Häufige Krankmeldungen: Was können Arbeitgeber tun?

03. August 2025 -

Wenn Arbeitnehmer immer wieder krankheitsbedingt ausfallen, kann das den Betriebsablauf erheblich beeinträchtigen. Viele Arbeitgeber fragen sich dann, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, darauf zu reagieren. Darf man einem Mitarbeiter eine Abmahnung erteilen, weil er so oft fehlt? Unter welchen Voraussetzungen ist eine Kündigung wegen Krankheit zulässig? Und welche Rolle spielt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) in diesem Zusammenhang? In der Praxis haben krankheitsbedingte Kündigungen zuletzt zugenommen – umso wichtiger ist es für Arbeitgeber, die rechtlichen Rahmenbedingungen genau zu kennen. Im Folgenden geben wir eine ausführliche Orientierung zu den genannten Punkten, klären typische Irrtümer auf und zeigen, worauf Arbeitgeber achten müssen.

1. Abmahnung bei häufigen Krankmeldungen – Möglichkeiten und Grenzen

Krankheit als solche ist kein Fehlverhalten. Eine Abmahnung dient im Arbeitsrecht dazu, den Arbeitnehmer auf ein steuerbares Fehlverhalten hinzuweisen und ihn aufzufordern, sein Verhalten zu ändern. Genau daran scheitert eine Abmahnung bei echter Erkrankung: Niemand kann eine Krankheit willentlich abstellen oder vermeiden. Daher reicht häufiges Kranksein alleine in keinem Fall als Abmahnungsgrund aus. Solange sich der Arbeitnehmer ordnungsgemäß krank meldet und ein ärztliches Attest vorlegt, darf der Arbeitgeber ihn nicht wegen der Fehlzeit an sich rügen. Eine Abmahnung nur wegen häufiger Krankheiten wäre unzulässig – sie verfehlte ihren Zweck, weil der Mitarbeiter sein Verhalten gar nicht willentlich ändern kann.

Kein „Vorbereitungsschritt“ für Kündigungen: Manche Arbeitgeber glauben irrtümlich, man müsse einen Mitarbeiter, der sehr oft fehlt, zunächst abmahnen, um später eine Kündigung aussprechen zu können. Doch bei krankheitsbedingten Fehlzeiten ist eine Abmahnung weder erforderlich noch sinnvoll, da hier – anders als bei verhaltensbedingten Problemen – kein Vertragsverstoß vorliegt, den man abstellen könnte. Eine krankheitsbedingte Kündigung (siehe Punkt 2) kann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch ohne vorherige Abmahnung erfolgen. Eine Abmahnung ist im Krankheitsfall also nur in besonderen Konstellationen möglich, die mit tatsächlichem Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu tun haben.

Ausnahmen – wann eine Abmahnung gerechtfertigt ist: Tritt neben der Krankheit ein vertragswidriges Verhalten des Mitarbeiters auf, kann selbstverständlich eine Abmahnung erfolgen. In folgenden Fällen ist Vorsicht geboten:

