Keine Schadensersatzansprüche wegen coronabedingter Absage der Internationalen Eisenwarenmesse im März 2020

30. April 2021 -

Das Landgericht Köln hat am 29.04.2021 zum Aktenzeichen 85 O 23/20 entschieden, dass in der Anfangszeit der Covid-19-Pandemie Veranstalter nicht pflichtwidrig handelten, wenn sie Großveranstaltungen auch ohne behördliche Anordnung abgesagt haben. Das LG Köln hat nun entschieden, dass einem Aussteller keine weiteren Ansprüche über die direkten Kosten hinaus beim Veranstalter zustehen, nachdem dieser eine Messe, die im März 2020 stattfinden sollte, abgesagt hatte.

Aus der Pressemitteilung des LG Köln EdM Nr. 4/2021 vom 30.04.2021 ergibt sich:

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Absage der Internationalen Eisenwarenmesse im März 2020. Die Klägerin stellt Werkzeuge her und nahm in der Vergangenheit regelmäßig an der von der Beklagten organisierten Internationalen Eisenwarenmesse (IEM) in Köln teil. Es handelt sich dabei um eine Veranstaltung, an der in der Vergangenheit jeweils rund 50.000 Personen, überwiegend aus dem Ausland, u.a. auch China und Italien, teilgenommen haben. Ende Januar regten sich Bedenken gegen die Durchführung der Messe wegen der Covid-19-Pandemie, die anfänglich vor allem in China grassierte. Im Februar wies die Beklagte darauf hin, dass die Messe unter Beachtung entsprechender Hygienemaßnahmen stattfinden werde. Nachdem die Klägerin sukzessive ihre Standpräsenz eingeschränkt hatte, entschied die Beklagte am 25.02.2020, die Messe komplett abzusagen. Die Beklagte zahlte in der Folge an die Klägerin bereits bezahlte 132.209,91 € zurück.

Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung weiterer Aufwendungen i.H.v. 205.333,23 € für die Messestände, die Hostessen sowie die Hotel- und Restaurantreservierungen, die sie im Vertrauen darauf gemacht hatte, dass die Messe stattfindet. Die Klägerin meint, die Absage Ende Februar sei ohne Grund erfolgt, insbesondere habe noch keine behördliche Anordnung vorgelegen. Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei in einer Abwägung aller Gesichtspunkte gezwungen gewesen, die Veranstaltung abzusagen.

Das LG Köln hat die Klage nun vollständig abgewiesen.

Die Absage der IEM sei nicht schuldhaft pflichtwidrig gewesen. Mit Ausbruch der Covid-19-Pandemie habe ein Fall höherer Gewalt vorgelegen, der vor dem Jahr 2020 nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Gefahrenlage habe sich weltweit schnell zugespitzt. Die Beklagte habe daher zutreffend den höherrangigen Interessen aller Messeteilnehmer gegenüber den rein wirtschaftlichen Interessen teilnahmebereiter Aussteller Rechnung getragen. Die Beklagte habe gerade auch eine vertragliche Rücksichtnahme- und Schutzpflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB gegenüber allen anderen Vertragspartnern getroffen. Diese beinhalte, dass keinem Aussteller oder Besucher Schäden durch eine Corona-Infektion oder eine Quarantänepflicht von Mitarbeitern entstehen darf. Die Beklagte habe weder Einfluss noch die Möglichkeit einer Prognose des Verlaufs gehabt, genau so wenig wie sämtliche Fachleute zu diesem Zeitpunkt. Am 25.02.2020, zum Zeitpunkt der Absage der Messe, sei die Infektionslage äußerst kritisch gewesen. Erste Infektionsfälle in Deutschland seien bekannt geworden, die WHO habe die Corona-Krise als Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationalem Ausmaß eingestuft, die europäischen Gesundheitsminister hätten die Krise ebenfalls als bedenklich angesehen und der deutsche Bundesgesundheitsminister habe erklärt, die Corona-Krise sei in Europa angekommen. Es seien bereits große Messen, u.a. in Barcelona und Frankfurt a.M., abgesagt worden.

Die Beklagte habe das Risiko für Besucher und Aussteller zutreffend als hoch eingeschätzt: Es seien zahlreiche Gäste aus vielen Ländern erwartet worden, insbesondere aus China und Indien, in denen sich das Corona-Virus stark ausgebreitet habe. Außerdem sei es für eine Messe typisch, dass sich die Besucher von Stand zu Stand bewegen und dort jeweils verweilen, was ein erhebliches Infektionsrisiko berge.

Schließlich habe die Beklagte auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen gehabt. Bei der Virulenz des Virus sei nicht absehbar gewesen, wie sich Infektionsfälle auch außerhalb der Messe ausgewirkt hätten. Bei etwa 50.000 Besuchern aus dem In- und Ausland wäre die Rückverfolgung einer Infektionskette unmöglich gewesen. Mund- und Nasenmasken seien zu dieser Zeit knapp gewesen, Hygienekonzepte noch nicht entwickelt worden.

Eine Pflichtverletzung sei auch nicht darin zu sehen, dass erst am 25.02.2020 die Entscheidung zur Absage der IEM getroffen wurde und die Beklagte bis dahin von der Durchführung ausging und entsprechende Informationen auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Dies liege in der rasanten und extrem dynamischen Entwicklung der Pandemie begründet.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.