Kampf ums Recht: Äußerungsrecht eines Rechtsanwalts im Zivilverfahren

Die Staatsanwaltschaft Köln hat mit Einstellungsbescheid vom 28.02.2020 zum Aktenzeichen 74 Js 385/19 ein Ermittlungsverfahren gegen einen Rechtsanwalt eingestellt.

Der Rechtsanwalt hatte zuvor in einem Zivilverfahren für seinen Mandanten, der infolge einer schweren Körperverletzung bei einem Fussballtraining schwer verletzt wurde, bei den Prozessbeteiligten ein „verqueres, asoziales und wahrnehmungsgestörtes (Prozess-)Verhalten“ gerügt, die damit den Täter der Körperverletzung zum Opfer seiner eigenen Tat formulierten.

Die gegnerischen so agierenden Rechtsanwälte, die von der Haftpflichtversicherung beauftragt waren, erstatteten sodann Strafanzeige gegen den Rechtsanwaltskollegen und erhofften sich so offenbar einen positiven Ausgang auf das Zivilverfahren.

Auf eine Einlassung durch den Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC stellte die Staatsanwaltschaft Köln das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Die Staatsanwaltschaft Köln stellt fest, dass die Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Beleidigung ein rechtswidriger Angriff auf die Ehre eines anderen ist, der in der Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung einer bestimmten Person steht. Dabei ist der Äußerungsinhalt unter Berücksichtigung aller Begleitumstände zu ermitteln; maßgebend ist, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht. Keine Beleidigung sind allgemeine Unhöflichkeiten, Distanzlosigkeiten oder Persönlichkeitsverletzungen ohne abwertenden Charakter.

Soweit ein Rechtsanwalt in seiner beruflichen Funktion im Auftrag und als Interessenvertreter seines Mandanten tätig ist, kommt ihm die Äußerungsfreiheit zu, die seine Stellung erfordert. Zwar darf er nicht leichtfertig für seinen Mandanten ehrkränkende Schlussfolgerungen tatsächlicher Art oder unangemessen ehrverletzende Wertungen vortragen oder ohne tatsächliche Anhaltspunkte die Gegenpartei oder Zeugen verdächtigen, Straftaten begangen zu haben. Jedoch kann polemische, unnötig scharfe, selbst übertriebene Bewertung, soweit sie nicht völlig sachwidrig ist auf Tatsachen gestützt werden, im Sinne von § 193 StGB berechtigt sein. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 14.07.1987 (1 BvR 537/81) dargelegt, dass die Wahrnehmung seiner Aufgaben es dem Anwalt erlaubt, nicht immer so schonend mit den Verfahrensbeteiligten umzugehen, dass diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen.  Nach allgemeiner Auffassung darf er im „Kampf ums Recht“ auch starke, eindrückliche Ausdrücke und sinnfähige Schlagworte benutzen, ferner Urteilsschelte üben oder „ad personam“ argumentieren. Nicht entscheidend kann dabei sein, ob ein Anwalt seine Kritik anders hätte formulieren können, denn grundsätzlich unterliegt auch die Form der Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG gestützten Selbstbestimmung.

Diese Grundsätze hier angewandt bedeuten, dass die beanstandeten Äußerungen des Rechtsanwalt dem entspricht, was ein Anwalt, der die Interessen seiner Mandantschaft mit allem Nachdruck zu vertreten hat, in der gegebenen Situation zum Ausdruck bringen darf, ohne sich strafbar zu machen.

Den Ausführungen des Rechtsanwalts ist zu entnehmen, dass er und seine Mandanten davon ausgehen, dass der Kläger des Zivilverfahrens absichtlich durch den Beklagten verletzt worden ist. Dies wird unter Darlegung von Beispielen darauf gestützt, dass der Beklagte verhaltensauffällig und für sein unsportliches Verhalten bekannt sei sowie bereits in der Vergangenheit aggressiv drittgefährdend und drittschädigend agiert habe. Dabei ist den Ausführungen auch zu entnehmen, dass der Rechtsanwalt und seine Mandanten insbesondere verärgert darüber sind, dass aus ihrer Sicht in unverständlicher Weise das Verhalten des Beklagten sowie die Verletzung des Klägers verharmlost werden, die Verursachung der Verletzung durch den Beklagten bestritten wird und Zeugenaussagen falsch gewertet werden. Der Rechtsanwalt sah sich daher augenscheinlich dazu veranlasst, dem in vehementer Form entgegenzutreten. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass es nicht darum ging, dem anzeigenden Rechtsanwalt gegenüber seine Missachtung oder Nichtachtung zum Ausdruck zu bringen, sondern nur dem eigenen Standpunkt auch für seine Mandanten wortgewaltig zum Ausdruck zu verleihen.