Hausratversicherung zahlt nicht bei Diebstahl aus Wohnung, wenn Schlüssel geklaut wird

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 05.07.2023 zum Aktenzeichen IV ZR 118/22 entschieden, dass die sogenannte „erweiterte Schlüsselklausel“ in der Hausratversicherung, wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat, unterfällt als primäre Leistungsbeschreibung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle und verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Kontrollfrei bleiben bloße Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegen. Es ist nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Ob die vom Beklagten verwendete Klausel das Hauptleistungsversprechen unmittelbar regelt oder dieses nur einschränkt, verändert, ausgestaltet oder modifiziert, kann der Senat selbst feststellen. Die formularmäßig gestalteten Vertragsbedingungen des Beklagten unterliegen der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung und können vom Revisionsgericht selbst ausgelegt werden. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Die Auslegung auf der Grundlage dieses Maßstabs ergibt, dass die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014, soweit sie den Versicherungsschutz davon abhängig macht, dass der Täter den zur Begehung des Diebstahls verwendeten Schlüssel „ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers“ an sich gebracht hat, die vom Beklagten geschuldete Leistung unmittelbar festlegt.

Nach § 27 Nr. 2 G 2014 leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die unter anderem durch Einbruchdiebstahl zer-stört oder beschädigt werden oder abhandenkommen. Ob der Beklagte mit dieser Regelung – wie die Revision meint – das Hauptleistungsversprechen bereits so beschrieben hat, dass der wesentliche Vertragsinhalt bestimmt werden kann und ein wirksamer Vertrag anzunehmen ist, oder ob erst die nachfolgende Bestimmung des § 28 Nr. 4 Buchst. a) G 2014 mit ihrer Definition versicherter Erscheinungsformen eines Einbruchdiebstahls im Zusammenspiel mit § 27 Nr. 2 G 2014 den Inhalt der geschuldeten Leistung festlegt, muss nicht entschieden werden. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der bei der Beurteilung der Frage nach der Reichweite des vom Versicherer gegebenen Leistungsversprechens die Bestimmung in § 27 Nr. 2 G 2014 zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nimmt, wird vom Wortlaut des dort verwendeten Begriffs „Einbruchdiebstahl“ jedenfalls nicht den mittels eines zuvor entwendeten echten Schlüssels verübten Diebstahl als umfasst ansehen. Der Ausdruck „Einbruchdiebstahl“ verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht auf den Bereich der Rechtssprache. Zwar ist der Begriff des „Diebstahls“ ein Rechtsbegriff des Strafrechts, der seine nähere Ausformung durch die dort geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen (§ 242 StGB) erhält. Einen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Begriff des „Einbruchdiebstahls“, der in den §§ 242, 243 StGB nicht verwendet wird, gibt es aber nicht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch umschreibt der Begriff den nach Einbrechen in ein Haus oder einen Raum verübten Diebstahl, wobei mit dem Begriff des „Einbrechens“ das gewaltsame Eindringen in ein Gebäude oder einen Raum, besonders um etwas zu stehlen, vorausgesetzt wird. Dementsprechend wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unabhängig davon, ob er allein mit dem Begriff „Einbruchdiebstahl“ eine hinreichend bestimmte Vorstellung von der Reichweite des zugesagten Versicherungsschutzes verbindet, Leistungen jedenfalls nur für solche Begehungsweisen erwarten, bei denen der Täter gewaltsam und widerrechtlich unter Überwindung eines Hindernisses in das versicherte Gebäude eindringt, worunter der Zutritt mit einem zuvor entwendeten Schlüssel nicht fällt.

Unter Zugrundelegung dieses Auslegungsergebnisses stellt die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014 mit ihrer eigenständigen Regelung einer versicherten qualifizierten Begehungsform des Diebstahls – entgegen der Auffassung der Revision – keine der Inhaltskontrolle unterliegende Modifizierung oder Änderung einer bestehenden Hauptleistungspflicht dar, sondern deren erstmalige kontrollfreie Bestimmung. Als Definition des Versicherungsfalles gehört sie zum Kern der Leistungsbeschreibung, weshalb sie sich einer inhaltlichen AGB -Kontrolle entzieht.