  • Vortäuschen einer Krankheit: Hat der Arbeitgeber handfeste Anhaltspunkte, dass der Mitarbeiter gar nicht wirklich krank ist, sondern „blau macht“, liegt ein schwerwiegendes Fehlverhalten vor. Wird jemand z. B. dabei erwischt, wie er trotz Krankschreibung Tätigkeiten nachgeht, die mit der angeblich bestehenden Erkrankung unvereinbar sind, rechtfertigt das mindestens eine Abmahnung – oft sogar eine fristlose Kündigung. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer offen ankündigt, sich grundlos krankzumelden, etwa um Druck auszuüben („Dann bin ich eben nächste Woche krank“). Ein solches Verhalten kann als Missbrauch gewertet und abgemahnt werden. In der Praxis sind derartige Fälle allerdings selten und für den Arbeitgeber schwer nachzuweisen.
  • Verstoß gegen die Anzeigepflicht oder Nachweispflicht: Deutlich häufiger kommt es zu Abmahnungen, weil der Mitarbeiter seine Mitteilungspflichten im Krankheitsfall verletzt. Jeder Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitgeber krankzumelden und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit anzugeben. Spätestens ab dem 4. Krankheitstag (sofern nicht vertraglich früher verlangt) muss außerdem eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden. Diese Pflichten ergeben sich aus § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz. Wer sich also zu spät oder gar nicht beim Arbeitgeber krankmeldet oder den „gelben Schein“ nicht rechtzeitig einreicht, begeht eine Pflichtverletzung. Der Arbeitgeber darf in einem solchen Fall eine Abmahnung aussprechen – und zwar durchaus schon beim ersten Vorfall. Hält der Arbeitnehmer seine Pflichten auch danach nicht ein, muss er mit weiteren Konsequenzen rechnen. Wiederholte Verstöße trotz Abmahnung können eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Tipp: Auch seit Einführung der elektronischen Krankmeldung (eAU) bleibt die persönliche Mitteilungspflicht bestehen. Der Arzt übermittelt zwar die AU-Daten elektronisch an die Krankenkasse und den Arbeitgeber, jedoch muss der Arbeitnehmer den Ausfall und die voraussichtliche Dauer weiterhin unverzüglich selbst anzeigen. Viele Beschäftigte wissen das nicht – hier lauert ein häufiger Irrtum, der zu Abmahnungen führen kann.

Fazit zu Abmahnungen: Arbeitgeber dürfen einen Mitarbeiter nicht wegen der Krankheit an sich abmahnen, so lange er seinen Pflichten (Meldung und Attest) nachkommt. Zulässig sind Abmahnungen im Krankheitskontext nur, wenn steuerbares Fehlverhalten vorliegt – etwa Pflichtverstöße (z.B. versäumte Krankmeldung) oder der Missbrauch der Krankschreibung zu anderen Zwecken. In solchen Fällen dient die Abmahnung dazu, den Arbeitnehmer auf das Fehlverhalten hinzuweisen und ihn für die Zukunft zu warnen. Wo kein Fehlverhalten vorliegt, dort fehlt jedoch die Grundlage für arbeitsrechtliche Sanktionen.

2. Krankheitsbedingte Kündigung – Voraussetzungen, Ablauf und Risiken

Ist ein Arbeitnehmer so häufig oder langanhaltend krank, dass seine Leistungsfähigkeit dauerhaft in Frage steht, kann letztlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen. Eine Kündigung aus Krankheitsgründen zählt rechtlich zu den personenbedingten Kündigungen – der Grund liegt also in der Person bzw. dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, nicht in einem Fehlverhalten. Allerdings unterliegt eine solche krankheitsbedingte Kündigung strengen Anforderungen. Greift das Kündigungsschutzgesetz (d.h. in Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern und bei Beschäftigungsverhältnissen länger als 6 Monate), muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die Rechtsprechung verlangt in diesen Fällen eine dreistufige Prüfung, ob die Kündigung wirklich unvermeidbar ist:

