Keine Rechtsmittelzulassung bei Divergenz – BVerfG fordert Auseinandersetzung in Verfassungsbeschwerde

15. September 2020 -

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 04. August 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 2656/17 entschieden, dass dann, wenn ein Beschwerdeführer Divergenz einwendet und einen verfassungsrechtlichen Verstoß wegen der Nichtzulassung des Rechtsmittels behauptet, diese auch in der substantiierten Begründung der Verfassungsbeschwerde besprochen werden muss.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Beschwerdeführerin die behauptete Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) sowie auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht hinreichend aufgezeigt.

Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich mithin als objektiv willkürlich erweist und dadurch den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar. Dies ist nicht hinreichend dargetan.

Es fehlt bereits an einer hinreichenden Darlegung der behaupteten Divergenz zwischen der Rechtsprechung des IV. Zivilsenats und des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerspruchs- oder Widerrufsrechts als Revisionsgrund.

Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.

Angesichts der somit notwendigen Gesamtabwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles ist die Frage, ob ein Recht verwirkt ist, grundsätzlich einer generalisierenden und obersatzfähigen Betrachtung kaum zugänglich.

Selbst wenn auch insoweit für bestimmte Fragen eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung möglich scheint, wofür im Hinblick auf Verbraucherdarlehensverträge, die in einer Vielzahl von Fällen unter vergleichbaren Bedingungen geschlossen und unter gleichartigen Umständen beendet wurden, einiges spricht, wäre zur Darlegung einer Divergenz, wie sie die Beschwerdeführerin behauptet, substantiierter Vortrag dazu erforderlich gewesen, inwiefern den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen des IV. Zivilsenats und des XI. Zivilsenats jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, die hinsichtlich der Frage der Verwirkung keine voneinander abweichende Würdigung der Umstände erlaubten. Die Verfassungsbeschwerde geht weder darauf ein, dass die von ihr zitierten Entscheidungen unterschiedliche Vertragsverhältnisse, nämlich Versicherungsverträge auf der einen und Darlehensverträge auf der anderen Seite, zum Gegenstand hatten, noch darauf, dass sich die betreffenden Sachverhalte hinsichtlich der Art der Beendigung des Vertragsverhältnisses unterschieden. Auch zeigt sie nicht auf, weshalb auch bei Berücksichtigung der Beschlüsse des IV. Zivilsenats vom 27. September 2017 – IV ZR 506/15 und vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15, nach denen eine fehlerhafte Belehrung die Verwirkung des Widerspruchsrechts nicht generell ausschließt, eine Divergenz zur Rechtsprechung des XI. Zivilsenats vorliegen soll.