Der Schutzzweck der Inhaltskontrolle spricht – wie die Revisionserwiderung zu Recht hervorhebt – ebenfalls für eine Kontrollfreiheit der Klausel. Durch die Inhaltskontrolle soll der Vertragspartner des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor einer einseitig ausbedungenen, inhaltlich unangemessenen Verkürzung der vollwertigen Leistung, wie er sie nach Gegenstand und Zweck des Vertrages erwarten darf, geschützt werden. Zu diesem innersten Kern der Leistungsbeschreibung einer Hausratversicherung, die Versicherungsschutz auch für durch Einbruchdiebstahl verursachte Schäden verspricht, zählt die von der so- genannten „erweiterten Schlüsselklausel“ erfasste Tatmodalität nicht. Schutzwürdige Erwartungen des Versicherungsnehmers auf einen bestehenden Versicherungsschutz können durch die in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014 enthaltenen Einschränkungen nicht verletzt werden, weil der mittels eines zuvor entwendeten richtigen Schlüssels verübte Diebstahl – wie ausgeführt – nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht unter die in § 27 Nr. 2 G 2014 nur schlagwortartig umschriebene Gefahr des Einbruchdiebstahls fällt.

Das so verstandene Leistungsversprechen des Beklagten weicht nicht im Sinne von § 32 Satz 1 VVG von § 28 VVG ab. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der Klausel nicht um eine sogenannte verhüllte Obliegenheit handelt. Die Abgrenzung einer verhüllten Obliegenheit von einer Risikobegrenzung richtet sich entscheidend nicht nach dem Wortlaut und der Stellung der Klausel innerhalb eines Bedingungswerkes. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr materieller Gehalt; es kommt darauf an, ob sie die individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer keinen Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder verliert. Für die danach vorzunehmende Abgrenzung kommt es auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Dieser entnimmt der Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014, dass der Beklagte von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und ihm nicht ein bereits gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens des berechtigten (Schlüssel-)Besitzers wieder entzogen werden soll.

Die Klausel in § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014 verstößt nicht gegen das – sich gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Hiernach ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann . Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist.

Diesen Erfordernissen wird § 28 Nr. 4 Buchst. a), 4. Spiegelstrich G 2014 gerecht. Soweit die Revision geltend macht, die Klausel vergegenwärtige dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer durch die Verwendung abstrakter und nicht durch typische Beispielsfälle konkretisierter Begriffe nicht, welches Verhalten von ihm gefordert werde, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Die Klausel ist, auch soweit sie den Versicherungsschutz davon abhängig macht, dass die Schlüsselvortat „ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers“ erfolgt ist, für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend verständlich. Sie verweist ihn mit der Wendung „fahrlässiges Verhalten“ hinsichtlich der Schuldform mit dem Begriff der „Fahrlässigkeit“ auf einen fest umrissenen – in § 276 Abs. 2 BGB definierten – Begriff der Rechtssprache, bei dem nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Zweifel anzunehmen ist, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Zwar mag für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer im Einzelfall nicht immer vorhersehbar sein, ob eine bestimmte Verhaltensweise als fahrlässig eingestuft werden kann. Das ist aber – wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat – nicht Folge eines unklaren Begriffsverständnisses, sondern beruht auf tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Feststellung des für die Subsumtion maßgeblichen Sachverhalts.

Soweit die Klausel auf das Verhalten eines „berechtigten Besitzers“ abstellt, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der den Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen zusätzlich in den Blick nimmt, davon ausgehen, dass es auf die Person ankommt, welcher er den Schlüssel bewusst und zur befugten Verwendung überlassen hat. Angesichts der hinreichenden Bestimmtheit der verwendeten Begriffe war der Beklagte – anders als die Revision meint – auch nicht gehalten, diese durch typische Beispielsfälle zu konkretisieren. Eine beispielhafte Aufzählung, welche Verhaltensweisen als fahrlässig einzustufen sind und welche Person als berechtigter Besitzer anzusehen ist, würde nicht zu zusätzlicher Klarheit beitragen, sondern Abgrenzungsfragen nur verlagern und unter Umständen sogar erschweren, weil derartige Aufzählungen in der Gewichtung der Beispiele zusätzlichen Wertungen Raum geben können, die dem an sich geläufigen Verständnis der verwendeten abstrakten Umschreibungen zuwiderlaufen. Ohnehin ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot – wie die Revision selbst einräumt – nicht schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können.