„Klima-Camp“ stellt eine Versammlung dar

10. November 2020 -

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat am 06.11.2020 zum Aktenzeichen Au 8 K 20.1179 entschieden, dass das sogenannte „Klima-Camp“ der „Fridays For Future“-Gruppierung nach seinem Gesamtgepräge eine Versammlung im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes darstellt.

Aus der Pressemitteilung des VG Augsburg vom 10.11.2020 ergibt sich:

Der Kläger, ein Vertreters der örtlichen „Fridays For Future“-Gruppierung, meldete eine Versammlung mit dem Thema „Klimagerechtigkeit“ ab dem 01.07.2020 bis auf weiteres auf dem Fischmarkt, einer Fläche unmittelbar neben dem Rathaus der Stadt Augsburg, an. Als Kundgebungsmittel wurden Transparente, Megafone, Kreide, eine Filmleinwand, Isomatten, ein Pavillon, sog. „Gehzeuge“, Sofas, Tische, Stühle, Autoreifen und Schränke genannt. Die Stadt Augsburg ordnete die Veranstaltung zunächst als Versammlung ein und erließ versammlungsrechtliche Beschränkungen. Am 02., 03. und 05.07.2020 begannen bzw. endeten am Veranstaltungsort Demonstrationszüge. Am 02. und 05.07.2020 fanden „Rathausbesetzungen/-blockaden“ statt. Auszügen aus sozialen Medien nach umfasste die Veranstaltung zudem das Angebot von Speisen, das Malen von Bannern und sog. „Klimaturnen“. Mit Bescheid vom 10.07.2020 stellte die Stadt Augsburg fest, dass die seit dem 01.07.2020 auf dem Fischmarkt stattfindende Veranstaltung keine öffentliche Versammlung darstelle und nicht mehr von Art. 8 GG gedeckt sei. Die durchgeführten Demonstrationszüge würden eigene Versammlungen darstellen. Anderen Aktionen habe der räumliche oder inhaltliche Zusammenhang mit dem „Klima-Camp“ gefehlt. Aktionen wie das Malen von Bannern oder Workshops dienten der Vorbereitung weiterer Versammlungen. Zahlreiche Aktionen hätten keinen Bezug zur Meinungskundgabe oder zum Versammlungsthema „Klimagerechtigkeit“. Das „Klima-Camp“ stelle daher in einer Gesamtbetrachtung keine eigenständige Versammlung (mehr) dar. Gegen den Feststellungsbescheid der Stadt Augsburg erhob der Kläger erfolgreich Klage zum VG Augsburg.

Das VG Augsburg hat der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Bescheid der Stadt Augsburg vom 10.07.2020 aufgehoben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts treffe die getroffene Feststellung, die Veranstaltung des Klägers sei keine Versammlung (mehr), nicht zu. Das „Klima-Camp“ stelle nach seinem Gesamtgepräge eine Versammlung im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes dar, weil es überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sei. Es ziele darauf ab, die Öffentlichkeit auf die aus Sicht des Klägers bestehende klimapolitische Situation aufmerksam zu machen. Dies komme durch die dauerhafte Präsenz der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort unter Verwendung von Transparenten zum Thema „Klimagerechtigkeit“ zum Ausdruck. Außerdem fänden Aktionen wie Sprechchöre und Reden zum Versammlungsthema, Umfragen der Bevölkerung und Vorträge zum Versammlungsthema am Veranstaltungsort statt. Angesichts dieses Schwerpunkts sei es nach Überzeugung des Gerichts unschädlich, dass im Rahmen des Klima-Camps auch Aktionen und Workshops angeboten würden, die nicht unmittelbar mit dem Versammlungsthema „Klimagerechtigkeit“ in Zusammenhang stünden. Wegen des inhaltlichen Bezugs zum Versammlungsthema falle auch das dauerhafte Kampieren auf öffentlichem Grund vorliegend unter den Schutz der Versammlungsfreiheit. Für eine Versammlung bestünden keine zeitlichen Höchstgrenzen. Das vorübergehende Ruhen oder Schlafen der einzelnen Versammlungsteilnehmer lasse in diesem Zusammenhang den Schutz der Versammlungsfreiheit nicht entfallen. Soweit einzelne der Infrastruktur der Versammlungsteilnehmer dienende Mittel nicht vom Schutz der Versammlung umfasst seien, stehe es der Stadt frei, hierüber eine Entscheidung zu treffen. Der Zweck der Versammlung sei auch nicht mit der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes am 03.07.2020 entfallen.

Gegen das Urteil kann die Stadt Augsburg Antrag auf Zulassung der Berufung zum VGH München stellen.

Mit Beschluss vom 17.07.2020 (Au 8 S 20.1186) hatte das VG Augsburg bereits die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.