Keine vorläufige Außervollzugsetzung der Maskenpflicht im Unterricht

02. Dezember 2020 -

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat am 30.11.2020 zum Aktenzeichen 13 MN 519/20 entschieden, dass Schüler der Sekundarbereiche I und II in Niedersachsen unter bestimmten Voraussetzungen auch weiterhin während des Unterrichts Maske tragen müssen.

Aus der Pressemitteilung des Nds. OVG Nr. 60/2020 vom 01.12.2020 ergibt sich:

Nach § 13 Abs. 1 Satz 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30.10.2020 (im Folgenden: Corona-VO) besteht die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an einer Schule auch während des Unterrichts der Sekundarbereiche I und II, wenn in Bezug auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in dem die Schule gelegen ist (Standort der Schule), die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt oder wenn eine andere die Schule betreffende Infektionsschutzmaßnahme angeordnet wurde. Gegen diese Regelung hatten sich zwei Schülerinnen von weiterführenden Schulen in Oldenburg mit einem Normenkontrolleilantrag gewandt. Sie hatten im Wesentlichen geltend gemacht, die vorgeschriebenen Mund-Nasen-Bedeckungen seien nicht geeignet, die Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Die Anknüpfung an eine 7-Tage-Inzidenz von 50 sei willkürlich, da diese Inzidenz mangels Anknüpfung an die Zahl von Test-, Erkrankungs- und Todesraten keinen Aussagewert habe. Die Maskenpflicht greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte ein.

Das OVG Lüneburg hat den Eilantrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die in § 13 Abs. 1 Satz 6 Corona-VO angeordnete Pflicht, unter bestimmten Voraussetzungen im Schulunterricht eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, sei auf eine taugliche Rechtsgrundlage gestützt und sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Für das Oberverwaltungsgericht stehe nach seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl von Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Risiko der Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 in sich trügen. Dieses Risiko könne nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung signifikant reduziert werden. Diese allgemeinen Annahmen gelten nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts auch in Schulen. Die anerkannten Infektionsschutzmaßnahmen seien auch im Kindes- und Jugendalter wirksam, zumindest für ältere Kinder gut umsetzbar und ein wichtiger Baustein bei der Bewältigung der Pandemie. Unsicherheiten und Herausforderungen bei der täglichen Benutzung und Reinigung von Mund-Nasen-Bedeckungen seien weitgehend vermeidbar. Die hier allein betroffenen Schülerinnen und Schüler der Sekundarbereiche I und II befinden sich in einem Alter, indem ohne Weiteres selbst oder mithilfe der Eltern das notwendige Wissen für die sachgerechte Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung erworben und die hierfür erforderliche Übung erlangt werden könne. Ebenso dürfe die Erkenntnis zu vermitteln sein, dass es sich um eine nur vorübergehend hinzunehmende Schutzmaßnahme handele, die allenfalls zeitweise die persönliche Lebensführung und die individuelle Freiheit in geringem Umfang beeinträchtige.

Darüber hinaus gehenden besonderen gesundheitlichen Risiken der Benutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung sei durch Ausnahmeregelungen in dem gemäß § 13 Abs. 5 Corona-VO zu beachtenden „Niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan Corona Schule“ angemessen Rechnung getragen.

Auch die tatbestandliche Anknüpfung der Maskenpflicht an eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 oder an eine andere die Schule betreffende Infektionsschutzmaßnahme sei nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht gehe ebenso wie die Niedersächsische Landesregierung in ihrem „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der Covid-19 Pandemie“ davon aus, dass das bloße Überschreiten einer bestimmten 7-Tage-Inzidenz in einem bestimmten Gebiet es nicht ohne weiteres rechtfertige, für alle Personen in einem solchen Gebiet eine einheitliche Gefahrenlage anzunehmen und diesen gegenüber unterschiedslos generalisierende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu treffen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20 zum Beherbergungsverbot und Beschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 393/20 zu Sperrzeiten im Gastronomiebereich). Nach dem gesamten Regelungsgefüge der Corona-VO sei eine solche schlichte Anknüpfung an eine bestimmte 7-Tage-Inzidenz für die Anordnung der Maskenpflicht im Unterricht aber nicht gegeben. Vielmehr bestehe nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO grundsätzlich für jede Person die Pflicht, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Verordnungsgeber habe für die Schulen bewusst eine abweichende und zugleich privilegierende Regelung geschaffen. Bei durchaus vergleichbarem infektiologischen Risiko werde zur Vermeidung der mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verbundenen Erschwernisse und sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen für die Schülerinnen und Schüler vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Unterrichtsräumen grundsätzlich abgesehen. Die hiermit verbundene Besserstellung und damit Ungleichbehandlung der Schulen gegenüber den von der allgemeinen Regelung betroffenen Einrichtungen sei angesichts des nicht nur im Kindesinteresse, sondern im Allgemeininteresse liegenden und in Art. 7 Abs. 1 GG normierten staatlichen Erziehungsauftrags gerechtfertigt. Die streitgegenständlichen in § 13 Abs. 1 Satz 6 Corona-VO enthaltenen Regelungen stellten vor diesem Hintergrund lediglich zwei Ausnahmen von der Befreiung von der Maskenpflicht dar. Dem liege die nachvollziehbare konkrete Risikobewertung des Verordnungsgebers zugrunde, dass in den beiden in der Norm genannten Konstellationen eine durchaus signifikante Änderung der Gefahrenlage eingetreten sei. In beiden Fällen werde also nicht schlicht eine infektionsschutzrechtliche Maßnahme angeordnet, sondern eine Änderung der nachvollziehbaren konkreten Risikobewertung angenommen, dass es aufgrund einer erhöhten Gefahrenlage nicht mehr gerechtfertigt sei, in Unterrichtsräumen einer Schule eine Ausnahme von der angeordneten grundsätzlichen Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen- Bedeckung in geschlossenen, öffentlich zugänglichen Räumen zuzulassen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Hinweis: Der Beschluss betrifft die am 30.11.2020 außer Kraft getretene Fassung der Corona-VO. Die am 01.12.2020 in Kraft getretene neue Fassung der Corona-VO enthält jedoch in § 13 Abs. 1 Satz 5 eine mit § 13 Abs. 1 Satz 6 der alten Fassung vergleichbare Regelung zur Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an Schulen während des Unterrichts.