Kindergeldantrag per beA bzw. bePO

Das Hessische Finanzgericht hat mit Urteil vom 20.04.2023 zum Aktenzeichen 9 K 39/23 entschieden, dass ein Rechtsanwalt einen Kindergeldantrag in eigener Sache aufgrund der Formerfordernisse des § 67 EStG auch bei Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht wirksam per beA bzw. bePO stellen kann. Das Schriftformerfordernis des § 67 EStG setzt voraus, das eine – wenn auch nicht zwingend eigenhändige – Unterschrift zur Antragstellung erforderlich ist.

Der Kläger, der Rechtsanwalt ist, teilte der Familienkasse am 27. Dezember 2021 mit, dass seine Ehefrau am 20. September 2021 verstorben sei. Er beantragte, das Kindergeld für seine beiden Kinder, B und A, ab sofort an ihn zu zahlen. Er gab seine Kontonummer an und fügte dem Schreiben als Anlagen die Sterbeurkunde, die Heiratsurkunde, die Geburtsurkunden der Kinder sowie Ausbildungsnachweise der Kinder bei. Das Schreiben enthielt in der Betreffzeile die Kindergeldnummer der Ehefrau des Klägers, die bis zu ihrem Tod das Kindergeld für die gemeinsamen Kinder bezogen hatte. Das Schreiben vom 27. Dezember 2021 übermittelte der Kläger an die Beklagte elektronisch über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das besondere elektronische Behördenpostfach (bePO). Es wurde von ihm qualifiziert elektronisch signiert.

Am 31. Dezember 2021 übersandte der Kläger ebenfalls mit qualifizierter elektronischer Signatur über beA bzw. bePO den Antrag auf Kindergeld und für jedes Kind eine Anlage Kind. Die auf diesem Wege eingereichten Vordrucke enthielten vom Kläger ergänzte inhaltliche Angaben, waren aber nicht handschriftlich unterschrieben. Sie kamen bei der Beklagten als unausgefüllte Dokumente an.

Im Verlauf der sich anschließenden Korrespondenz zwischen den Beteiligten wurde deutlich, dass die Beklagte das Ausfüllen der Vordrucke und die eigenhändige Unterschrift verlangte. Der Kläger verwies darauf, dass die qualifizierte elektronische Signatur die Unterschrift ersetze.

Mit Bescheid vom 7. April 2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kindergeld für die Kinder A und B ab dem Monat Juli 2021 ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 30. April 2022, das qualifiziert elektronisch signiert wurde, Einspruch ein.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2022 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere darauf verwiesen, dass § 67 EStG eine Antragstellung per beA bzw. bePO nicht zulasse.

Der Antrag des Klägers auf Kindergeld ist zu Recht von der Beklagten abgelehnt worden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld. Denn der Kläger hat die nach § 67 EStG geforderten Formalien bei der Antragstellung nicht beachtet.

Nach § 67 Satz 1 EStG ist das Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen, wobei eine elektronische Antragstellung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle zulässig ist, soweit der Zugang eröffnet wurde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Der Kläger hat den Kindergeldantrag am 31. Dezember 2021 nicht ordnungsgemäß in elektronischer Form gestellt, weil die elektronische Antragstellung i.S. d. § 67 EStG voraussetzt, dass sie nach „amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich vorgeschriebene Schnittstelle“ erfolgt. Die Übermittlung eines Dokuments per beA bzw. bePO erfüllt diese Anforderungen nicht. Denn die amtlich vorgeschriebenen Datensätze und zugelassenen Schnittstellen sind verwaltungsseitig definiert (vgl. dazu BZSt vom 27. April 2021, BStBl I 2021, 819). Die Übermittlung per beA bzw. bePO entspricht – was zwischen den Beteiligten nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung unstreitig ist – nicht diesen Definitionen.

Soweit der Kläger meint, er habe den Kindergeldantrag am 31. Dezember 2021 „schriftlich“ gestellt, weil er ein pdf-Dokument übermittelt habe und nur die Unterschrift durch die qualifizierte elektronische Signatur ersetzt habe, überzeugt dies nicht.

