Ihre Rechte als CSL-Mitarbeiter beim Stellenabbau in Marburg

30. Juli 2025 -

Hintergrund: Die CSL Behring hat angekündigt, ihre Abteilung für Forschung und Entwicklung am Standort Marburg schrittweise zu schließen. Diese Entscheidung betrifft rund 500 Mitarbeiter und hat für viel Unruhe gesorgt. In Marburg kam es bereits zu Protesten: Anfang Juli demonstrierten etwa 4.000 Menschen – viermal so viele wie erwartet – vor den Werkstoren gegen den geplanten Stellenabbau. Vertreter der Politik zeigten sich schockiert; so nannte ein hessischer Staatssekretär den Umgang mit den Beschäftigten eine „Sauerei“. Für die betroffenen Arbeitnehmer stellt sich nun die Frage: Welche Rechte habe ich und welche Schritte sollte ich jetzt unternehmen? Im Folgenden geben wir einen strukturierten Überblick über Kündigungsschutz, Abfindungen, Versetzungen und Sozialplan – mit konkreten Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer.

Kündigungsschutz: Was tun bei betriebsbedingter Kündigung?

Wenn ein Unternehmen – wie hier CSL – Stellen abbaut oder eine Abteilung schließt, erfolgen in der Regel betriebsbedingte Kündigungen. Diese sind nur zulässig, wenn sie sozial gerechtfertigt sind (§ 1 Kündigungsschutzgesetz). Das bedeutet: Es müssen dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen (z.B. Abteilungsschließung aus wirtschaftlichen Gründen) und der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl durchführen. Bei der Sozialauswahl sind besonders schutzwürdige Mitarbeiter zu berücksichtigen – gesetzlich zählen dazu die Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten (z.B. Kinder) und eine eventuelle Schwerbehinderung. Langjährige oder ältere Mitarbeiter sowie solche mit familiärer Verantwortung oder Behinderung sollen also im Vergleich besser gestellt werden. Unterläuft dem Arbeitgeber hier ein Fehler oder werden Auswahlkriterien missachtet, kann die Kündigung unwirksam sein.

In vielen Fällen – gerade wenn eine ganze Abteilung komplett geschlossen wird – ist die Auswahlmöglichkeit allerdings eingeschränkt. Oft kündigt der Arbeitgeber dann allen Mitarbeitern dieser Abteilung; eine Sozialauswahl über Abteilungsgrenzen hinaus findet meist nicht statt. Dennoch muss der Arbeitgeber prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich wäre, bevor er kündigt (Ultima-Ratio-Prinzip). Kündigungen sind nur zulässig, wenn keine milderen Mittel wie Versetzungen oder Änderungskündigungen möglich sind. Arbeitnehmer sollten daher hinterfragen, ob der Arbeitgeber versucht hat, ihnen eine andere Stelle anzubieten, bevor er kündigt – dazu mehr im Abschnitt Versetzungen.

Fristen: Wichtig zu wissen ist die 3-Wochen-Frist für eine Kündigungsschutzklage. Wer eine Kündigung erhält, muss innerhalb von 3 Wochen ab Zugang Klage beim Arbeitsgericht einreichen, sonst gilt die Kündigung als wirksam. Lassen Sie diese Frist auf keinen Fall verstreichen, wenn Sie sich wehren möchten. Eine Kündigungsschutzklage lohnt sich insbesondere, wenn Zweifel an der sozialen Rechtfertigung bestehen oder Formfehler vorliegen. Selbst wenn Sie nicht an einer Weiterbeschäftigung interessiert sind, kann eine Klage Druck auf den Arbeitgeber ausüben und zu einer höheren Abfindung führen (siehe unten).

