Können Arbeitnehmer für private Chats gekündigt werden?

26. August 2025 -

WhatsApp, Telegram, Signal & Co. – Messenger-Dienste sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, auch nicht im Berufsleben. Viele Arbeitnehmer kommunizieren in privaten Chatgruppen mit Kollegen oder Freunden. Doch was passiert, wenn in einem vermeintlich privaten Chat Äußerungen fallen, die dem Arbeitgeber bekannt werden? Darf der Chef einen Mitarbeiter kündigen, nur weil dieser sich im Privatchat kritisch oder sogar beleidigend äußert? In diesem Rechtstipp beleuchten wir praxisnah, in welchen Fällen private Nachrichten eine Kündigung rechtfertigen können. Dabei erklären wir die grundsätzliche Trennung zwischen Privatleben und Arbeitsverhältnis und welche Ausnahmen es gibt, wenn private Äußerungen negative Auswirkungen auf den Job haben können. Konkrete Urteile – etwa vom Bundesarbeitsgericht (BAG) und Landesarbeitsgerichten (LAG) – dienen als Beispiele, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen. Außerdem erhalten Sie Tipps, wie Sie sich als Arbeitnehmer rechtssicher verhalten und worauf Sie im Umgang mit privaten Chatnachrichten achten sollten.

Grundsatz: Privates ist grundsätzlich Privatsache

Im deutschen Arbeitsrecht gilt zunächst der Grundsatz, dass Privatleben und Arbeitsverhältnis getrennt sind. „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ – was ein Mitarbeiter in seiner Freizeit tut oder sagt, geht den Arbeitgeber im Normalfall nichts an. Arbeitgeber dürfen sich zwar in alles einmischen, was die Arbeitsleistung betrifft, aber ihr Weisungsrecht endet an der Schwelle zur Privatsphäre des Mitarbeiters. Meinungsäußerungen in der Freizeit – sei es im Gespräch unter Freunden, in einer kleinen Chatgruppe oder im Zweier-Chat – sind dem Arbeitgeber grundsätzlich entzogen, solange sie keine Auswirkungen auf das Unternehmen haben.

Dieser Schutz des Privaten hat mit unseren Grundrechten zu tun: Arbeitnehmer genießen wie alle Bürger Meinungsfreiheit und ein allgemeines Persönlichkeitsrecht, das private Kommunikation umfasst. Nicht alles, was ein Chef „nicht gut findet“, berechtigt daher zu Sanktionen, wenn es im rein privaten Bereich bleibt. Ein Beispiel: Wenn Sie sich im kleinen Kreis über allgemeine Themen austauschen oder Ihrem Partner zuhause Ihren Frust von der Seele reden, muss der Arbeitgeber das akzeptieren.

Allerdings: Die Trennung von Beruf und Privatleben ist nicht absolut. Auch außerhalb der Arbeit besteht eine gesetzliche Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet Arbeitnehmer, Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers zu nehmen und sich auch in der Freizeit loyal zu verhalten. Das heißt nicht, dass man den Arbeitgeber im Freundeskreis loben muss oder keine Kritik äußern dürfte – sachliche Kritik muss ein Unternehmen sogar hinnehmen. Aber wer im Privatleben maßlos über den Chef herzieht, Kollegen grob beleidigt oder Firmeninterna preisgibt, kann die Grenze zur pflichtwidrigen Illoyalität überschreiten. Besonders bei Beleidigungen oder Hetze, die weit jenseits zulässiger Meinungsäußerung liegen, ist Vorsicht geboten: Hier können neben strafrechtlichen Folgen auch arbeitsrechtliche Konsequenzen** drohen.

Ausnahmefälle: Wann private Chats zum Kündigungsgrund werden können

Auch wenn Ihr Privatleben grundsätzlich geschützt ist – ein „rechtsfreier Raum“ sind private Chats nicht. Bestimmte extreme Äußerungen oder Verhaltensweisen können eine Kündigung rechtfertigen, selbst wenn sie außerhalb der Arbeitszeit und in privaten Nachrichten erfolgen. Entscheidend ist immer, ob die private Äußerung das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt oder das notwendige Vertrauen zerstört. Die Rechtsprechung zeigt: Vor allem grobe Beleidigungen, Hassbotschaften, strafbare Handlungen oder illoyales Verhalten in privaten Chats können arbeitsrechtliche Folgen haben. Im Folgenden betrachten wir die wichtigsten Fallgruppen und Beispiele aus der Praxis.