Für die schriftliche Antragstellung ist nämlich zu verlangen, dass sich der geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld aus einem vom Antragsteller herrührenden Schriftstück ergibt, wobei auch Telefax und Computerfax dem Schriftformerfordernis genügen. Diese Anforderungen erfüllt der Antrag des Klägers vom 31. Dezember 2021 nicht. Es handelt sich weder um ein Schriftstück noch um ein Telefax oder Computerfax. Vielmehr handelt es sich bei der Übermittlung von Dokumenten per beA bzw. bePO um elektronische Kommunikation. Als „elektronisches Dokument“ ist ein Dokument anzusehen, das nicht papiergebunden ist und bei dem kein automatischer Papierausdruck erfolgt. Dazu zählen beispielsweise Emails, über Elster eingereichte Erklärungen und auch über beA bzw. bePO versendete Dokumente. Elektronische Dokumente werden demzufolge stets elektronisch übermittelt, so dass sich „schriftliche“ und „elektronische“ Antragstellung sowohl vom Gesetzeswortlaut als auch aus systematischen und teleologischen Gründen gegenseitig ausschließen. Hier hat der Kläger den Weg der elektronischen Antragstellung gewählt, ohne jedoch – wie dargelegt – den vorgesehenen Weg über den vorgeschriebenen Datensatz und die vorgeschriebene Schnittstelle zu nutzen. Dass diese Einschränkung der Möglichkeit elektronischer Antragstellung auch vom Gesetzgeber gewollt war, lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, in der es heißt, dass die Verwendung eines einheitlichen Datensatzes und einer einheitlichen Schnittstelle i. S. d. § 87b Abs. 2 Satz 1 AO es den Familienkassen ermöglicht, den Kindergeldantrag unabhängig davon, ob das Kindergeld einzeln oder zusammen mit anderen Leistungen beantragt wird, nach einem einheitlichen Verfahren zu bearbeiten, wodurch das Verfahren beschleunigt und vereinfacht sowie vermeidbarer Verwaltungsaufwand verhindert werden soll (BT-Drs. 19/21987, 29). Die vom Kläger begehrte Möglichkeit, den Kindergeldantrag über beA bzw. bePO einzureichen, würde das Anliegen des Gesetzgebers konterkarieren (und zudem eine besondere Berufsgruppe – hier die Rechtsanwaltschaft – in privaten Angelegenheiten bevorteilen).

Dagegen spricht nicht, dass das vom BZSt vorgesehene Datenschema erst für Anträge nach dem 31. Dezember 2021 verbindlich wurde. Denn zum einen konnte das Datenschema bereits vorher verwendet werden. Zum anderen sieht – was besonders ins Gewicht fällt – § 67 EStG für die elektronische Antragstellung bereits mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2020 und damit zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Kläger zwingend vor, dass der Antrag elektronisch nur über den vorgeschriebenen Datensatz und die vorgeschriebene Schnittstelle gestellt werden darf. Selbst wenn das Datenschema zum Zeitpunkt der Antragstellung gefehlt hätte – was hier nicht der Fall ist – könnte dies die Vorgaben des § 67 EStG nicht aushebeln, sondern allenfalls dazu führen, dass ein Antrag auf elektronischem Wege mangels Schnittstelle und Datensatzes noch nicht gestellt werden kann. Dies führt aber nicht dazu, dass ein über beA bzw. bePO eingereichter Antrag als zulässiger schriftlicher Antrag anzusehen wäre.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 87a AO.

Nach § 87a Abs. 1 AO ist die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat. Zwar ist die Beklagte über bePO objektiv erreichbar. Jedoch hat die Beklagte zumindest subjektiv insoweit den Zugang für die Antragstellung nicht eröffnet, wie die Beklagte im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht hat. Aus der Gesetzesbegründung für die Ergänzung des § 67 EStG ergibt sich zudem hinsichtlich der Zugangseröffnung i. S. d. § 87a Abs. 1 AO, dass die elektronische Übermittlung nur unter Verwendung eines standardisierten Datensatzes zulässig sein soll, welcher bundeseinheitlich durch das BZSt festgelegt und im BStBl bekanntgegeben wird (BT-Drs. 19/21987, 29). Auch nach systematischen Grundsätzen ist darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Vorschrift des § 87a Abs. 1 AO die spezielleren Voraussetzungen des § 67 EStG zur Übermittlung eines elektronischen Kindergeldantrags nicht aushebeln kann.

Vor diesem Hintergrund kann auch § 87a Abs. 3 AO nicht entnommen werden, dass eine Antragstellung per beA bzw. bePO rechtlich zulässig wäre. Denn § 87a Abs. 3 AO lässt die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form nur zu, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes geregelt ist. Das ist hier mit Blick auf die in § 67 EStG vorgesehenen besonderen Anforderungen für die elektronische Antragstellung der Fall. Insofern gilt auch hier, dass § 67 EStG als speziellere Norm der allgemeinen Regelung des § 87a Abs. 3 AO vorgeht.

Auch aus § 87a Abs. 6 AO, der das Elster-Verfahren im Blick hat, lässt sich nicht schlussfolgern, dass vom amtlich vorgeschriebenen Datensatz abgewichen werden darf.

Das Gericht sieht auch keine Grundlage dafür, aus anderen Gesetzen die zulässige Möglichkeit abzuleiten, den Kindergeldantrag über beA bzw. bePO zu stellen.

