Kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit von Arbeitnehmern einfach kürzen?

18. September 2025 -

Viele Arbeitnehmer fragen sich, ob ihr Chef ohne Weiteres die Arbeitszeit reduzieren darf – schließlich geht mit weniger Arbeitsstunden meist auch ein geringeres Gehalt einher. Für die meisten Beschäftigten ist das keine Option, da sie finanziell auf das volle Einkommen angewiesen sind. Arbeitgeber hingegen stehen in wirtschaftlichen Krisen oder bei Auftragsflauten vor der Herausforderung, Personalkosten zu senken, ohne direkt Kündigungen aussprechen zu müssen. In diesem Rechtstipp erklären wir, unter welchen Voraussetzungen eine Arbeitszeitverkürzung durch den Arbeitgeber rechtlich zulässig sein kann und was Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber dabei in der Praxis beachten sollten.

Arbeitsvertrag: Die regelmäßige Wochenarbeitszeit ist im Arbeitsvertrag festgehalten und kann vom Arbeitgeber nicht einseitig geändert werden.

Keine einseitige Kürzung der Arbeitszeit ohne Zustimmung

Grundsatz: Die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit gehört zum Kern des Arbeitsverhältnisses und kann vom Arbeitgeber nicht einseitig nach Belieben reduziert werden. Änderungen der Arbeitsdauer (und damit meist auch des Gehalts) bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Arbeitnehmers, da sie einen erheblichen Eingriff in die gegenseitigen Hauptleistungspflichten darstellen. Versucht der Arbeitgeber trotzdem ohne Einverständnis die Stunden zu kürzen, ist dies unwirksam – der Arbeitnehmer hat rechtlich Anspruch auf die ursprünglich vereinbarte Vergütung und muss die Kürzung nicht hinnehmen.

Dieser Grundsatz beruht auf dem sogenannten Direktionsrecht des Arbeitgebers und dessen Grenzen. Zwar darf der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts die Lage der Arbeitszeit (also z. B. Verteilung der Stunden auf Wochentage) bestimmen, nicht jedoch die Dauer der vereinbarten Wochenarbeitszeit einseitig herabsetzen. Fehlt es an genügend Arbeit, trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko – er kann Mitarbeiter mangels Aufträgen zwar nach Hause schicken, darf aber nicht einfach den Lohn kürzen, da er sich sonst im Annahmeverzug befindet. Minusstunden (d. h. weniger gearbeitete Stunden als vertraglich vorgesehen) gehen also grundsätzlich nicht zulasten des Arbeitnehmers, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Eine pauschale Anordnung von Minusstunden oder Kurzarbeit ohne vertragliche Grundlage ist unzulässig. In der Praxis bedeutet das: Ohne Zustimmung oder spezielle Regelung muss der Arbeitgeber auch bei weniger Arbeit den vollen Lohn zahlen – einseitige Arbeitszeitkürzungen sind rechtlich nicht durchsetzbar.

Arbeitsvertragliche Klauseln und Grenzen der Flexibilität

Manche Arbeitsverträge enthalten Flexibilisierungsklauseln, die dem Arbeitgeber erlauben sollen, die Arbeitszeit je nach Auftragslage anzupassen. Solche Klauseln sind jedoch nur innerhalb enger Grenzen wirksam. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erlaubt in vorformulierten Verträgen eine abweichende Arbeitszeitregelung maximal in der Größenordnung von etwa +25 % (Mehrarbeit) bzw. –20 % (Wenigerarbeit) der vereinbarten Stunden. Beispiel: Ist eine 40-Stunden-Woche vereinbart, könnte eine wirksame Klausel höchstens eine Reduzierung auf 32 Stunden vorsehen – nicht weniger. Größere Abweichungen (etwa eine Halbierung der Arbeitszeit) wurden von Gerichten als unzulässig verworfen.

Entscheidend ist zudem, dass eine solche Klausel den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Fehlen klare Voraussetzungen (wie z. B. betriebliche Gründe oder Ankündigungsfristen) für die Kürzung, wird die Vereinbarung oft als unwirksam erachtet. Außerdem darf die Regelung nicht willkürlich nur einzelne Mitarbeiter treffen – eine Kürzung müsste fair und gleichmäßig erfolgen. In der Praxis bedeutet das: Soll die Arbeitszeit per Vertrag flexibel gesenkt werden können, muss die Klausel für alle vergleichbaren Mitarbeiter gelten und darf nicht mehr als ~20 % Reduzierung erlauben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die solche Flexibilitätsklauseln vereinbaren, sollten diese sorgfältig formulieren. Es empfiehlt sich, Höchstgrenzen und sachliche Gründe (z. B. Auftragsmangel) ausdrücklich festzulegen, um der Klausel Bestand zu geben.