Besonderer Kündigungsschutz: Einige Arbeitnehmergruppen sind gesetzlich besonders geschützt. Schwangere und Mütter bis 4 Monate nach der Entbindung dürfen überhaupt nicht gekündigt werden (§ 17 Mutterschutzgesetz) – es sei denn, eine behördliche Ausnahmegenehmigung wird eingeholt, was äußerst selten ist. Ähnliches gilt für Eltern in Elternzeit. Schwerbehinderte Mitarbeiter (Grad der Behinderung ≥ 50) genießen ebenfalls Sonderkündigungsschutz: Eine Kündigung bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam. Wichtig: Dieser Schutz greift, sobald das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht. Betriebsratsmitglieder schließlich sind praktisch unkündbar – eine ordentliche Kündigung ist für sie ausgeschlossen, außer im seltenen Fall einer vollständigen Betriebsstilllegung. In der aktuellen Situation bedeutet das: Ist ein Mitglied des Betriebsrats unter den Marburger F&E-Beschäftigten, müsste CSL versuchen, für diese Person eine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen zu finden, da eine Kündigung kaum durchsetzbar wäre.

Praxis-Tipps (Kündigungsschutz):

  • Kündigung sorgfältig prüfen: Wenn Sie ein Kündigungsschreiben erhalten, achten Sie auf das Ausstellungsdatum und den Kündigungsgrund. Bei betriebsbedingter Kündigung muss der Grund im Schreiben zwar nicht detailliert dargelegt sein, aber häufig erwähnt der Arbeitgeber die „betriebsbedingten Gründe“. Prüfen Sie auch, ob ein Hinweis auf eine Abfindung nach § 1a KSchG enthalten ist (dazu im Abschnitt Abfindung mehr).
  • Sonderkündigungsschutz melden: Informieren Sie den Arbeitgeber umgehend, wenn bei Ihnen besonderer Schutz greift (z.B. Schwangerschaft oder Schwerbehinderung), falls diesem das noch nicht bekannt ist. Sie haben z.B. als Schwangere zwei Wochen Zeit, eine bereits ausgesprochene Kündigung nachträglich mit dem Attest zu konfrontieren. Schwerbehinderte sollten spätestens innerhalb von drei Wochen nach Kündigungszugang ihren Status nachmelden, falls sie ihn zuvor nicht offengelegt hatten. Dies kann die Kündigung unwirksam machen.
  • Arbeitsagentur informieren: Melden Sie sich frühzeitig (spätestens 3 Tage nach Kenntnis der Kündigung) bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. So sichern Sie Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld und vermeiden Sperrzeiten.
  • Klagefrist beachten: Notieren Sie sich die 3-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage. Überlegen Sie in Ruhe – am besten mit juristischem Rat – ob Sie Klage einreichen. Lassen Sie die Frist nur verstreichen, wenn Sie sicher nicht klagen wollen und ein etwaiges Abfindungsangebot des Arbeitgebers annehmen.
  • Rechtsberatung einholen: Gerade in einer so großen Kündigungswelle wie bei CSL lohnt es sich, einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Arbeitsrecht zu konsultieren. Eine individuelle Beratung kann klären, wie Ihre Chancen in einer Klage stehen und welche Strategie (Klage oder Verhandlung) die beste ist. Auch die Gewerkschaft IG BCE bietet ihren Mitgliedern Unterstützung an – sie hat bereits angekündigt, den Betriebsrat in Marburg umfassend zu unterstützen.

Abfindungen: Wie Sie eine faire Entschädigung erzielen

Gibt es einen Anspruch auf Abfindung? Viele Arbeitnehmer glauben, bei einer betriebsbedingten Kündigung automatisch eine Abfindung zu erhalten – dem ist aber nicht so. In Deutschland besteht kein allgemeiner gesetzlicher Abfindungsanspruch. Eine Abfindung gibt es grundsätzlich nur, wenn der Arbeitgeber sie freiwillig anbietet oder wenn ein Sozialplan bzw. ein gerichtlicher Vergleich dies vorsieht. Eine Ausnahme ist § 1a KSchG: Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt und bietet im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung dafür an, falls der Arbeitnehmer keine Klage erhebt, kann man die Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr beanspruchen. Wichtig: Man verzichtet damit auf eine Klage. Dieses „Abfindungsangebot von Gesetzes wegen“ muss im Kündigungsschreiben stehen – fehlt ein solches Angebot, gibt es keine automatische Zahlung.