  • Negative Gesundheitsprognose: Zum Kündigungszeitpunkt muss eine leidlich sichere Prognose bestehen, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft ständig oder wiederholt krank sein wird. Entscheidend ist also der Blick in die Zukunft: Die Kündigung darf keine Bestrafung für zurückliegende Fehlzeiten sein, sondern muss darauf gestützt werden, dass weitere Ausfälle mit ähnlicher Häufigkeit oder Dauer zu erwarten sind. Fehlen objektive Tatsachen für eine solche Annahme, ist die Prognose positiv – dann scheidet eine Kündigung aus. Einmalige oder ausgeheilte Erkrankungen (z. B. ein komplizierter Armbruch), die sich voraussichtlich nicht wiederholen, dürfen nicht negativ in die Zukunftsprognose einbezogen werden. Umgekehrt können häufige Kurzkrankheiten ein Indiz für künftige Ausfälle sein. Als Faustregel gilt oft: War ein Mitarbeiter über mehr als 6 Wochen pro Jahr krankgeschrieben (über mehrere Jahre hinweg), lässt sich daraus eine negative Prognose ableiten. So wurde etwa bei Krankheitszeiten von jeweils über 6 Wochen in drei aufeinanderfolgenden Jahren eine Kündigung als erwägenswert angesehen. Starre Grenzwerte existieren aber nicht – letztlich kommt es auf den konkreten Einzelfall und die Art der Erkrankungen an.
  • Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung: Die krankheitsbedingten Fehlzeiten müssen den Betrieb spürbar belasten. Das bedeutet, es entstehen z. B. erhebliche Kosten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und/oder organisatorische Schwierigkeiten, weil der Ausfall immer wieder aufgefangen werden muss. Die Betriebstätigkeit darf durch die Abwesenheiten nicht mehr zumutbar aufrechterhalten werden können. Beispielsweise können häufige Ausfälle zu Produktionsverzögerungen führen oder erfordern die regelmäßige Einstellung von Ersatzkräften. Konkrete Zeitgrenzen sind hier schwer zu ziehen, doch regelmäßige längere Erkrankungen (wie oben erwähnt) können eine erhebliche Beeinträchtigung indizieren, vor allem wenn Entgeltfortzahlungen in außergewöhnlicher Höhe anfallen.
  • Interessenabwägung: Schließlich wird abgewogen, ob der Kündigungsgrund (die betrieblichen Beeinträchtigungen durch die Krankheit) so gravierend ist, dass er gegenüber dem Bestandsinteresse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegt. In diese Abwägung fließen sämtliche Umstände des Einzelfalls ein. Relevant sind etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter – einem langjährig Beschäftigten ist eher Nachsicht zu gewähren als jemandem, der erst kurz aus der Probezeit ist. Auch spielt es eine Rolle, ob die Erkrankungen z.B. auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen sind oder ob eine Schwerbehinderung vorliegt. Solche Faktoren erhöhen das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers. Umgekehrt wird betrachtet, ob der Arbeitgeber alle milderen Mittel ausgeschöpft hat, um die Kündigung abzuwenden (Stichwort Ultima Ratio). Könnte der Mitarbeiter etwa durch Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Versetzung auf einen anderen Posten weiterbeschäftigt werden, muss dies versucht werden, bevor gekündigt wird. Eine Kündigung ist also nur zulässig, wenn keine andere zumutbare Lösung (etwa leidensgerechte Anpassungen oder Überbrückungsmaßnahmen) mehr bleibt.

Erst wenn alle drei Stufen erfüllt sind – negative Zukunftsprognose, erhebliche Beeinträchtigung und eine für den Arbeitgeber untragbare Belastung im Rahmen der Interessenabwägung – gilt eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit als sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. In der Praxis ist diese Hürde hoch: Es lässt sich nie pauschal sagen, ab wann eine krankheitsbedingte Kündigung „erlaubt“ ist – stets kommt es auf eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles an. So können z.B. 40 Fehltage pro Jahr in einem Unternehmen verkraftbar sein, während in einem anderen Betrieb schon 20 Fehltage kritisch werden. Arbeitgeber sollten sich hier im Zweifel arbeitsrechtlich beraten lassen, bevor sie einen solchen Schritt planen.

Wichtig: Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen ist bei einer personenbedingten Kündigung keine vorherige Abmahnung erforderlich. Da die Krankheit kein vertragswidriges Verhalten darstellt, kann der Arbeitgeber – sobald die obigen Voraussetzungen vorliegen – grundsätzlich direkt kündigen, ohne den Mitarbeiter zuvor „warnen“ zu müssen. (Eine Abmahnung wäre in solchen Fällen, wie oben erläutert, ohnehin wirkungslos.) Vorsicht ist allerdings geboten, wenn der Verdacht besteht, dass hinter den Fehlzeiten ein steuerbares Verhalten steckt – z.B. häufige scheinbare Erkrankungen am Montag oder nach Streitigkeiten. In solchen Fällen sollte zunächst das Gespräch gesucht und ggf. doch eine Abmahnung in Erwägung gezogen werden, sofern konkrete Pflichtverletzungen vorliegen.

