Gericht muss im Eilverfahren auch eilig handeln

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 02. Juni 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 899/20 entschieden, dass ein Gericht im Eilverfahren auch eilig handeln muss.

Der inhaftierte Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Gewährung eines Besuchs seiner Ehefrau.

Der Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Aufgrund eines während der Haft erlittenen Schlaganfalls ist er erblindet. Er ist verheiratet.

Wegen der Corona-Pandemie beschränkte die Justizvollzugsanstalt Besuche mittels einer Allgemeinverfügung. Gegen diese wendete sich der Beschwerdeführer in einem anderen fachgerichtlichen Eilverfahren.

Der Beschwerdeführer beantragte − anlässlich seines Geburtstags − einen Langzeitbesuch seiner Ehefrau, hilfsweise einen Besuch von zwei Stunden ohne Einhaltung etwaiger Abstandsregeln, weiter hilfsweise an einem anderen Tag. Die derzeitigen Besuchsbeschränkungen seien weder durch das Infektionsschutzgesetz noch durch die Niedersächsische Verordnung bezüglich der Kontaktbeschränkungen gedeckt. Bereits seit fünf Wochen sei kein Besuch möglich, was eine kaum erträgliche Isolation bedeute. Da er erblindet sei, komme ein Besuch hinter einer Trennscheibe nicht in Betracht. Art. 6 GG sei zu beachten. Eine Justizvollzugsanstalt sei nicht mit einem Seniorenheim oder einem Krankenhaus zu vergleichen und Gefangene würden auch keine besondere Risikogruppe darstellen. Zudem sei die Infektionskette bei einem Besuch eines Gefangenen lückenlos nachzuverfolgen.

Die Justizvollzugsanstalt lehnte den Antrag ab. Um eine Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen und eine Infektion von Bediensteten und Gefangenen möglichst zu vermeiden, sei der Besuch nahezu gänzlich eingeschränkt. Besuche könnten gemäß § 26 Nr. 1 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG) eingeschränkt werden, um eine Gefährdung der Sicherheit für die Anstalt auszuschließen. Das Corona-Virus sei ansteckend, könne schwere Grippesymptome hervorrufen und zu einer Lungenentzündung führen. Tückisch sei, dass nicht jeder Infizierte Symptome ausbilde, dennoch aber andere Menschen mit dem Virus anstecken könne. Durch einen Langzeitbesuch oder einen Besuch ohne Trennscheibe könnten Besucher − wie auch die Ehefrau des Beschwerdeführers − in die Anstalt gelangen, die sich bereits mit dem Virus infiziert hätten. Würden dann geltende Hygienestandards und der erforderliche Mindestabstand nicht eingehalten, könne sich das Virus sehr schnell in der Anstalt verbreiten. Dies betreffe sowohl Bedienstete als auch Gefangene. Sofern mehrere Bedienstete aufgrund einer Erkrankung oder Quarantäne ausfielen, sei die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet. Zudem gehörten zahlreiche Gefangene zur Risikogruppe. Daher seien Langzeitbesuche bis auf Weiteres generell ausgesetzt. Reguläre Besuche fänden nur in besonderen Ausnahmesituationen und mittels Trennscheibe statt. Eine solche Ausnahmesituation sei nicht ersichtlich. Es bestehe die Möglichkeit der Kontaktpflege mittels Telefon oder Videotelefonie. Der Antrag auf Besuch „an einem anderen Tag“ könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht genehmigt werden, da nicht feststehe, wann und in welchem Umfang die Besuchsbeschränkungen wieder gelockert werden können.

Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletzt die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthaltene Rechtsschutzgarantie.

Der vom Beschwerdeführer am 28. April 2020 rechtzeitig gestellte Eilantrag für einen Langzeitbesuch anlässlich seines Geburtstags am 8. Mai 2020 ging am Montag, dem 4. Mai 2020, beim Landgericht ein. Diesem verblieben noch vier Werktage für eine Entscheidung. Das Landgericht hat jedoch erst am 5. Mai 2020 die Einholung einer Stellungnahme von der Justizvollzugsanstalt verfügt. Die Verfügung ist am 6. Mai 2020 umgesetzt worden und hat die Justizvollzugsanstalt erst am 7. Mai 2020 erreicht. Zudem hat das Landgericht eine Wiedervorlagefrist von drei Wochen verfügt und damit die erneute Befassung mit dem Begehren des Beschwerdeführers für einen Zeitpunkt vorgesehen, der bereits nach dem begehrten Termin für den Langzeitbesuch lag. Aufgrund dessen hat sich der Antrag des Beschwerdeführers für den 8. Mai 2020 schon durch Zeitablauf erledigt. Damit ist sein Anspruch auf wirksame gerichtliche Kontrolle vereitelt worden.

Darüber hinaus hat das Landgericht nicht die für die Entscheidung erforderliche zügige Kommunikationsform gewählt. Indem erst am 6. Mai 2020 ein Ersuchen an die Justizvollzugsanstalt um Stellungnahme abgesetzt wurde, welches diese auch erst am 7. Mai 2020 − mithin einen Tag vor dem beantragten Langzeitbesuch − erhielt, hat es nicht die den Umständen nach erforderliche Form der Kommunikation gewählt, um die Möglichkeit einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sicherzustellen.

Völlig unberücksichtigt lässt das Landgericht auch den Umstand, dass der vom Beschwerdeführer begehrte Besuchstermin seiner Ehefrau am 8. Mai 2020 nicht zufällig ausgewählt, sondern anlässlich seines Geburtstags beantragt wurde. Damit hat es dem Beschwerdeführer die zur Sicherung effektiven Rechtschutzes notwendige Prüfung versagt.