Kein vorläufiger Stopp der Genehmigung zur Aufbewahrung sog. Castor-Behälter im Standort-Zwischenlager Biblis

21. Oktober 2020 -

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat mit Beschluss vom 21.10.2020 zum Aktenzeichen 6 B 2381/20.T entschieden, dass die Genehmigung zur Aufbewahrung weiterer Castor-Behälter in Biblis nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.

Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 38/2020 vom 21.10.2020 ergibt sich:

Der Antragsteller – ein anerkannter Umweltverein – wandte sich gegen die sofortige Vollziehung einer atomrechtlichen Änderungsgenehmigung. Die Bundesrepublik Deutschland erteilte am 22.09.2003 eine Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager (SZL) Biblis, die in der Folgezeit mehrfach geändert worden ist. Im SZL Biblis werden die bestrahlten Brennelemente aus dem Betrieb des mittlerweile stillgelegten Kernkraftwerks Biblis (KWB) nach dem Prinzip der trockenen Zwischenlagerung in metallischen, dicht verschlossenen Behältern aufbewahrt. Die Grundgenehmigung vom 22.09.2003 erlaubt eine Aufbewahrung von maximal 40 Jahren ab dem Zeitpunkt der Beladung in Transport- und Lager-Behältern der Bauart CASTOR®V/19 (5,94 m hoch, 2,44 m Außendurchmesser, ca. 108 t Leergewicht) mit bis zu 1.400 mg Schwermetall, einer Gesamtaktivität von bis zu 8,5 • 10 hoch 19 Bq und einer Gesamtwärmeleistung von bis zu 5,3 MW. Durch die folgenden acht Änderungsgenehmigungen wurden u.a. die zugelassenen Aufbewahr- und Lagerbehältnisse sowie das zugelassene Inventar ausgeweitet. Mittlerweile ist im SZL Biblis die Aufbewahrung von Uran-Brennelementen, Uran-Hochabbrandbrennelementen, Mischoxid-Brennelementen der Typen 16×16-20 und 16×16-20-4 sowie von Uran-Brennelementen mit integriertem Steuerelement in Transport- und Lagerbehältern der Bauart CASTOR®V/19 gestattet. Außerdem können bei der gemischten Lagerung in Halle 2 konditionierte radioaktive Abfälle in Form von z.B. Filterkerzen, Corebauteilen und Verdampferkonzentraten in maximal 252 MOSAIK-II- Behältern gelagert werden. Die Aufbewahrung und Lagerung von Kernbrennstoffen in Form von verfestigten hochradioaktiven Abfällen (HAW-Glaskokillen) war bis dato nicht gestattet. Auch eine andere Aufbewahrung und Lagerung von bestrahlten Brennelementen als in CASTOR®V/19-Behältern war nicht gestattet. Am 19.12.2019 erließ die Bundesrepublik die „9. Änderungsgenehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager in Biblis der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH“, mit der der Beigeladenen – einer bundeseigenen Gesellschaft – die Aufbewahrung von verfestigten Kernbrennstoffen in Form von je 28 HAW-Glaskokillen aus der Wiederaufbereitung bestrahlter Brennelemente aus deutschen Kraftwerken bei der Sellafield Limited (GB) in Seascale in bis zu 7 Transport- und Lagerbehältern der Bauart CASTOR®HAW28M (6,12 m hoch, 2,84 m Außendurchmesser, ca. 100 t Leergewicht) im Lagerbereich 1 des SZL Biblis auf den Stellplätzen Nr. 57 bis Nr. 63 gestattet wurde. Bei den Sella-field-Glaskokillen handelt es sich um hochaktive Borsilikatglaskokillen mit einem Konzentrat aus Aktiniden- und Spaltproduktrestmengen aus der Zerkleinerung und Auflösung der LWR-Brennelemente.

Der VGH Kassel hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Eilantrag unbegründet. Das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der 9. Änderungsgenehmigung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache. Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage leide die 9. Änderungsgenehmigung an keinem durchgreifenden formellen Fehler, der den Antragsteller in sog. drittschützenden Rechtspositionen verletze.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die 9. Änderungsgenehmigung insbesondere nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt nicht bzw. mit nur unzureichender Prüfungsdichte durchgeführt worden oder eine zwingend notwendige Öffentlichkeitsbeteiligung unterblieben sei.

Die Bundesrepublik sei zutreffend davon ausgegangen, dass die mit der 9. Änderungsgenehmigung genehmigten Transporte und Lagerungen keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren, sondern dass lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls durchzuführen war. Die 9. Änderungsgenehmigung betreffe kein Neuvorhaben i.S.d. Umweltverträglichkeitsrechts.

Die Frage, ob die 9. Änderungsgenehmigung in materieller Hinsicht rechtmäßig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren nicht beantwortet, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Zudem seien deutlich überwiegende Interessen des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof teile dabei die Einschätzung der Bundesrepublik, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einer zeitnahen Abnahme der wiederaufbereiteten Kernbrennstoffe bestehe.

Dieser Beschluss ist rechtskräftig.