Keine Durchführung der Präimplantationsdiagnostik als Sachleistung

08. August 2020 -

Das Sozialgericht Stuttgart hat am 03.04.2020 zum Aktenzeichen S 28 KR 1051/19 entschieden, dass ein Anspruch auf die Sachleistung der Präimplantationsdiagnostik auch nicht unter dem Gesichtspunkt der nunmehr durch § 2 Abs. 1 a SGB V umgesetzten sogenannten „Nikolaus-Rechtsprechung“ besteht.

Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:

Die Kläger sind beide homozygote Träger der detektierten ASS1-Veränderung. Bedingt durch diese genetische Disposition besteht ein Risiko für Nachkommen der Kläger, an einer Stoffwechselerkrankung des Harnstoffzyklus mit schwerem Krankheitsbild und hoher Mortalität zu erkranken. Da beide Eltern Träger der ASS1-Veränderung sind, erkranken Nachkommen der Kläger mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% an dieser Krankheit. Die Kläger beantragten bei der Beklagten die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) als Sachleistung. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Hiergegen richtete sich die zum SG Stuttgart erhobene Klage, im Rahmen welcher sich die Kläger unter anderem auf die sog. „Nikolaus-Rechtsprechung“ stützten.

Das SG Stuttgart hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ergibt sich ein Anspruch auf die gewünschte Leistung nicht aus § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB V. Die Kläger seien zwar Träger der Krankheit Citrullinämie Typ I, jedoch sei die PID keine auf die Besserung oder Behebung dieses Zustandes gerichtete Behandlung. Die PID ziele als Maßnahme nicht auf die Heilung oder Linderung dieses Leidens ab, sondern solle vielmehr dazu dienen, den Ausbruch einer zukünftigen Krankheit bei einem zukünftigen Nachkommen der Kläger zu verhindern. Einem Anspruch aus § 27a SGB V, welcher den Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung regele, stehe entgegen, dass die PID keine solche Maßnahme sei. Zweck der PID sei gerade nicht die Überwindung von Unfruchtbarkeit und die Herbeiführung einer Schwangerschaft. Etwas Anderes ergebe sich schließlich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Die Norm könne hier schon deshalb keine Anwendung finden, weil keine Krankheit der Kläger behandelt werden solle. Insofern könne auch nicht auf die hypothetische Erkrankung des potenziellen Nachkommen abgestellt werden, da im Präimplantationsstadium der Embryo nicht als Versicherter oder Leistungsberechtigter angesehen werden könne. Darüber hinaus solle § 2 Abs. 1a SGB V die Heilungschancen bei lebensbedrohlichen Krankheiten erhöhen. Es müsse eine Aussicht auf Heilung oder eine positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen. Demgegenüber diene die PID der Untersuchung und der Auslese von künstlich befruchteten Eizellen.