Ohne eine gültige Vertragsklausel bleibt es bei der festen Stundenzahl. Versucht der Arbeitgeber dennoch, auf Basis einer unwirksamen oder nicht vorhandenen Regelung Stunden zu kürzen, können Arbeitnehmer dagegen rechtlich vorgehen. Oft zeigt bereits der Hinweis auf die Rechtslage Wirkung: Dem Arbeitgeber muss klar sein, dass er einseitig weder Arbeitszeit noch Gehalt reduzieren darf. Kommt es zum Streit, sollten beide Seiten frühzeitig juristischen Rat einholen.

Kurzarbeit: Vorübergehende Arbeitszeitreduzierung in Krisenzeiten

Eine besondere Ausnahmesituation stellt die Kurzarbeit dar. In schweren Krisen (wie einer wirtschaftlichen Rezession oder einer Pandemie) kann es vorkommen, dass vorübergehend nicht genug Arbeit für alle Mitarbeiter vorhanden ist. Kurzarbeit ermöglicht es Unternehmen, die Arbeitszeit befristet zu reduzieren, wobei die Agentur für Arbeit einen Teil des Lohnausfalls durch Kurzarbeitergeld ausgleicht. Wichtig: Auch Kurzarbeit kann nicht einseitig angeordnet werden. Es gelten strenge Voraussetzungen: Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen eines unabwendbaren Ereignisses vorliegen. Außerdem braucht der Arbeitgeber eine rechtliche Grundlage, um Kurzarbeit einzuführen. Diese Grundlage kann eine tarifvertragliche Regelung oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat sein.

Existiert kein Betriebsrat und keine tarifliche Öffnung, müssen alle betroffenen Mitarbeiter der Kurzarbeit zustimmen, meist in Form einer schriftlichen Vereinbarung. Praktisch bedeutet das: Der Arbeitgeber muss jeden einzelnen Arbeitnehmer fragen, ob er mit der vorübergehenden Stundenreduzierung einverstanden ist. Ohne Zustimmung dürfte er die Arbeitszeit nicht kürzen, selbst wenn ein Notfall besteht. Lehnt ein Mitarbeiter die Kurzarbeit ab, kann der Arbeitgeber sie nur durch alternative Maßnahmen erreichen (z. B. mittels Änderungskündigung, siehe unten, oder im schlimmsten Fall betriebsbedingter Kündigung).

Für Arbeitgeber ist es ratsam, frühzeitig den Betriebsrat einzubeziehen und die Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen. Häufig sind in der Praxis alle Beteiligten an einer Lösung interessiert, um Entlassungen zu vermeiden. Arbeitnehmer sollten wissen, dass Kurzarbeit in der Regel mit einem Entgeltausfall verbunden ist, der aber zumindest teilweise durch staatliches Kurzarbeitergeld kompensiert wird. Wichtig ist, dass Kurzarbeit immer befristet angelegt ist – sie kann nicht dauerhaft ohne Vertragsänderung fortgeführt werden. Nach Ende der Kurzarbeitsphase kehren automatisch die ursprünglichen Arbeitszeiten und Gehälter zurück.

Änderungskündigung: Arbeitszeitänderung durch Kündigung mit neuem Angebot

Will der Arbeitgeber die Arbeitszeit dauerhaft reduzieren, obwohl keine vertragliche Klausel und kein Einverständnis vorliegen, bleibt ihm als letztes Mittel oft nur die Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung ist eine spezielle Form der Kündigung, bei der dem Arbeitnehmer gleichzeitig ein neuer Arbeitsvertrag zu geänderten Bedingungen angeboten wird. In diesem Fall würde der Arbeitgeber also das bestehende Arbeitsverhältnis kündigen und gleichzeitig anbieten, es mit reduzierter Stundenzahl (und entsprechend geringerem Gehalt) fortzusetzen.