Ablauf in der Praxis: Bevor der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung ausspricht, sind einige Schritte und Formalitäten zu beachten. Zunächst sollte eine umfassende Dokumentation der Fehlzeiten erfolgen: Welche Zeiträume und Anzahl an Krankheitstagen liegen in den vergangenen Jahren vor? Diese Vergangenheitsdaten dienen – neben evtl. medizinischen Einschätzungen – als Beleg für die negative Zukunftsprognose. Gegebenenfalls kann der Arbeitgeber den Betriebsarzt oder den Medizinischen Dienst einschalten, um eine Einschätzung zur künftigen Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Ferner muss der Arbeitgeber im Sinne des oben erwähnten Ultima-Ratio-Prinzips prüfen, ob der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt oder durch Anpassungen weiterbeschäftigt werden kann. In diesem Zusammenhang spielt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) eine große Rolle – dazu mehr in Abschnitt 3.

Liegt die Entscheidung zur Kündigung vor, sind die Beteiligungsrechte im Betrieb zu wahren. Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser vor jeder Kündigung ausführlich angehört werden (§ 102 BetrVG); unterbleibt die Anhörung, ist die Kündigung unwirksam. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern ist zusätzlich die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen (§ 168 SGB IX), bevor gekündigt werden darf. Auch werdende Mütter oder Arbeitnehmer in Elternzeit genießen Sonderkündigungsschutz und dürfen nur mit behördlicher Zustimmung entlassen werden. In der Regel wird eine krankheitsbedingte Kündigung ordentlich mit dem geltenden Kündigungsfrist ausgesprochen – eine fristlose (außerordentliche) Kündigung kommt bei Krankheit nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die vollständige dauerhafte Arbeitsunfähigkeit feststeht und selbst eine kurze Frist nicht abgewartet werden kann.

Risiken für den Arbeitgeber: Krankheitsbedingte Kündigungen sind äußerst anfällig für Anfechtungen. Viele solche Kündigungen halten einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand, weil der Arbeitgeber die strengen Voraussetzungen nicht lückenlos darlegen konnte. Kommt es zur Kündigungsschutzklage, trägt der Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Prognose zum Kündigungszeitpunkt negativ war und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr bestand. Insbesondere wenn ein vorgeschaltetes BEM unterlassen wurde, verlangen die Gerichte einen detaillierten Vortrag dazu, warum auch mit zumutbaren Mitteln keine Besserung oder Alternative zu erwarten war. Gelingt dieser Nachweis nicht, wird die Kündigung als unverhältnismäßig und somit sozial ungerechtfertigt bewertet. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt und er ggf. Nachzahlungen für die Zeit seit der Kündigung leisten muss. In vielen Fällen enden Kündigungsschutzverfahren mit einem Vergleich – häufig wird dem Arbeitnehmer eine Abfindung gezahlt, um das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Typische Fehler seitens des Arbeitgebers (wie ein ignoriertes BEM oder vorschnelles Kündigen ohne ausreichende Faktenbasis) können somit teuer werden. Arbeitgeber sollten also äußerste Sorgfalt walten lassen und im Zweifelsfall frühzeitig fachkundigen Rat einholen, bevor sie eine Kündigung wegen Krankheit aussprechen.

3. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Pflicht und Bedeutung

Steigt die Krankheitsquote eines Mitarbeiters, kommt unweigerlich das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ins Spiel. Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, jedem Beschäftigten ein BEM anzubieten, wenn dieser innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank war. Diese Pflicht gilt unabhängig von der Betriebsgröße und ist in § 167 Abs. 2 SGB IX verankert. Leider wird das BEM in der Praxis – vor allem in kleineren und mittleren Betrieben – noch häufig vernachlässigt. Dabei ist seine Bedeutung kaum zu überschätzen, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.

