Häftling muss in Ruhe pinkeln & scheißen können – aber ohne Sichtschutz

16. April 2020 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.03.2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 1273/19 eine Verfassungsbeschwerde eines Häftlings nicht zur Entscheidung angenommen, mit der dieser einen Sichtschutzvorhang in seiner Zelle durchsetzen wollte.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Begehren des Beschwerdeführers, die Justizvollzugsanstalt D. zu verpflichten, in seiner Einzelzelle einen Sichtschutzvorhang zu installieren. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer an, dass Bedienstete der Justizvollzugsanstalt die durch das Landesjustizministerium erlassene Weisung, dass zum Schutz der Intimsphäre der Gefangenen vor dem Betreten der Haftzellen zu klopfen ist und Bedienstete erforderlichenfalls zuwarten sollen, regelmäßig missachteten.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie jedenfalls unbegründet ist.

Aus der Verfassung folgt kein Anspruch auf Installation eines Sichtschutzvorhanges in einem Einzelhaftraum. Die von dem Beschwerdeführer geschilderte fehlende Abtrennung der Toilette vom übrigen Raum verletzt in Einzelhafträumen auch unter Einbeziehung internationaler Standards nicht den Anspruch des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde, weil grundsätzlich die Möglichkeit besteht, körperliche Bedürfnisse unter Wahrung der eigenen Intimsphäre zu verrichten.

Die Verfassungsrichter wiesen aber darauf hin, dass Gefangene, in deren Haftraum die Toilette nicht mit (ausreichendem) Sichtschutz versehen ist, einen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG vermittelten Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch die Bediensteten der jeweiligen Justizvollzugsanstalt haben. Bedienstete, die einen solchen Haftraum betreten wollen, müssen dies grundsätzlich durch Anklopfen oder in anderer Form ausreichend vernehmbar ankündigen, so dass Gefangenen im Falle der Benutzung der Toilette oder der Waschvorrichtung ein rechtzeitiger Hinweis ermöglicht wird. Im Falle eines solchen Hinweises haben die Bediensteten vom Betreten des Raumes, wenn dieses nicht ausnahmsweise dringend geboten erscheint, für eine den Umständen angemessene Zeitspanne abzusehen. Bei Verstößen gegen dieses Rücksichtnahmegebot können sich die betroffenen Gefangenen beim Anstaltsleiter beschweren (§ 108 StVollzG) oder Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen (§ 109 StVollzG).