Beleidigungen und Hassrede im Chat

Der Ton macht die Musik – auch privat. Bezeichnet ein Arbeitnehmer seine Vorgesetzten oder Kollegen in Chats mit üblen Schimpfwörtern oder verbreitet er rassistische bzw. menschenverachtende Inhalte, kann das den Bogen überspannen. Grobe Beleidigungen und Hassrede gelten nicht mehr als von der Meinungsfreiheit gedeckt, insbesondere wenn dadurch die Würde oder Ehre anderer verletzt wird. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber argumentieren, das Vertrauensverhältnis sei irreparabel zerstört – eine Kündigung (oft fristlos) liegt dann im Bereich des Möglichen.

Ein aktuelles Beispiel: In der WhatsApp-Gruppe von sieben befreundeten TUI-Mitarbeitern kam es über Jahre zu extrem beleidigenden, rassistischen und sexistischen Nachrichten über Vorgesetzte und Kollegen. Ein Mitglied leitete Teile des Chats an den Betriebsrat und den Personalchef weiter. Die Folge: Der Arbeitgeber sprach außerordentliche Kündigungen aus. Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Das BAG stellte klar, dass grobe Beleidigungen von Kollegen oder Vorgesetzten selbst in geschlossenen privaten Chatgruppen eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Die höchsten Arbeitsrichter hoben die vorherigen Urteile der Vorinstanzen (die eine Vertraulichkeit des Chats angenommen hatten) auf. Geschlossene Chatgruppen bieten keinen absoluten Schutz – wer sich dort rassistisch oder beleidigend äußert, kann nicht auf die Vertraulichkeit pochen und riskiert den Job.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist das Stichwort „Vertraulichkeitserwartung“. Natürlich darf man grundsätzlich erwarten, dass private Unterhaltungen unter Freunden vertraulich bleiben. Doch das BAG betonte, dass es auf den Einzelfall ankommt, ob man auf Vertraulichkeit vertrauen durfte. Insbesondere Größe und Zusammensetzung der Chatgruppe sowie der Inhalt der Nachrichten spielen eine Rolle. In dem genannten Fall mit sieben Teilnehmern und massiv ausfallenden Äußerungen hielt das BAG eine schützenswerte Vertraulichkeit nur im Ausnahmefall für gegeben. Anders gesagt: Je größer und gemischter die Gruppe und je extremer die Aussagen, desto weniger kann man sich darauf verlassen, dass das Gesagte „unter uns“ bleibt. Leitet ein Teilnehmer den Chat weiter (wie im TUI-Beispiel geschehen), zeigt das faktisch, dass keine Vertraulichkeit garantiert ist.

Die Konsequenzen für den Arbeitnehmer im TUI-Fall waren drastisch. Das LAG Niedersachsen – nach Zurückverweisung durch das BAG – bestätigte letztlich die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung. Die Chat-Nachrichten wurden als schwerwiegende Pflichtverletzung eingestuft: Beleidigungen, rassistische und sexistische Äußerungen sowie Gewaltfantasien gegen Kollegen und Vorgesetzte zerstören das notwendige Vertrauensverhältnis. Selbst ohne ernsthafte Tatabsicht seien solche Aussagen schwerwiegend genug, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Eine vorherige Abmahnung sei in so einem Fall entbehrlich, da nicht zu erwarten stehe, dass der Mitarbeiter sein Verhalten ändern würde. Außerdem ließ das Gericht das Argument des Klägers nicht gelten, seine Äußerungen seien privat und durch die Meinungsfreiheit geschützt – denn Äußerungen, die die Grundrechte anderer verletzen, sind vom Schutz der Meinungsfreiheit nicht erfasst. Die Menschenwürde und der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen gehen hier vor. Trotz langer Betriebszugehörigkeit des Klägers überwog das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses; eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit war unmöglich geworden.

