Die rechtskräftige Einstufung der Bundes-AfD als gesichert rechtsextrem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die dienst- und disziplinarrechtliche Bewertung von AfD-Parteimitgliedschaften im öffentlichen Dienst erheblich verschärft. Dennoch stellt die Parteimitgliedschaft an sich keinen automatischen Entlassungsgrund dar, da die Parteienfreiheit gemäß Art. 21 GG auch für Beamte gilt. Maßgeblich ist vielmehr das konkrete dienstliche und außerdienstliche Verhalten im Hinblick auf die Verfassungstreuepflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG und § 33 BeamtStG, insbesondere jede aktive Unterstützung oder Billigung verfassungsfeindlicher Inhalte. Disziplinarverfahren können bei groben Verstößen bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 BDG) führen, wobei exponierte Funktionen (Lehrer, Polizei, Justiz) aufgrund erhöhter Neutralitäts- und Treueanforderungen besonders sensibel sind.
Gesetzliche Grundlagen
Verfassungstreuepflicht
Art. 33 Abs. 5 GG normiert die „Verpflichtung aller Staatsangehörigen, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“. Diese „Verfassungstreuepflicht“ bindet Beamte während und außerhalb des Dienstes.
konkretisierung im Beamtenstatusgesetz
§ 33 BeamtStG verlangt von Beamten „Mäßigung und Zurückhaltung“ in politischer Betätigung, um das Vertrauen der Allgemeinheit nicht zu gefährden. Die Landesbeamtengesetze enthalten vergleichbare Regelungen.
Disziplinarrechtliche Folgewirkungen
Nach § 13 Bundesdisziplinargesetz (BDG) kann ein Dienstvergehen mit Maßnahmen von der Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst geahndet werden. Die Härte der Maßnahme richtet sich nach der Schwere des Verstoßes und dem beeinträchtigten Vertrauensverhältnis.
Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“
Das Bundesamt für Verfassungsschutz begründete die Einstufung vor allem mit der dokumentierten Ablehnung der Menschenwürdegarantie sowie der Verbreitung völkisch-nationalistischer und rassistischer Positionen innerhalb der AfD. Die Entscheidung stützt sich auf umfangreiche Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und macht die AfD für alle Verwaltungsakte, die eine Bewertung extremistischer Bestrebungen voraussetzen, zu einem eindeutig als verfassungsfeindlich zu behandelnden Akteur.
Parteimitgliedschaft allein: Kein automatischer Entlassungsgrund
Die Parteienfreiheit nach Art. 21 GG schützt auch Beamte in ihrer Mitgliedschaft. Solange die AfD nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten ist, ist eine Mitgliedschaft alleine nicht sanktionierbar. Das BMI betont in seinen Dienstanweisungen, dass Parteimitgliedschaft grundsätzlich zulässig ist, selbst bei beobachteten oder extremistischer Parteien.
Aktive Beteiligung und öffentliche Äußerungen
Aktive Betätigung
Die bloße Mitgliedschaft wird überschritten, wenn Beamte aktiv Parteiämter bekleiden, Wahlkämpfe unterstützen oder verfassungsfeindliche Programme öffentlich propagieren. Hier kann eine Verletzung der Verfassungstreuepflicht angenommen werden – mit disziplinarrechtlichen Folgen bis zur Entfernung aus dem Dienst gemäß § 13 Abs. 2 BDG.
Öffentlichkeitswirksame Äußerungen
Beamte, die auf Social-Media-Plattformen oder in öffentlichen Reden verfassungsfeindliche Inhalte verbreiten oder billigen, verletzen ihre Neutralitätspflicht und riskieren Disziplinarmaßnahmen. Das VG Düsseldorf hat jüngst einen Polizeibeamten entlassen, der sich in sozialen Medien wiederholt verfassungsfeindlich äußerte (Az. 13 K 4765/20.O).
Wahlbekenntnis und Wahlgeheimnis
Das Wahlgeheimnis schützt private Wahlentscheidungen, auch von Beamten. Ein reines Bekenntnis zur AfD-Stimmabgabe ohne Begleitung extremistischer Inhalte ist daher nicht sanktionierbar. Wiederholte öffentliche Sympathiebekundungen können jedoch Zweifel an der Verfassungstreue begründen und Anlass für ein Disziplinarverfahren geben.
Gerichtliche Praxis und Präzedenzfälle
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BVerwG, 25. November 2010 – 2 C 16.09: Entfernung eines Lehrers wegen NPD-Mitgliedschaft und Propagierung verfassungsfeindlicher Inhalte – Verdeutlichung der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Verfassungstreuepflicht.
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VG Düsseldorf, 21. Oktober 2021 – 13 K 4765/20.O: Entlassung eines Polizeibeamten nach wiederholten verfassungsfeindlichen Äußerungen im Internet.
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BVerwG, Beschl. v. 4. April 2019 – 2 B 32.18: Außerdienstliches Dienstvergehen rechtfertigte in Ausnahmefällen Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung.
Besondere Anforderungen in sensiblen Funktionen
Beamte in exponierten Bereichen (Polizei, Justiz, Verfassungsschutz, Unterricht) unterliegen besonders strengen Anforderungen an Neutralität und Verfassungstreue. Bereits die Zugehörigkeit zu extremistischen Strömungen innerhalb der AfD (etwa „Der Flügel“) kann hier dienstrechtlich relevant sein.
Aktuelle Legislative Entwicklungen
Ein Gesetzentwurf im Bundestag sieht eine Beschleunigung von Disziplinarverfahren gegen Extremisten vor, um „finanzielle Fehlanreize“ zu beseitigen und die Befugnisse der Disziplinarbehörden zu stärken. Beamte können künftig schlechter Verzögerungstaktiken anwenden, um Bezüge bis zur Rechtskraft einer Entfernung zu sichern.
Handlungsempfehlungen
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Einzelfallprüfung: Jede Parteimitgliedschaft AfD-Mitgliedschaft erfordert eine individuelle Bewertung von Verhalten und Funktion.
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Verzicht auf öffentliche Extremismenäußerungen: Schon Sympathiebekundungen in öffentlichen Foren können disziplinarisch relevant werden.
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Frühzeitige Rechtsberatung: Bei Ankündigung eines Disziplinarverfahrens oder dienstrechtlichen Ermittlungen sollte unverzüglich spezialisierter Rat eingeholt werden.
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Dokumentation: Bewahren Sie dienstliche und private Kommunikation sorgfältig auf, um Ihren Treueverstoßstatus im Zweifelsfall abwehren zu können.