Im Falle von CSL ist angesichts von 500 Kündigungen jedoch davon auszugehen, dass ein Sozialplan (siehe unten) ausgehandelt wird, der Abfindungen regelt. Typische Abfindungshöhen orientieren sich oft an der Faustformel „ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr Betriebszugehörigkeit“. Diese Formel wurde z.B. im Sozialplan-Beispiel einer Standortschließung angewandt: 20 Jahre Betriebszugehörigkeit x 0,5 Monatsgehalt = 10 Monatsgehälter Abfindung. Hinweis: Dies ist kein gesetzlicher Anspruch, aber in der Praxis ein gängiger Richtwert. Je nach Verhandlungsmacht können die Abfindungen höher oder niedriger ausfallen. Faktoren wie Alter, Unterhaltspflichten oder Schwerbehinderung fließen häufig in Abfindungsformeln ein (etwa über Punktesysteme). Langjährige Mitarbeiter dürfen also meist mit einer höheren Summe rechnen als kurzzeitig Beschäftigte, und besondere soziale Umstände erhöhen oft die Abfindung.

Abfindung verhandeln: Auch wenn ein Sozialplan eine Abfindung vorsieht, müssen Sie diese nicht unbedingt blind akzeptieren, sofern Sie glauben, dass Ihre Kündigung unwirksam sein könnte. Das Bestehen eines Sozialplans macht die Kündigung nicht automatisch rechtmäßig – Sie können trotzdem Kündigungsschutzklage erheben. In vielen Fällen lässt sich im Wege eines Vergleichs vor Gericht oder durch außergerichtliche Verhandlungen mehr erreichen. Gerade wenn der Arbeitgeber Fehler gemacht hat (z.B. bei Massenentlassungsanzeigen oder Sozialauswahl) oder wenn Sie sondergeschützt sind, steigt sein Prozessrisiko – und damit oft seine Bereitschaft, die Abfindung aufzustocken. Ein Fachanwalt kann einschätzen, ob in Ihrem Fall eine höhere Abfindung realistisch ist. Beachten Sie: Sobald eine Kündigungsschutzklage läuft, enden viele Arbeitgeberangebote auf „freiwilliger Basis“. Manche Sozialpläne schließen bestimmte Boni (z.B. Turboprämien, s.u.) aus, wenn der Mitarbeiter klagt. Lassen Sie sich davon aber nicht vorschnell abschrecken – oft wird im Vergleich dennoch zumindest die Grundabfindung gezahlt, plus ggf. ein Aufschlag zur Beendigung des Verfahrens.

Strategie bei Abfindungsangeboten: Häufig unterbreitet der Arbeitgeber frühzeitig Angebote, etwa im Rahmen von Aufhebungsverträgen oder Abfindungsangeboten gegen Verzicht auf Klage. Solche Angebote sollten Sie gründlich prüfen und nicht vorschnell unterschreiben. Ein Aufhebungsvertrag kann z.B. Nachteile beim Arbeitslosengeld mit sich bringen (Stichwort Sperrzeit) – hier unbedingt von der Agentur für Arbeit oder einem Anwalt beraten lassen. Überlegen Sie, ob die angebotene Summe angemessen ist. Ein Kriterium: Würde die gerichtliche Maximalabfindung bei unwirksamer Kündigung Ihren finanziellen Verlust decken? (Ein Arbeitsgericht könnte im Extremfall bis zu 12, maximal 15 oder 18 Monatsgehälter zusprechen, abhängig von Ihrem Alter und Betriebszugehörigkeit – das sind Obergrenzen für Abfindungen, die ein Gericht festsetzen darf, wenn eine Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.) Oft sind außergerichtliche Angebote niedriger. Sie haben nichts zu verlieren, wenn Sie nachverhandeln – oder innerhalb der Klagefrist erst einmal Klage einreichen und dann versuchen, im Gütetermin eine bessere Abfindung zu erzielen.

Steuer und Finanzen: Denken Sie daran, dass Abfindungen steuerpflichtig sind, aber in der Steuererklärung ermäßigt besteuert werden können (sog. Fünftelregelung für außerordentliche Einkünfte). Diese Regel bewirkt, dass die Steuerlast so berechnet wird, als würde man die Abfindung auf fünf Jahre verteilt erhalten – dadurch fällt der progressive Steuersatz geringer aus. Gerade bei höheren Abfindungen lohnt es sich, diese steuerliche Vergünstigung beim Finanzamt zu beantragen. Planen Sie finanziell auch die Zeit bis zum nächsten Job ein: Eine Abfindung darf zwar nicht aufs Arbeitslosengeld I angerechnet werden, solange bestimmte Fristen eingehalten werden (d.h. wenn das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigungsfrist endet, wirkt die Abfindung nicht ALG-kürzend). Lassen Sie sich im Zweifel hierzu beraten.

