Kein Bußgeld mit TraffiStar S 350

09. Juli 2019 -

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat mit Urteil vom 05.07.2019 zum Aktenzeichen Lv 7/17 entschieden, dass eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Gerät des Typs TraffiStar S 350 unverwertbar ist, weil die Geräte nicht alle Messdaten speichern und daher eine zuverlässige nachträgliche Überprüfung nicht mehr möglich ist.

Aus der Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vom 09.07.2019 ergibt sich:

Der betroffene Kraftfahrer war wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h innerorts – in Friedrichsthal/Saarland – zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt worden. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch ein Gerät der Firma Jenoptik (Typ TraffiStar S 350). Bei dem Gerät handelt es sich um ein durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassenes Messgerät. Ob die Messungen mit dem Gerät TraffiStar S 350 verwertbar sind, ist in der bußgeldrechtlichen Rechtsprechung höchst umstritten. Im Bußgeldverfahren hatte der Kraftfahrer beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der von ihm erhobenen Behauptung, dass bei dem Messgerät des Typs TraffiStar S 350 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung sachverständig überprüfen zu lassen, da das Gerät nicht alle Messdaten speichere.

Die im Bußgeldverfahren befassten Gerichte – AG Saarbrücken und OLG Saarbrücken – waren dem nicht nachgekommen und bei ihren Entscheidungen davon ausgegangen, dass trotz der fehlenden Speicherung aller Messdaten der Geschwindigkeitsverstoß festgestellt werden kann und die Daten zur Grundlage der Verurteilung gemacht werden können, da bei einem von der PTB zugelassenen Messgerät die Gerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen könnten (sog. standardisiertes Messverfahren).

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der betroffene Kraftfahrer u.a. eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren, da ihm durch die fehlende Speicherung aller Messdaten die Möglichkeit genommen werde, Messfehler aufzuzeigen.

Der Verfassungsgerichtshof hat zu der Frage, welche Daten des Messvorganges erforderlich sind, um eine valide nachträgliche Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen zu ermöglichen, drei Sachverständige angehört, nämlich Prof. Dr. Andreas Schütze (Universität des Saarlandes), Dr. Dirk Ratschko (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) und Dr. Johannes Priester (forensisch tätiger Verkehrssachverständiger). Sachverständig beraten ist der VerfGH Saarbrücken zur Auffassung gelangt, dass die derzeit von dem Gerät TraffiStar S 350 gespeicherten Daten keine zuverlässige nachträgliche Kontrolle des Messergebnisses erlauben, eine solche aber bei einer – ohne größeren Aufwand technisch möglichen – Speicherung der sog. Rohmessdaten möglich wäre.

Der VerfGH Saarbrücken hat der Verfassungsbeschwerde des Kraftfahrers stattgegeben.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verletzen die angegriffenen Entscheidungen die Grundrechte des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung. Es werde nicht bezweifelt, dass die Geschwindigkeitsmessung durch das Gerät TraffiStar S 350 ein standardisiertes Messverfahren darstelle. Die mit TraffiStar S 350 gewonnenen Messergebnisse könnten daher durchaus zur Grundlage einer Verurteilung gemacht werden. Wenn sich ein Betroffener jedoch – wie vorliegend – gegen das Messergebnis wende, müsse er die Möglichkeit haben, die Validität der standardisierten Messung zu überprüfen. Das sei auch dann der Fall, wenn er zunächst keinen auf der Hand liegenden Einwand – etwa sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen könne. Denn zu einer wirksamen Verteidigung gehöre auch, nachforschen zu können, ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit des Vorwurfes gebe. Dies sei dem Beschwerdeführer aber mangels Speicherung der Rohmessdaten verwehrt.

Da die Ergebnisse des Messverfahrens mit dem Gerät TraffiStar S 350 wegen der verfassungswidrigen Beschränkung des Rechts auf wirksame Verteidigung unverwertbar sind, hat der Verfassungsgerichtshof die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben.

Der VerfGH Saarbrücken hat darauf hingewiesen, dass die Entscheidung nur die saarländischen Gerichte im konkreten Fall bindet, er aber in gleich gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen saarländischer Gerichte korrigieren wird.