Eine solche Maßnahme unterliegt jedoch strengen Anforderungen. Der Arbeitgeber braucht einen dringenden betrieblichen Grund für die Änderung – etwa dass der Arbeitsplatz in Vollzeit sonst wegfallen würde und nur durch Teilzeit weiterbestehen kann. Änderungskündigungen sind oft nur dann gerechtfertigt, wenn sie dazu dienen, Entlassungen oder eine Betriebsschließung zu verhindern (Stichwort ultima ratio). Zudem muss der Arbeitgeber bei jeder Kündigung die Beteiligungsrechte des Betriebsrats wahren und sozial gerecht vorgehen. In vielen Fällen ist ein Sanierungs- oder Umstrukturierungsplan erforderlich, der die Kürzung als notwendige Maßnahme vorsieht.

Für Arbeitnehmer bedeutet eine Änderungskündigung eine schwierige Wahl: Annehmen oder ablehnen? Wird das Änderungsangebot angenommen, läuft das Arbeitsverhältnis zu den neuen Konditionen weiter – allerdings sollte man gegebenenfalls unter Vorbehalt zustimmen, um die Änderung gerichtlich überprüfen zu lassen. Lehnt der Arbeitnehmer ab, gilt die Beendigungskündigung – er verliert also den Job, kann aber innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Dann muss das Arbeitsgericht prüfen, ob die Stundenreduzierung sozial gerechtfertigt war. Im Erfolgsfall erhält der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz (in Vollzeit) zurück; im Unterliegensfall endet das Arbeitsverhältnis. Wichtig: Eine Änderungskündigung ist immer eine Kündigung im rechtlichen Sinn – entsprechend sollten Arbeitnehmer sofort rechtlichen Rat suchen und die Klagefrist beachten. Arbeitgeber sollten dieses Instrument nur mit arbeitsrechtlicher Beratung einsetzen, da Fehler (unzureichende Begründung, falsche Sozialauswahl etc.) die Kündigung unwirksam machen können.

Praxistipps für Arbeitnehmer

  • Arbeitsvertrag prüfen: Schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag, ob dort eine Klausel zur Arbeitszeitflexibilisierung Ist keine solche Regelung vereinbart, darf der Arbeitgeber Ihre vertragliche Stundenzahl nicht ohne Weiteres reduzieren. Weist er Sie dennoch an, weniger zu arbeiten, sollten Sie schriftlich klarmachen, dass Sie zur vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bereitstehen. So geraten Sie nicht in Verzug, und der Arbeitgeber bleibt zur vollen Lohnzahlung verpflichtet (Betriebsrisiko).
  • Keine übereilte Zustimmung: Unterschreiben Sie nicht vorschnell Änderungen oder Ergänzungen zum Vertrag, die eine Arbeitszeitverkürzung bedeuten. Eine mündliche oder schriftliche Zustimmung bindet Sie unter Umständen an die Reduzierung. Verlangen Sie Bedenkzeit, um die Konsequenzen abzuwägen. Denken Sie daran, dass weniger Stunden auch geringere Rentenansprüche, Urlaubsansprüche und ggf. niedrigere Arbeitslosenansprüche bedeuten können.
  • Gehaltseinbußen checken: Klären Sie, wie sich eine eventuelle Stundenkürzung auf Ihr Nettoeinkommen Können Sie sich das leisten? In manchen Fällen kommt Kurzarbeitergeld (bei Kurzarbeit) oder Aufstockungen durch den Arbeitgeber in Betracht. Prüfen Sie auch, ob staatliche Hilfen greifen, wenn Ihr Einkommen sinkt.
  • Änderungskündigung richtig behandeln: Erhalten Sie eine Änderungskündigung, reagieren Sie umgehend. Sie haben nur drei Wochen Zeit, um Kündigungsschutzklage einzureichen, falls Sie die Änderung nicht akzeptieren wollen. Nehmen Sie das Angebot unter Vorbehalt an, wenn Sie den Job sichern und trotzdem die Änderungen gerichtlich überprüfen lassen möchten. Lassen Sie sich unbedingt von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten, wie Sie in Ihrem konkreten Fall vorgehen sollten.
  • Rechtlichen Rat einholen: Sobald Ihr Arbeitgeber eine Arbeitszeitreduzierung in Aussicht stellt oder sogar einseitig vornimmt, sollten Sie sich beraten lassen. Oft ist schon ein anwaltliches Schreiben ausreichend, um dem Arbeitgeber die Rechtslage vor Augen zu führen. Arbeitsrechts-Experten kennen die aktuellen Urteile und können Ihre Chancen einschätzen. Nehmen Sie Unterstützung in Anspruch, bevor Sie finanzielle Nachteile hinnehmen – eine einseitige Kürzung müssen Sie nicht akzeptieren.