Praxis-Tipps (Abfindung):

  • SozialplanAbfindung ermitteln: Sobald der Sozialplan steht, können Sie anhand der darin festgelegten Formel Ihre voraussichtliche Abfindung berechnen. Fragen Sie den Betriebsrat nach der Abfindungsformel und eventuellen Zuschlägen für bestimmte Gruppen.
  • Angebote vergleichen: Liegt Ihnen ein individuelles Abfindungsangebot (z.B. als Aufhebungsvertrag) vor, vergleichen Sie es mit der erwartbaren SozialplanAbfindung. Weicht es stark nach unten ab, seien Sie skeptisch – evtl. soll hier nur ein günstiger Abschluss für den Arbeitgeber erreicht werden.
  • Nicht unter Druck setzen lassen: Arbeitgeber setzen oft Fristen („Unterschreiben Sie bis zum …, sonst verfällt das Angebot“). Lassen Sie sich davon nicht hetzen. Innerhalb der 3-Wochen-Klagefrist haben Sie Zeit, Ihre Optionen zu prüfen. In vielen Fällen kann ein Anwalt auch nach Fristablauf noch eine Einigung erzielen, sofern Sie rechtzeitig Klage erhoben haben.
  • Verhandlungsspielraum nutzen: Wenn Sie bereit sind zu verhandeln, bringen Sie Argumente ins Spiel: z.B. lange Betriebszugehörigkeit, Ihr Alter (schwieriger Arbeitsmarkt), besondere Härten oder mögliche Fehler des Arbeitgebers (fehlende Anhörung, Auswahlfehler etc.). Oft lässt sich so über dem Sozialplan-Niveau etwas herausholen.
  • Turboprämie bedenken: Manche Sozialpläne enthalten Sprinter- oder Turboklauseln, die einen Bonus gewähren, wenn Mitarbeiter früher als zum Ende der Kündigungsfrist ausscheiden (z.B. weil sie einen neuen Job finden). Informieren Sie sich, ob es so etwas geben wird. Wenn ja, melden Sie dem Arbeitgeber umgehend, falls Sie eine neue Stelle antreten können – eventuell steht Ihnen dann eine zusätzliche Prämie zu. Beachten Sie aber: Diese Turboprämie kann ggf. entfallen, wenn Sie zunächst Kündigungsschutzklage erheben. Hier muss man abwägen, was finanziell vorteilhafter ist.

Versetzungen: Muss ich einen anderen Arbeitsplatz akzeptieren?

CSL hat angekündigt, den Produktionsbereich in Marburg auszubauen und sogar 400 Millionen Euro zu investieren. Es stellt sich daher die Frage, ob betroffene F&E-Mitarbeiter eventuell Angebote zur Weiterbeschäftigung in der Produktion oder an anderen Standorten erhalten. Grundsätzlich gilt: Eine Versetzung kann nicht willkürlich erzwungen werden. Der Arbeitgeber hat zwar ein Direktionsrecht (§ 106 GewO), um Arbeitnehmern andere Aufgaben oder Arbeitsorte zuzuweisen, aber nur im Rahmen des Arbeitsvertrags und der Zumutbarkeit.

Prüfen Sie zunächst Ihren Arbeitsvertrag: Ist dort ein konkreter Arbeitsort genannt (z.B. „Marburg“) oder ist eine Versetzungsklausel enthalten (z.B. „der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer auch an anderen Standorten einsetzen“)? Ohne vertragliche Öffnungsklausel kann der Arbeitgeber den Dienstort nicht einseitig in eine andere Stadt verlegen. Bei CSL dürfte im Vertrag vieler Mitarbeiter Marburg als Arbeitsort stehen – eine Versetzung nach weit entfernten Standorten (z.B. an einen anderen Unternehmenssitz) wäre dann nur mit Ihrer Zustimmung oder über eine Änderungskündigung möglich. Eine Änderungskündigung bedeutet, dass das alte Arbeitsverhältnis gekündigt wird und man gleichzeitig ein Angebot zu geänderten Bedingungen erhält (z.B. neuer Arbeitsort). Diese können Sie annehmen, ablehnen oder „unter Vorbehalt“ annehmen und prüfen lassen.