Dieses Beispiel zeigt: Extrem herabwürdigende oder hetzerische Inhalte in Chats sind kein Kavaliersdelikt. Gelangen solche Chat-Auszüge an den Arbeitgeber, kann dies in letzter Konsequenz die fristlose Kündigung bedeuten. Private Kommunikation ist nicht uneingeschränkt geschützt, wenn sie “die Menschenwürde verletzt oder zu Gewalt aufruft“ – dann müssen Arbeitnehmer mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Üble Nachrede und Verbreiten von Gerüchten

Nicht nur direkte Beleidigungen, auch das Verbreiten rufschädigender Gerüchte im Chat kann zur Kündigung führen. Wer im privaten Messenger unwahre Behauptungen über Vorgesetzte, Kollegen oder das Unternehmen teilt, begeht unter Umständen üble Nachrede (§ 186 StGB) oder sogar Verleumdung (§ 187 StGB), also Straftaten. Aus arbeitsrechtlicher Sicht handelt es sich um eine schwere Vertrauensverletzung, insbesondere wenn die Behauptungen geeignet sind, den Ruf des Betroffenen erheblich zu schädigen.

Ein Fall aus Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.2019 – 17 Sa 52/18) verdeutlicht dies: Eine Angestellte war erst drei Tage im Betrieb, als sie in ihrer Freizeit von einem Bekannten hörte, der Vater des Geschäftsführers (zugleich Mitarbeiter der Firma) sei ein verurteilter Sexualstraftäter. Ohne die Information zu verifizieren, schrieb sie noch am selben Tag einer Kollegin per WhatsApp: „Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er soll ein verurteilter Vergewaltiger sein… Für so jemanden werde ich nicht arbeiten. Und DU auch nicht.“ – und behauptete weiter, man habe ihr das von mehreren Seiten erzählt Die Kollegin zeigte diese Nachrichten dem Geschäftsführer, worauf der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aussprach.

Die Arbeitnehmerin klagte – jedoch ohne Erfolg. Das LAG entschied, dass die Kündigung wirksam war. Die Weitergabe dieser haltlosen Anschuldigung erfüllte den Tatbestand der üblen Nachrede und führte zu einem vollständigen Vertrauensverlust beim Arbeitgeber. Dass die Mitteilung „nur“ an eine einzelne Person und vertraulich gerichtet war, schützte die Klägerin nicht: Auch in einem Zweier-Chat darf ein Arbeitnehmer nicht strafbare Gerüchte über Vorgesetzte verbreiten. Das Gericht hob hervor, dass die Mitarbeiterin das Gerücht als Tatsache dargestellt hatte, ohne es zu überprüfen – ein besonders unbedachtes und illoyales Verhalten. In so einem Fall müsse der Arbeitnehmer selbst im rein privaten Gespräch damit rechnen, fristlos entlassen zu werden.

Der Fall macht deutlich: Die Verleumdung oder Nachrede von Vorgesetzten/Kollegen im Chat ist ein gravierender Pflichtverstoß. Auch wenn man „nur“ etwas weiterplaudert, was man gehört hat – sobald sich herausstellt, dass es falsche und rufschädigende Behauptungen waren, steht man im schlimmsten Fall ohne Job da. Verbreiten Sie daher keine unbestätigten Gerüchte über Personen aus Ihrem Betrieb. Die Schwelle zur Kündbarkeit ist hier schnell überschritten, wenn der Ruf und die Integrität einer Person im Unternehmen auf dem Spiel stehen.

Diskriminierung und Belästigung via Messenger

Private Chats werden gelegentlich leider auch zum Kanal für Mobbing oder diskriminierende Äußerungen gegenüber Kollegen. Aber Vorsicht: Was man einem Kollegen „im Scherz“ oder außerhalb der Arbeit schreibt, kann ernsthafte arbeitsrechtliche Folgen haben, wenn es beleidigend oder fremdenfeindlich ist. Beleidigungen mit rassistischem oder sexistischem Hintergrund sind absolut inakzeptabel – und Arbeitgeber sind berechtigt, darauf mit Kündigung zu reagieren, um ihre Belegschaft zu schützen.

Ein praxisnahes Beispiel liefert ein weiterer Fall des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.12.2019 – 17 Sa 3/19): Ein langjähriger Mitarbeiter eines Automobilkonzerns hatte einem türkischstämmigen Kollegen mehrfach islamfeindliche Bilder, Videos und Sprüche per WhatsApp aufs Handy geschickt. In einer Sprachnachricht nannte er ihn zudem ein „Arschloch“. Als wäre das nicht genug, beschimpfte er denselben Kollegen wenig später auch mündlich im Betrieb mit üblen rassistischen Ausfällen („Dreckstürkenpack“, „du hässlicher Türke“, etc.). Der Arbeitgeber kündigte fristlos.