Zwar sieht § 2 EGovG vor, dass Bundesrecht verwaltende Behörden grundsätzlich einen elektronischen Zugang zu eröffnen haben. Doch gilt dies gemäß § 1 Abs. 4 EGovG nicht, wenn Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. § 67 EStG enthält mit der Spezialregelung zur elektronischen Antragstellung jedenfalls insoweit entgegenstehende Vorschriften.

Zwar verpflichtet § 1 OZG Bund und Länder bis spätestens zum Ablauf des fünften auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten und Verwaltungsportale zu einem Portalverbund zu verknüpfen. Weil dieses Gesetz 2017 verkündet worden ist, konnte § 1 OZG bei Antragstellung durch den Kläger im Jahr 2021 noch keine Anwendung finden.

Der Kindergeldantrag ist auch nicht wirksam durch die Einlegung des Einspruchs gestellt. Zwar hat der Kläger den Kindergeldantrag nochmals mit dem elektronisch über beA bzw. bePO eingelegten Einspruch eingereicht. Doch auch wenn der Rechtsbehelf des Einspruchs auf diesem Wege wirksam eingereicht werden kann, gilt dies nicht für den Kindergeldantrag. Denn die elektronische Einreichung des Kindergeldantrags erfordert – wie bereits dargelegt – die Nutzung des vorgeschriebenen Datensatzes und der vorgeschriebenen Schnittstelle.

Auch mit der Weiterleitung des ausgedruckten Antrags durch das Gericht an die Beklagte ist kein wirksamer Kindergeldantrag gestellt worden. Denn der Kindergeldantrag ist in der ausgedruckten Variante nicht unterschrieben. Dies ist aber nach Auffassung der Beklagten, die der erkennende Senat für zutreffend hält, erforderlich. Der Rechtsprechung des BFH lässt sich eine gegenteilige Auffassung nicht entnehmen.

Zwar ist für einen wirksamen Kindergeldantrag, der nicht auf dem Vordruck gestellt sein muss, die eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich, sondern es genügt die Unterschrift eines Vertreters. Gleichwohl lässt sich daraus folgern, dass eine Unterschrift erforderlich ist, damit sich die Urheberschaft sicher erkennen lässt. Zudem muss der Antragsteller, der unter Angabe eines unzutreffenden Sachverhalts Kindergeld beantragt, identifiziert und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden können. Dies wird jedenfalls beim Fehlen jeglichen Unterschriftserfordernisses schwerer und würde zudem Dritten die Möglichkeit eröffnen, in Schädigungsabsicht für andere unberechtigte Kindergeldanträge zu stellen. Der erkennende Senat übersieht dabei nicht, dass § 357 AO (auch in der damals gültigen Fassung) eine Einspruchseinlegung per Email zulässt und das Schriftformerfordernis insoweit keine Unterschrift verlangt. Dies gilt aus den bereits dargelegten Gründen nicht für die Antragstellung nach § 67 EStG, zumal § 357 AO in der jetzigen Fassung lediglich eine elektronische Einspruchseinlegung fordert, während gemäß § 67 EStG eine elektronische Antragstellung nur nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz und entsprechender Schnittstelle zulässig ist. Dies spricht dafür, dass im Rahmen des § 67 EStG auch die Schriftform abweichend von § 357 AO eine Authentifizierung durch Unterschrift verlangt. Es wäre auch nicht verständlich, warum für die elektronische Antragstellung besondere Anforderungen hinsichtlich der Authentifizierung nach § 67 EStG verlangt werden, wenn andererseits eine schriftliche Antragstellung ohne belegbare Authentifizierung anhand der Unterschrift möglich sein sollte, was jedenfalls seit der Änderung des § 67 EStG im Jahre 2020 für das Unterschriftserfordernis bei der schriftlichen Antragstellung spricht. Weil insoweit kein wirksamer Kindergeldantrag gestellt worden ist, muss die Frage, ob die Auszahlungsbeschränkung nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG eingreifen könnte, nicht geklärt werden.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall auf einen Kindergeldantrag durch den Kläger nicht verzichtet werden kann. Denn die nach dem Tod der Ehefrau vom Kläger begehrte Kindergeldfestsetzung macht einen Neuantrag erforderlich.

IDass es zwischen den Beteiligten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Missverständnisse darüber gegeben haben mag, ob der per beA bzw. bePO übermittelte Antrag ausgefüllt war, lässt nicht den Schluss zu, dass die Beklagte einen Verfahrensfehler begangen hätte. Denn der Kläger ist bereits am 14. Januar 2022 und 22. Februar 2022 auf den aus Sicht der Beklagten fehlenden Antrag und die aus ihrer Sicht fehlende Formwirksamkeit des über beA bzw. bePO gestellten Antrags hingewiesen worden.