Nach Auffassung des Sozialgerichts hat die Klägerin aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V einen Anspruch auf Gewährung stationärer Straffungsoperationen ihrer Brüste, ihrer Oberarme und ihrer Oberschenkel. So habe die KK über den Antrag der Klägerin nicht binnen der maßgeblichen Fünfwochenfrist entschieden. Nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V könne die Krankenkasse zwar, wenn sie die gesetzliche Fünfwochenfrist nicht einhalten könne, dies dem Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen, sodass dann die Genehmigungsfiktion nicht eintrete. Dem genüge das Schreiben vom 11.05.2018 mit der Grußformel „Mit freundlichen Grüßen Ihre KK“ nicht. Denn die Schriftform erfordere nach dem BGB eine Unterschrift. Zudem sei aus dem Schreiben kein Name – auch nicht der des Sachbearbeiters – ersichtlich. Dem Anspruch auf die Straffungsoperationen könne auch nicht entgegengehalten werden, die Eingriffe seien kosmetischer Natur. Entscheidend sei vielmehr, ob die Klägerin die Leistung für erforderlich halten durfte und die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der Gesetzlichen Krankenversicherung stünden. Dies treffe hier zu. Der Sanktionscharakter der Genehmigungsfiktion würde letztlich leerlaufen, wenn die KK nach Nichtbeachtung der gesetzlichen Fünfwochenfrist anschließend mit Erfolg einwenden könnte, die beantragte Leistung hätte im konkreten Fall gar nicht bewilligt werden dürfen.