Zumutbarkeit: Selbst wenn der Vertrag Versetzungen grundsätzlich erlaubt, muss jede Versetzung billigem Ermessen entsprechen. Ein Standortwechsel darf Sie nicht unzumutbar belasten. Persönliche Umstände wie z.B. Betreuungspflichten, Wohneigentum am bisherigen Ort, Gesundheit oder ein arbeitstätiger Ehepartner am Wohnort müssen berücksichtigt werden. Ein drastisches Beispiel: Die Versetzung eines Arbeitnehmers um 500 km an einen anderen Standort wurde von einem Gericht als unwirksam angesehen, weil der Arbeitgeber die Grenzen des billigen Ermessens überschritten hatte. Kurz: Keine generelle „Mitnahmepflicht“Arbeitnehmer müssen einem Standortwechsel nur folgen, wenn vertraglich vereinbart oder eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.

Bei Versetzungsangeboten von CSL sollten Sie also Folgendes tun: Kommt der Arbeitgeber auf Sie zu und bietet z.B. eine Stelle in der Produktion oder an einem anderen Standort (etwa dem Schweizer Standort in Bern, wo ebenfalls Restrukturierungen stattfinden) an, prüfen Sie das Angebot genau. Fragen Sie nach den Konditionen: bleibt Ihr Gehalt gleich? Welche Aufgaben sollen Sie übernehmen? Wird Hilfe bei einem Umzug gestellt? Gibt es eine Probezeit für die neue Stelle? Sie haben das Recht, solche Details zu erfahren, bevor Sie entscheiden. Beziehen Sie den Betriebsrat ein: Jede Versetzung, die länger als ein Monat dauert oder die Tätigkeit wesentlich verändert, unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 99 BetrVG). Der Betriebsrat kann eine Versetzung ggf. ablehnen, wenn sie gegen Regelungen verstößt oder unzumutbar ist. Er kann auch eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber aushandeln, die Versetzungsgrundsätze oder z.B. Telearbeit/Homeoffice-Lösungen bei Standortwechseln regelt.

Ihre Rechte bei Ablehnung: Wenn Sie ein Versetzungsangebot erhalten, das außerhalb Ihres Vertrags liegt (z.B. weit entfernter Ort, völlig andere Tätigkeit) und Sie es ablehnen, darf Ihnen daraus kein Fehlverhalten abgeleitet werden. Der Arbeitgeber müsste dann den betriebsbedingten Weg gehen und Ihnen kündigen (mit den oben genannten Rechten auf Abfindung/Klage). Lehnen Sie jedoch ein zumutbares und vertragskonformes Angebot ab, riskieren Sie im schlimmsten Fall eine (dann eventuell personenbedingte) Kündigung, da Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Nehmen Sie bei Unsicherheit lieber eine Beratung in Anspruch, bevor Sie ein Angebot ausschlagen oder annehmen.

Praxis-Tipps (Versetzung):