Der gekündigte Mitarbeiter verteidigte sich damit, das Ganze sei doch humorvoll gemeint gewesen und in ihrer Abteilung herrsche „ein rauer Umgangston“. Das LAG ließ dieses Argument nicht gelten. Die fristlose Kündigung wurde als wirksam bestätigt. Solche Äußerungen seien weder durch die Meinungsfreiheit noch durch angeblichen Humor gedeckt – hier tritt das Persönlichkeitsrecht und der Ehrenschutz des Kollegen eindeutig vor die freie Meinungsäußerung. Die „Witze“ des Klägers stellten in Wahrheit grobe Beleidigungen dar. Indem er die fremdenfeindlichen Inhalte unkommentiert weiterleitete, habe er sie sich zu eigen gemacht und damit gezeigt, dass er diese Ansichten teilt. Spätestens die direkten Beschimpfungen im Betrieb untermauerten die extreme Respektlosigkeit. Insgesamt lag eine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass die sofortige Entlassung gerechtfertigt war.

Der Fall verdeutlicht: Hate Speech und persönliche Herabwürdigung im Chat sind tabu. Selbst wenn die Nachrichten angeblich scherzhaft gemeint sind, wird das vor Gericht nicht als Entschuldigung akzeptiert, sobald der Inhalt diskriminierend oder beleidigend ist. Arbeitnehmer können nicht darauf vertrauen, dass im privaten Chat „alles erlaubt“ istauch dort gelten die allgemeinen Gesetze und Respektgrenzen. Wer Kollegen in Messenger-Nachrichten mobbt oder aufgrund von Herkunft, Religion, Geschlecht etc. beleidigt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Solches Verhalten zerstört das Betriebsklima und der Arbeitgeber darf und muss einschreiten, um andere Mitarbeiter zu schützen.

Geheimnisverrat: Vertrauliche Firmeninterna im Chat

Neben beleidigenden Inhalten kann auch das Ausplaudern betrieblicher Geheimnisse in privaten Chats einen Kündigungsgrund darstellen. Arbeitnehmer sind verpflichtet, betriebliche Interna und Geschäftsgeheimnisse vertraulich zu behandeln. Wird dagegen verstoßen – etwa indem man in einem Messenger-Chat mit Freunden oder externen Personen sensible Unternehmensinformationen teilt – ist das eine schwere Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Beispiele könnten sein: das Weitergeben von Kundendaten, internen finanziellen Zahlen, bevorstehenden Entlassungen oder anderen nicht öffentlichen Informationen der Firma.

Die Arbeitsgerichte haben in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass die Preisgabe vertraulicher Interna ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein kann. In der Rechtsprechungsliste finden sich Fälle, in denen Mitarbeiter wegen unbefugter Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen entlassen wurden. Denn ein solches Verhalten kann dem Unternehmen erheblichen Schaden zufügen oder zumindest das Vertrauen in die Verschwiegenheit und Integrität des Mitarbeiters zerstören.

Ein konkretes Urteil hierzu ist zwar weniger publik geworden als die Chat-Beleidigungsfälle, aber der Rechtsgrundsatz ist klar: Verschwiegenheitspflichten gelten auch im Privatchat. Wenn etwa ein Arbeitnehmer über WhatsApp einem Außenstehenden brisante Informationen aus dem Betrieb schickt (z.B. bevorstehende Übernahmen, geheime Rezepte/Pläne, interne Probleme), begeht er eine Vertragspflichtverletzung. Der Arbeitgeber darf in solchen Fällen – je nach Schwere – verhaltensbedingt kündigen, in gravierenden Fällen sogar fristlos. Immerhin würde man ähnliches Verhalten (Geheimnisverrat) auch sanktionieren, wenn es öffentlich oder per E-Mail passiert. Der Messenger-Charakter schützt hier nicht. Die Gerichte sehen das Ausplaudern von Betriebsgeheimnissen als vertragswidriges Verhalten, das eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann.