Ziele und Ablauf des BEM: Ein BEM-Verfahren soll gemeinsam mit dem betroffenen Mitarbeiter Wege finden, wie die bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden und künftigen Erkrankungen vorgebeugt werden kann, um das Arbeitsverhältnis möglichst zu erhalten. Es handelt sich gewissermaßen um ein präventives Unterstützungsangebot. Im Rahmen eines BEM wird typischerweise ein Gespräch (oder mehrere) geführt, an dem neben dem Arbeitnehmer Vertreter des Arbeitgebers teilnehmen sowie – falls vorhanden und vom Mitarbeiter gewünscht – der Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsarzt. Gemeinsam wird analysiert, welche Ursachen die häufigen Erkrankungen haben könnten und welche Maßnahmen geeignet wären, um die Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten zu fördern. Beispielsweise kommen Anpassungen des Arbeitsplatzes (ergonomische Möbel, technische Hilfen), Änderungen der Arbeitszeit, eine Versetzung auf einen anderen geeigneten Arbeitsplatz oder auch schulische/berufliche Weiterbildungsmaßnahmen in Betracht, sofern diese dazu beitragen könnten, künftige Ausfallzeiten zu reduzieren. Alle Vorschläge werden vertraulich besprochen und der Arbeitnehmer entscheidet, welche Informationen er preisgeben möchte – niemand kann im BEM zur Offenlegung seiner Diagnose gezwungen werden.

Wichtig ist: Das BEM-Verfahren ist absolut freiwillig. Der Mitarbeiter kann das Angebot ohne Angabe von Gründen ablehnen. Aus dieser Ablehnung dürfen dem Arbeitnehmer keine negativen Konsequenzen entstehen, denn das Gesetz schreibt ausdrücklich die Freiwilligkeit vor. Einige Stimmen in der Literatur forderten zwar, eine BEM-Verweigerung solle dem Arbeitnehmer in der Interessenabwägung einer Kündigung angelastet werden – doch das Bundesarbeitsgericht lehnt dies ab. Dennoch verschenkt der Arbeitnehmer mit einer Ablehnung oft Chancen: Im BEM hätten eventuell Lösungen gefunden werden können, die ihm das Arbeitsleben erleichtern. Nimmt er daran nicht teil, bleiben diese Hilfsmaßnahmen ungenutzt.

Formale Anforderungen: Arbeitgeber müssen das BEM sehr sorgfältig vorbereiten und durchführen. Bereits die Einladung zum BEM muss bestimmten formellen Kriterien genügen, damit der Beschäftigte überhaupt weiß, worauf er sich einlässt. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitnehmer in der Einladung über die Ziele des BEM, die Art und den Umfang der dafür erhobenen Daten sowie über seine Mitwirkungsrechte (z. B. Wahl der teilnehmenden Personen) umfassend informiert werden muss. Die Einladung sollte schriftlich erfolgen und dem Mitarbeiter klar vermitteln, dass das BEM dem Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit und seines Arbeitsplatzes dient. Im Verfahren selbst sind alle besprochenen Daten vertraulich zu behandeln; ohne Zustimmung des Mitarbeiters dürfen Gesundheitsdaten nicht an Dritte weitergegeben werden.