  • Vertrag checken: Schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag, ob eine Versetzungsklausel existiert. Wenn ja, in welchem Umfang? (Bundesweit? Innerhalb bestimmter Regionen? Mit Ankündigungsfrist?) – Das bestimmt, wie weit das Weisungsrecht des Arbeitgebers geht.
  • Gespräch suchen: Signalisieren Sie gegebenenfalls Gesprächsbereitschaft, wenn Sie grundsätzlich an einer Weiterbeschäftigung interessiert sind. Oft lassen sich individuelle Lösungen finden (z.B. zunächst temporär pendeln, Unterstützung bei Umzugskosten, Homeoffice-Anteil erhöhen). Zeigen Sie Ihre Wünsche und Bedenken offen auf.
  • Betriebsrat einschalten: Informieren Sie den Betriebsrat über angebotene Versetzungen. Der Betriebsrat kann auf faire Bedingungen drängen und z.B. erreichen, dass eine Versetzung freiwillig bleibt statt erzwungen. In Verhandlungen kann er ggf. Transfers sozial abfedern.
  • Zumutbarkeit prüfen: Seien Sie ehrlich zu sich selbst, ob ein Ortswechsel für Sie machbar ist. Wenn familiäre Gründe strikt dagegensprechen, kommunizieren Sie das klar. Arbeitgeber müssen auf Härtefälle Rücksicht nehmen. Eine Versetzung, die Sie „unverhältnismäßig“ trifft, ist nicht rechtmäßig.
  • Schriftliche Angebote: Lassen Sie sich jedes Versetzungsangebot schriftlich geben (oder per E-Mail), um die genauen Konditionen festzuhalten. Unterschreiben Sie nichts sofort, sondern überlegen Sie in Ruhe oder holen Sie Rat ein.
  • Änderungskündigung unter Vorbehalt: Falls Ihnen eine Änderungskündigung ausgesprochen wird (d.h. Kündigung plus Angebot eines neuen Vertrags zu schlechteren Konditionen oder anderem Ort), können Sie das Angebot unter Vorbehalt annehmen. Das heißt, Sie nehmen die neue Stelle an, klagen aber gleichzeitig gegen die Änderung, um diese vom Gericht auf Zulässigkeit prüfen zu lassen (§ 2 KSchG). So sichern Sie Ihr Einkommen, ohne auf Rechte zu verzichten.

Sozialplan: Auffangnetz durch Betriebsrat und Gewerkschaft

Bei einer Massenentlassung wie der Schließung der F&E-Abteilung in Marburg greift ein wichtiges Instrument: der Sozialplan. Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in der Ausgleichs- und Unterstützungsmaßnahmen für die vom Stellenabbau betroffenen Arbeitnehmer festgelegt sind. Ziel ist es, die wirtschaftlichen Nachteile der Mitarbeiter abzumildern. In Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern muss der Arbeitgeber bei umfangreichem Stellenabbau mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan verhandeln; dieser kann notfalls sogar über eine Einigungsstelle erzwungen werden. Im Fall CSL Marburg ist bereits klar, dass es einen Sozialplan geben wird – die IG BCE als Gewerkschaft hat angekündigt, zeitnah in Verhandlungen für einen sozialverträglichen Abbau einzusteigen.

Inhalte eines Sozialplans: Zentrales Element sind meist die Abfindungsregelungen. Darüber hinaus können Sozialpläne viele weitere Maßnahmen vorsehen, zum Beispiel:

  • Transfergesellschaft: Häufig wird Mitarbeitern der Wechsel in eine Transfergesellschaft angeboten. Das ist eine vom Arbeitgeber (mit)finanzierte Einrichtung, die Mitarbeiter für eine bestimmte Dauer (z.B. 6 bis 12 Monate) weiterbeschäftigt, qualifiziert (Weiterbildung) und bei der Stellensuche unterstützt. In dieser Zeit erhält man ein Transfer-Kurzarbeitergeld (i.d.R. etwas geringer als volles Gehalt, oft ~80% des letzten Nettos, je nach Sozialplan-Aufstockung) und verabschiedet sich dafür erst einmal von der eigentlichen Firma. Wichtig: Der Bezug einer Transfergesellschaft darf nicht auf Ihre Abfindung angerechnet werden oder Sie vor die Wahl „Transfer oder Abfindung“ stellen. Die Gerichte haben klargestellt, dass eine SozialplanAbfindung nicht verfallen darf, nur weil man das Angebot der Transfergesellschaft annimmt. Allenfalls kann die Abfindung etwas geringer ausfallen, wenn man in Transfer geht, da man ja Gehalt weiterbezieht – aber ein vollständiger Ausschluss ist unzulässig. Informieren Sie sich daher genau: Im Sozialplan wird geregelt sein, wie eine mögliche Transfergesellschaft gestaltet ist und wie sich dies auf die Abfindungen auswirkt.
  • Umschulungen/Weiterbildungen: Ein guter Sozialplan enthält Angebote zur Fort- oder Weiterbildung. Dies kann Weiterbildungsprämien, Bildungsgutscheine oder finanzierte Umschulungen umfassen, um den Übergang in neue Jobs zu erleichtern.
  • Stellenvermittlung & Outplacement: Mitunter werden professionelle Outplacement-Berater bereitgestellt oder Jobmessen organisiert, um den Mitarbeitern neue Stellen zu vermitteln.
  • Bevorzugte Einstellung: Sollten im Unternehmen oder Konzern später wieder Stellen entstehen, können Klauseln vorsehen, dass gekündigte Mitarbeiter bevorzugt wieder eingestellt werden (Vorrangreklausel).
  • Härtefallregelungen: Sozialpläne enthalten oft einen Topf für Härtefälle – also zusätzliche Gelder für Mitarbeiter, die durch die Kündigung besonders hart getroffen sind (z.B. Alleinerziehende, Schwerbehinderte, kurz vor der Rente stehende Arbeitnehmer). Ältere, rentennahe Jahrgänge erhalten allerdings nicht immer höhere Abfindungen im Vergleich – das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlaubt es zwar, jüngere Arbeitnehmer gegenüber Älteren etwas schlechter zu stellen (weil Ältere es schwerer am Arbeitsmarkt haben), rentennahe Jahrgänge bekommen aber oft keine Extra-Punkte, da sie bald eine Altersversorgung beziehen können. Stattdessen wird für Ältere manchmal eine Übergangsversorgung bis zur Rente vereinbart (z.B. Finanzierung von Beiträgen bis zum Vorruhestand).
  • Turboprämien: Wie erwähnt, können Prämien vereinbart sein, wenn Mitarbeiter vor Ablauf der Kündigungsfrist von sich aus ausscheiden (mit neuem Job). Dies spart dem Arbeitgeber Gehalt und Sozialversicherungsbeiträge und wird oft mit einem Bonus belohnt. Wenn Sie also schnell etwas Neues finden, informieren Sie sich, ob der Sozialplan hierfür eine Zahlung vorsieht (und denken Sie an die oben genannten Bedingungen bzgl. Klage).

Beteiligung des Betriebsrats: Der Betriebsrat ist Ihre Vertretung in diesen Verhandlungen. Er wird Sie in der Regel über den Stand der Gespräche auf dem Laufenden halten und hat das Recht, Sie über den Inhalt des Sozialplans zu informieren. Tipp: Nutzen Sie Sprechstunden oder Versammlungen des Betriebsrats, um Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wie ist die Abfindungsformel? Gibt es eine Transfergesellschaft? Was muss ich tun, um an Weiterbildungsangeboten teilzunehmen? – Der Betriebsrat kann hier Klarheit schaffen.

Sobald der Sozialplan steht, haben Sie als Arbeitnehmer einen Anspruch auf die dort vereinbarten Leistungen. Der Sozialplan gilt verbindlich für alle betroffenen Mitarbeiter – Sie müssen nichts individuell unterschreiben, um die Abfindung zu erhalten. Sollte der Arbeitgeber später etwas nicht einhalten (z.B. falsche Abfindungshöhe berechnen), können Sie das notfalls gerichtlich durchsetzen.

Interessenausgleich mit Namensliste: Neben dem Sozialplan gibt es oft einen Interessenausgleich – eine Vereinbarung, wie der Stellenabbau umgesetzt wird. Darin kann unter anderem eine Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter stehen (§ 1 Abs.5 KSchG). Falls Ihr Betriebsrat einem solchen Interessenausgleich mit Namensliste zugestimmt hat, hat das rechtliche Folgen: Ihre Kündigung wird dann vom Gericht nur noch eingeschränkt geprüft – man unterstellt, dass die Auswahl nachvollziehbar war. Die soziale Auswahl kann dann z.B. nur auf grobe Fehler geprüft werden. Lassen Sie sich davon aber nicht entmutigen: Auch mit Namensliste kann es Fehler geben (z.B. falsche Sozialdaten, fehlende Anhörung Schwerbehörde etc.), die eine Klage erfolgreich machen können. Zudem prüft das Gericht trotz Namensliste weiterhin, ob etwa formelle Anforderungen (Betriebsratsanhörung, Massenentlassungsanzeige) erfüllt wurden. Es lohnt sich also trotzdem, bei Zweifeln die Kündigung prüfen zu lassen.