Keine Kündigung ohne Grenze – wann Abmahnung oder milde Reaktion genügen

Wichtig zu betonen: Nicht jede unbedachte private Nachricht führt automatisch zur Kündigung. Es kommt – wie so oft im Arbeitsrecht – auf den Einzelfall und die Umstände an. Die Gerichte wägen stets ab: Wie stark war der Bezug der Äußerung zum Arbeitgeber? Wie sehr wurde das Vertrauensverhältnis verletzt? Welche Stellung hatte der Arbeitnehmer im Betrieb (eventuell Vorbildfunktion)? Gab es schon einschlägige Abmahnungen?. Bei leichteren Verfehlungen in privaten Chats steht nicht gleich die fristlose Kündigung im Raum. Hier kann oft eine Abmahnung die erste Reaktion sein, oder allenfalls eine ordentliche Kündigung mit Kündigungsfrist, falls das Vertrauensverhältnis zwar beschädigt, aber nicht völlig zerstört ist.

Ein Praxisbeispiel: Ein Arbeitnehmer bezeichnete seinen Vorgesetzten in einem privaten Facebook-Chat mit Kollegen als „fettes Schwein“ (durch ein Schweine-Emoji dargestellt). Eine derbe Beleidigung – dennoch entschied das LAG Baden-Württemberg 2016, dass nach 16 Jahren Betriebszugehörigkeit ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig war. Zwar erkannte das Gericht die Äußerung eindeutig als grobe Beleidigung an, die grundsätzlich als Kündigungsgrund geeignet ist. Jedoch hätte der Arbeitgeber hier zunächst eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung aussprechen müssen, statt direkt fristlos zu kündigen – insbesondere weil der Mitarbeiter bis dahin unbeanstandet gearbeitet hatte. Ähnlich wurde in früheren Fällen entschieden, in denen Arbeitnehmer Vorgesetzte als „Idiot“ o.ä. bezeichneten: Solche einfachen Formalbeleidigungen (auch wenn sie strafbar sein mögen) reichen in der Regel nicht für eine fristlose Kündigung aus, zumindest nicht beim ersten Vorfall. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Chance geben, sein Verhalten zu bessern – genau dafür ist die Abmahnung da.

Das heißt umgekehrt nicht, dass solche Beleidigungen folgenlos bleiben: Wiederholt ein Mitarbeiter Beleidigungen trotz Abmahnung, kann selbstverständlich gekündigt werden. Auch kann eine ordentliche (fristgerechte) Kündigung unter Umständen gerechtfertigt sein, wenn zwar eine grobe Respektlosigkeit vorliegt, aber mildernde Umstände (langjährige Betriebszugehörigkeit, Provokation durch andere, etc.) bestehen. Die Verhältnismäßigkeit spielt eine große Rolle. Ein einmaliger Ausrutscher im kleinen Kreis wird anders bewertet als eine fortgesetzte Hetze in größeren Gruppen.

Fazit: Nicht jeder derbe Spruch im privaten Chat zieht sofort den Arbeitsplatzverlust nach sich. Aber Verlassen sollte man sich darauf nicht. Die Grenze des hinnehmbaren Privatverhaltens ist überschritten, sobald strafbare Inhalte, massiver Persönlichkeitsangriff oder illoyales Verhalten ins Spiel kommen. Je extremer die Äußerung und je größer ihr Bezug zum Arbeitsverhältnis, desto eher drohen ernste Konsequenzen – bis hin zur fristlosen Kündigung im Einzelfall.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Abschließend wollen wir einige Gerichtsurteile zusammenfassen, die das Thema veranschaulichen:

  • WhatsApp-Gruppe mit Hassbotschaften (BAG 2023): In einer Chatgruppe von 7 Arbeitskollegen (TUIfly GmbH) äußerte ein Mitarbeiter rassistische, sexistische Beleidigungen und Gewaltaufrufe gegen Vorgesetzte und Kollegen. Ein Chat-Mitglied leitete den Verlauf weiter, der Arbeitgeber kündigte fristlos. Das BAG entschied, dass solch menschenverachtende Pöbeleien eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Eine Vertraulichkeitserwartung bestand hier allenfalls in Ausnahmefällen, da Gruppengröße und Inhalt gegen absolute Vertraulichkeit sprachen. Der gekündigte Mitarbeiter konnte sich also nicht auf den Schutz eines „privaten“ Chats berufen und verlor den Kündigungsschutzprozess.
  • Private Chat-Beleidigung des Chefs (LAG BaWü 2016): Ein Mitarbeiter nannte seinen Vorgesetzten in einem Facebook-Chat mit Kollegen „fettes Schwein“ (per Emoji). Der Arbeitgeber kündigte fristlos. Das Arbeitsgericht und LAG Baden-Württemberg hielten die Kündigung für unwirksam, da nach 16 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Abmahnung fehlte. Zwar sei „fettes Schwein“ eindeutig eine grobe Beleidigung, aber im konkreten Fall erschien die fristlose Kündigung ohne Vorwarnung unverhältnismäßig. Der Arbeitnehmer bekam Recht – ein Hinweis darauf, dass bei weniger extremen Entgleisungen erst mildere Mittel ausgeschöpft werden müssen.
  • Üble Nachrede via WhatsApp (LAG BaWü 2019): Eine Angestellte verbreitete in einer WhatsApp-Nachricht an eine Kollegin das falsche Gerücht, ein ranghoher Mitarbeiter (Vater des Chefs) sei vorbestraft wegen Vergewaltigung. Dieses Gerücht war unwahr. Das LAG bestätigte die fristlose Kündigung, denn die Arbeitnehmerin habe eine strafbare üble Nachrede begangen, was selbst im vertraulichen Zwiegespräch einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt. Der Vertrauensbruch wog so schwer, dass auch die kurze Betriebszugehörigkeit der Klägerin sie nicht retten konnte.
  • Rassistische Chat-Nachrichten an Kollegen (LAG BaWü 2019): Ein langjähriger Mitarbeiter schickte einem türkischen Kollegen fortgesetzt islamfeindliche Texte, Bilder und nannte ihn u.a. „Dreckstürke“. Auch hier erkannte das Gericht die fristlose Kündigung als gerechtfertigt an. Solche Nachrichten sind „grobe Beleidigungen“ und klar außerhalb zulässiger Meinungsäußerung, sodass der Arbeitgeber nicht bis zur nächsten Beleidung warten muss – er durfte sofort handeln.

Diese Beispiele zeigen eine Tendenz: Je nach Schweregrad der Äußerung und konkreter Situation entscheiden Gerichte mal zugunsten des Arbeitnehmers, mal des Arbeitgebers. Insgesamt wird aber deutlich, dass private Chats kein Freibrief für enthemmtes Verhalten sind. Insbesondere bei rassistischer Hetze, schweren Beleidigungen oder Verleumdungen kennen die Gerichte wenig Nachsicht – hier droht sofort der Rauswurf. Bei weniger gravierenden Fällen (einmalige Ausrutscher, moderate Beschimpfungen) bestehen eher Chancen, mit einem blauen Auge (Abmahnung) davonzukommen. Die Abwägung im Einzelfall ist maßgeblich.

Praxistipps: So verhalten Sie sich rechtssicher in privaten Chats

Wie können Sie als Arbeitnehmer verhindern, durch private Nachrichten in Schwierigkeiten zu geraten? Hier einige Tipps zum vorsichtigen Umgang mit Messenger-Chats:

  • Chats sind nicht 100% privat: Seien Sie sich bewusst, dass auch geschlossene Chatgruppen keinen völligen Schutz vor Konsequenzen bieten. Inhalte können weitergeleitet, gespeichert oder Screenshots gemacht werden. Der digitale Raum ist kein rechtsfreier Raum – extreme Äußerungen können ans Tageslicht kommen und arbeitsrechtlich relevant werden. Trennen Sie Privates und Berufliches möglichst klar und gehen Sie kein Risiko ein, dass problematische Aussagen den Arbeitgeber erreichen.
  • Vorsicht bei abfälligen Bemerkungen: Überlegen Sie zweimal, bevor Sie über Vorgesetzte oder Kollegen lästern – besonders schriftlich. Was man im Affekt in die Tastatur tippt, bleibt schwarz auf weiß stehen und kann später gegen einen verwendet werden. Bezeichnungen wie „Idiot“, „Faulpelz“ oder schlimmere Schimpfwörter sollten tabu sein. Wenn solche Chats offenbart werden, steht schnell der Vorwurf der Beleidigung im Raum. Faustregel: Schreiben Sie nichts über jemanden, das Sie nicht auch bereit wären, der Person ins Gesicht zu sagen (und selbst das wäre heikel).
  • Keine Gerüchteküche im Messenger: Verzichten Sie darauf, ungeprüfte Behauptungen oder Klatsch über Kollegen und Vorgesetzte in Chats zu verbreiten. Gerade strafrechtliche Anschuldigungen (z.B. jemand sei ein Verbrecher o.Ä.) sind äußerst gefährlich – stellen sie sich als falsch heraus, haben Sie möglicherweise bereits eine üble Nachrede begangen. So etwas kann Ihren Job kosten. Halbwahrheiten oder Hörensagen sollte man nicht weiterverbreiten. Im Zweifel: Fragen Sie die betreffende Person direkt oder lassen Sie es ganz bleiben.
  • Null Toleranz für Hass und Diskriminierung: Rassistische, fremdenfeindliche, sexistische oder menschenverachtende Inhalte gehören nicht in Chats. Selbst wenn Sie glauben, „unter sich“ zu sein oder es sei nur Spaß – solche Inhalte sind nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt. Sie können Kollegen tief verletzen und sind auch strafrechtlich relevant. Verfassen oder teilen Sie keine derartigen Nachrichten. Arbeitgeber reagieren hier zu Recht empfindlich: Wer hetzt oder andere aufgrund geschützter Merkmale beleidigt, muss mit fristloser Kündigung rechnen. Also: Finger weg von irgendwelchen „Witzchen“ auf Kosten von Minderheiten oder Kollegen!
  • Keine Betriebsgeheimnisse preisgeben: Behandeln Sie betriebliche Informationen in Chats vertraulich. Dienstliche Interna sollten nicht an Dritte weitergegeben werden – auch nicht an Freunde oder ehemalige Kollegen, sofern diese nicht mehr zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Beispiele: Kundendaten, Produktionsrezepte, interne Strategien oder noch nicht öffentliche Pläne des Unternehmens. Leiten Sie keine E-Mails, Dokumente oder Screenshots mit vertraulichem Inhalt privat weiter. Das wäre ein klarer Loyalitätsverstoß und kann eine Kündigung nach sich ziehen. Wenn Sie sich unsicher sind, ob etwas vertraulich ist, behandeln Sie es lieber so, als wäre es vertraulich.
  • Gruppenchats: Teilnehmerkreis beachten: In Gruppen mit vielen Teilnehmern (besonders wenn darunter Leute sind, die Sie nicht sehr gut kennen), sollten Sie besonders aufpassen, was Sie schreiben. Je größer die Runde, desto höher das Leck-Risiko. Treffen Sie keine abfälligen Aussagen in Gruppen-Chats, die Sie nicht auch öffentlich vertreten könnten. Bedenken Sie: Die Erwartung, dass alles vertraulich bleibt, ist nur in sehr engem, vertrauensvollem Kreis berechtigt. Schon wenn jemand aus der Gruppe austritt oder neue Mitglieder dazukommen, verändert sich die Vertrauensbasis. Wahren Sie daher im Zweifel einen höflichen und professionellen Ton, selbst in semi-privaten Gruppen mit Kollegen.
  • Im Zweifel: mündlich statt schriftlich: Was man nicht schriftlich festhält, kann später nicht zitiert werden. Wenn Sie wirklich Dampf ablassen müssen, tun Sie das lieber im direkten persönlichen Gespräch mit einer Vertrauensperson als in einem Chat. Gesprochene Worte im kleinen Kreis verpuffen meist, während Chatnachrichten protokolliert und auch nach Wochen noch abrufbar sind. Natürlich sollten Sie auch mündlich niemanden beleidigen oder Gerüchte streuen – aber die Gefahr eines „Beweisprotokolls“ ist bei flüchtigen mündlichen Äußerungen geringer.

Zum Schluss: Nutzen Sie die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation verantwortungsbewusst. Private Chats sind toll, um sich auszutauschen – doch sie verleiten auch dazu, Dinge unbedacht zu äußern, die man später bereut. Als Arbeitnehmer sollten Sie immer bedenken, dass Sie Teil eines Vertragsverhältnisses mit Loyalitätspflichten sind. Halten Sie sich an ein einfaches Prinzip: Was nicht in Ordnung wäre, laut im Büro zu sagen, sollten Sie auch nicht in einem Chat schreiben. Dann brauchen Sie in aller Regel keine Kündigung wegen Privatchats zu fürchten.