Bedeutung für Kündigungen: Ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM ist nicht nur im Interesse des Beschäftigten, sondern auch aus Arbeitgebersicht enorm wichtig, bevor an eine Kündigung aus Krankheitsgründen gedacht werden kann. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass das BEM keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung ist – d.h. eine Kündigung ist nicht allein deshalb automatisch unwirksam, weil zuvor kein BEM stattfand. Aber: Unterlässt der Arbeitgeber entgegen seiner Pflicht das BEM, verstößt er gegen das im Kündigungsrecht verankerte Ultima-Ratio-Prinzip, wonach eine Kündigung nur als letztes Mittel zulässig ist. Die Gerichte werten ein fehlendes BEM daher als Indiz, dass der Arbeitgeber möglicherweise nicht alles Zumutbare zur Vermeidung der Kündigung unternommen hat. Im Kündigungsschutzprozess steigt dann die Darlegungslast des Arbeitgebers erheblich. Er muss detailliert aufzeigen, warum auch mit zumutbaren Anpassungen oder anderen Maßnahmen keine Weiterbeschäftigung möglich gewesen wäre. Pauschale Behauptungen reichen nicht: Der Arbeitgeber muss z.B. konkret darlegen, warum am bisherigen Arbeitsplatz keine leidensgerechte Beschäftigung möglich war, weshalb auch eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz ausgeschlossen war und weshalb die Kündigung somit wirklich unvermeidbar war. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, gilt die Kündigung als voreilig – sie wird vom Gericht als unwirksam angesehen. So hat etwa das LAG Hamburg entschieden, dass eine Kündigung aufzuheben ist, wenn denkbar gewesen wäre, das BEM hätte eine positive Lösung erbracht.

Umgekehrt kann ein gewissenhaft durchgeführtes BEM dem Arbeitgeber nutzen, wenn es tatsächlich zu einer Kündigung kommen muss. Hat der Arbeitgeber nachweislich alles versucht – wurde also ein BEM angeboten, vom Mitarbeiter angenommen und ergebnisoffen durchgeführt – und hat dieses kein positives Ergebnis gebracht (etwa weil keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit gefunden wurde), dann kann der Arbeitgeber im Prozess darauf verweisen. Die erfolglose Durchführung des BEM untermauert, dass die Kündigung leider unumgänglich war. Insofern stärkt ein dokumentiertes BEM-Verfahren die Position des Arbeitgebers, weil es zeigt, dass die Fürsorgepflicht ernst genommen und der Erhalt des Arbeitsverhältnisses vorrangig verfolgt wurde.

Praxis-Tipp: Arbeitgeber sollten das BEM nicht als lästige Formalie, sondern als Chance sehen. Zum einen besteht die Möglichkeit, einen leistungsbereiten Mitarbeiter durch geeignete Unterstützung wieder voll einsatzfähig zu machen – was betriebswirtschaftlich meist sinnvoller ist, als ständig neue Kräfte einzuarbeiten. Zum anderen schafft das BEM Fakten: Sollte es dennoch zur Kündigung kommen, hat der Arbeitgeber eine deutlich bessere Grundlage, um die sozialen Rechtfertigungsgründe darzulegen. Fehlende oder fehlerhaft durchgeführte BEM-Verfahren sind hingegen häufig der Knackpunkt, an dem krankheitsbedingte Kündigungen vor Gericht scheitern. Kurz gesagt: Die pflichtgemäße Umsetzung des BEM ist ein entscheidender Baustein im rechtssicheren Umgang mit häufig erkrankten Mitarbeitern.

Häufige Krankmeldungen von Arbeitnehmern sind für Arbeitgeber eine Herausforderung – rechtlich wie praktisch. Wichtig ist, besonnen und gut informiert vorzugehen: Eine Abmahnung darf nur erfolgen, wenn tatsächliche Pflichtverstöße im Spiel sind, nicht wegen der Krankheit an sich. Eine Kündigung aus Krankheitsgründen ist als letztes Mittel zwar möglich, erfordert aber eine sorgfältige Prüfung und Dokumentation nach strengen Kriterien. Und das Betriebliche Eingliederungsmanagement sollte keinesfalls ignoriert werden – es ist sowohl eine gesetzliche Pflicht als auch eine Chance, dem Mitarbeiter zu helfen und eine Kündigung vielleicht abzuwenden. Arbeitgeber, die diese Punkte beachten, sind rechtlich auf der sicheren Seite und können zugleich ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, fachanwaltlichen Rat einzuholen, um kostspielige Fehler zu vermeiden. So lassen sich im Spannungsfeld zwischen Betriebsablauf und Fürsorgepflicht tragfähige Lösungen finden, selbst wenn Arbeitnehmer häufig krank sein sollten.