Praxis-Tipps (Sozialplan):

  • Informieren Sie sich früh: Fragen Sie beim Betriebsrat nach, ob bereits Verhandlungen laufen und wann mit Ergebnissen zu rechnen ist. Je mehr Sie wissen, desto besser können Sie planen (z.B. ob Sie mit einer Abfindung bis Datum X rechnen können, ob Sie in eine Transfergesellschaft wechseln sollen etc.).
  • Unterstützung durch IG BCE: In Marburg ist die Gewerkschaft IG BCE stark engagiert. Wenn Sie Mitglied sind, nutzen Sie deren Angebote – die IG BCE hat volle Unterstützung zugesichert und will betriebsbedingte Kündigungen entgegenwirken. Das kann bedeuten, dass versucht wird, möglichst viele Kollegen in andere Bereiche zu versetzen oder mit Aufhebungsverträgen (freiwillig) in die Transfergesellschaft zu führen, um Kündigungen zu vermeiden.
  • Leistungen einfordern: Stellen Sie sicher, dass Sie alle Ihnen zustehenden Sozialplan-Leistungen auch tatsächlich erhalten. Beispielsweise: Melden Sie fristgerecht Interesse an der Transfergesellschaft oder an Weiterbildungsangeboten an, falls der Sozialplan dafür Fristen vorsieht. Der Betriebsrat oder Personalabteilung wird Sie hierzu informieren.
  • Härtefall prüfen: Fühlen Sie sich als besonderer Härtefall (z.B. finanzielle Extremsituation, schwere Behinderung, kurz vor Renteneintritt), dann sprechen Sie mit dem Betriebsrat, ob ein Härtefonds existiert. Oft muss man einen Antrag stellen, damit der Sozialplan-Härtefallausschuss zusätzliche Leistungen bewilligt.
  • Kündigungsschutzklage trotz Sozialplan? Wie oben erwähnt: Auch wenn Sie laut Sozialplan eine Abfindung bekommen, können Sie zusätzlich eine Kündigungsschutzklage erwägen, wenn Sie die Kündigung anfechten wollen. Der Sozialplan selbst steht dem nicht entgegen. Allerdings sollten Sie – idealerweise mit juristischer Beratung – abschätzen, ob die möglichen Vorteile (höhere Abfindung oder vielleicht Weiterbeschäftigung) die Risiken wert sind. Beispielsweise kann die Teilnahme an einer Transfergesellschaft unkomplizierter sein, wenn man nicht gleichzeitig klagt (siehe oben). Hier kommt es auf Ihren individuellen Fall an.

Kühlen Kopf bewahren und Hilfe nutzen

Die unerwartete Schließung der F&E-Abteilung bei CSL in Marburg ist ein schwerer Schlag für die Beschäftigten und die Region. Dennoch stehen Sie als Arbeitnehmer nicht schutzlos da. Das Arbeitsrecht bietet Ihnen wichtige Hebel, von der Kündigungsschutzklage über Abfindungsverhandlungen bis hin zur Teilnahme an Transfer- und Sozialplan-Maßnahmen. Nutzen Sie diese Rechte aktiv: Melden Sie Ansprüche an, halten Sie Fristen ein und informieren Sie sich laufend. Die öffentliche und politische Unterstützung ist spürbar – von der Stadt Marburg bis zur Landespolitik gibt es Rückhalt für die Beschäftigten. Dieser Druck erhöht die Chance, dass CSL zu großzügigen Ausgleichsmaßnahmen bereit ist.

Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG BCE sind erste Anlaufstellen vor Ort. Für die individuelle Beratung – etwa ob ein Aufhebungsvertrag sinnvoll ist oder wie man gegen eine Kündigung vorgeht – kann es ratsam sein, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. Jeder Fall hat Besonderheiten (Alter, Vertrag, familiäre Situation, Gesundheit), die eine maßgeschneiderte Strategie erfordern.

Am Ende gilt: Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Informieren Sie sich, holen Sie Unterstützung und treffen Sie dann gut beraten Ihre Entscheidungen. So stellen Sie sicher, dass Sie das Beste aus der Situation herausholen und Ihre Rechte optimal wahrnehmen. Viel Kraft und Erfolg dabei – Sie stehen in dieser schwierigen Phase nicht allein.