Praxistipps für Arbeitgeber

  • Kommunikation und Transparenz: Wenn die Auftragslage sinkt und Sie über Arbeitszeitkürzungen nachdenken, informieren Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig. Erklären Sie die Gründe (z. B. Umsatzrückgang, Produktionseinbruch) offen und betonen Sie, dass es um die Sicherung von Arbeitsplätzen Eine transparente Kommunikation erhöht die Bereitschaft der Belegschaft, einer Lösung (z. B. Kurzarbeit oder freiwilligen Teilzeitvereinbarungen) zuzustimmen.
  • Vertragliche Grundlagen nutzen oder schaffen: Prüfen Sie, ob Arbeitsverträge oder Tarifverträge bereits Öffnungsklauseln für Arbeitszeitänderungen enthalten. Falls nicht, können Sie versuchen, mit den Arbeitnehmern individuelle Vereinbarungen zu treffen. Ohne Einverständnis der Mitarbeiter (und ggf. des Betriebsrats) sind Stundenkürzungen selbst aus betrieblichen Gründen nicht zulässig. Erwägen Sie daher Anreize: Beispielsweise könnten Sie anbieten, den Lohnausfall teilweise auszugleichen oder später nachzuarbeiten, um freiwillige Zustimmung zu erhalten.
  • Kurzarbeit richtig einführen: In Krisenzeiten ist Kurzarbeit oft das Mittel der Wahl, um zeitweise Arbeitszeit (und Lohnkosten) zu senken. Stellen Sie sicher, dass alle Formalitäten erfüllt sind: Zustimmung des Betriebsrats per Betriebsvereinbarung oder individuelle Einverständniserklärungen aller Betroffenen einholen. Melden Sie die Kurzarbeit rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit an und informieren Sie die Mitarbeiter schriftlich über Beginn, Dauer und Umfang der Kurzarbeit. Achten Sie auf die Einhaltung der gesetzlichen Ankündigungsfristen (sofern im Tarif- oder Arbeitsvertrag vorgesehen).
  • Keine Diskriminierung oder Willkür: Wenn Sie Arbeitszeiten reduzieren müssen, gehen Sie gleichbehandlungs- und sozialverträglich Reduzieren Sie nicht willkürlich nur bei einzelnen Mitarbeitern die Stunden, sondern legen Sie nachvollziehbare Kriterien fest (etwa alle in einer Abteilung oder alle mit bestimmter Qualifikation). Eine Kürzung sollte – wenn möglich – prozentual gleich auf mehrere Schultern verteilt werden. So minimieren Sie rechtliche Risiken und erhalten das Betriebsklima.
  • Änderungskündigungen nur als Ultima Ratio: Sehen Sie die Änderungskündigung wirklich als letzten Ausweg Bevor Sie zu diesem scharfen Schwert greifen, prüfen Sie mildere Mittel: Können Mitarbeiter etwa durch freiwillige Teilzeit, Abbau von Zeitguthaben oder vorgezogene Kurzarbeit gehalten werden? Eine Änderungskündigung ist nur zulässig, wenn ein echter dringender Bedarf besteht und andere Lösungen ausscheiden. Holen Sie unbedingt arbeitsrechtlichen Rat ein, um die Sozialauswahl korrekt durchzuführen und formale Fehler zu vermeiden. Bedenken Sie: Jede unwirksame Kündigung kostet Zeit, Geld und verursacht Unruhe im Betrieb.

Eine einseitige Verkürzung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber ist rechtlich nur in Ausnahmefällen durchsetzbar. Im Normalfall braucht es die Zustimmung der Arbeitnehmer oder besondere Verfahren wie Kurzarbeit oder Änderungskündigungen, um die Arbeitszeit zu reduzieren. Arbeitgeber sollten frühzeitig das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen und rechtliche Vorgaben strikt einhalten. Arbeitnehmer sollten bei unerwünschter Arbeitszeitkürzung ihre Rechte kennen und notfalls anwaltlichen Rat einholen, statt vorschnell Einbußen hinzunehmen. So lassen sich Lösungen finden, die für beide Seiten tragbar sind, ohne gegen geltendes Arbeitsrecht zu verstoßen.