Kostenentscheidung zu Lasten der Mutter des Kindes in einem Kindesunterhaltsverfahren, in dem sie als Vertreterin für dieses handelte, ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 1019/22 entschieden, dass eine Kostenentscheidung zu Lasten der Mutter des Kindes in einem Kindesunterhaltsverfahren, in dem sie als Vertreterin für dieses handelte, verfassungswidrig ist.

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter eines 2016 geborenen Sohnes. Sie war nicht mit dem Vater verheiratet. Das Sorgerecht üben die Eltern gemeinsam aus. Die Umgangskontakte des Sohnes mit den Eltern sind durch Entscheidung des Oberlandesgerichts aus dem Jahr 2019 dergestalt geregelt, dass der Vater Umgang mit seinem Sohn von Sonntagmorgen, 9 Uhr, bis Mittwochmorgen, 8 Uhr hat, dementsprechend die Beschwerdeführerin in der übrigen Zeit. In seiner Umgangsentscheidung bezeichnete das Oberlandesgericht dies als paritätisches Wechselmodell.

Im Ausgangsverfahren machte der Sohn, nach seinem Vorbringen gesetzlich durch die Beschwerdeführerin vertreten, gegen den Vater näher bezifferten Mindestunterhalt sowie Unterhaltsrückstände geltend. Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Vertretung durch die Mutter lägen vor, weil ihr Betreuungsumfang mit 55,36 % höher sei als der des Vaters und damit bei ihr die Hauptverantwortung liege, weshalb der Vater allein barunterhaltspflichtig sei. Dem trat der Vater unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts zum Umgangsrecht mit der Einordnung der geregelten Betreuung als paritätisches Wechselmodell entgegen. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB gelte daher nicht, so dass die Beschwerdeführerin den Sohn im Unterhaltsverfahren nicht vertreten könne.

Das Familiengericht hatte den Vater in geringerem Umfang als beantragt zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts sowie rückständigen Unterhalts verurteilt und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen. Sie seien zulässig. Die Vertretungsbefugnis der Beschwerdeführerin folge aus § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Sohn befinde sich in ihrer Obhut im Sinne der genannten Vorschrift. Dafür reiche aus, dass der Anteil eines Elternteils an der Betreuung und Versorgung des Kindes den Anteil des anderen Elternteils nur geringfügig übersteige, was vorliegend der Fall sei. Ohne Berücksichtigung der Fremdbetreuung durch den Kindergarten entspreche die Betreuungsquote des Vaters 45 % und der Beschwerdeführerin 55 %. Folglich übersteige ihre Betreuungsquote die des Vaters. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein echtes Wechselmodell vorliege, komme es auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Angesichts der tatsächlichen Betreuungszeiten könne ungeachtet der Ausführungen des Oberlandesgerichts in dessen Beschluss zum Umgangsrecht nicht von einem echten Wechselmodell ausgegangen werden.

Gegen diese Entscheidung legte der Vater Beschwerde ein und machte unter anderem erneut geltend, die Beschwerdeführerin könne den Sohn nicht wirksam vertreten. Zugleich stellte er einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss des Familiengerichts.

Mit Beschluss vom 12. November 2021 stellte das Oberlandesgericht die Zwangsvollstreckung einstweilen ein. Der Antrag auf Gewährung von Unterhalt sei unzulässig, weil der Sohn nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Er befinde sich nicht im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Obhut der Beschwerdeführerin, weil zwischen den Eltern ein paritätisches Wechselmodell praktiziert werde. Abgesehen davon, dass dies im Beschluss des Oberlandesgerichts zum Umgangsrecht angeordnet worden sei und sich der Sohn nach wie vor in den im Beschluss genannten Zeiten beim Vater aufhalte, komme es vorliegend nicht entscheidend auf die Quantität, sondern auf die Qualität der elterlichen Betreuungsleistungen an, weil mit Rücksicht auf das damalige Alter des Sohnes von einem wöchentlichen Wechsel abgesehen worden sei und die Anzahl der Wochentage naturgemäß eine exakte Halbteilung nicht zulasse. Auch die Beschwerdeführerin sei ausweislich eines außergerichtlichen Schreibens vom Juni 2020, mit dem sie nur anteiligen Mindestunterhalt für den Sohn geltend gemacht habe, von einem paritätischen Wechselmodell ausgegangen.

Nachfolgend wies das Oberlandesgericht durch Verfügung der Berichterstatterin vom 2. Dezember 2021 darauf hin, dass – wenn der Antrag nicht zurückgenommen werde – beabsichtigt sei, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Zur Entscheidung über die Kosten verhielt sich die Verfügung nicht.

Das Oberlandesgericht wies mit angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2022 unter Abänderung der familiengerichtlichen Entscheidung die Anträge des Sohns als unzulässig ab. Die Verfahrenskosten beider Instanzen legte es der Beschwerdeführerin auf. Die Anträge seien unzulässig, weil die Beschwerdeführerin den Sohn nicht nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB allein habe vertreten können. Zwischen den Eltern werde ein paritätisches Wechselmodell praktiziert, weshalb sich der Sohn nicht, wie von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB verlangt, in der Obhut der Beschwerdeführerin befinde. Im Übrigen wiederholte das Oberlandesgericht seine Ausführungen aus dem Beschluss vom 12. November 2021.

Zu der Kostenentscheidung führte es aus, dass diese auf § 243 Satz 2 Nr. 1 FamFG beruhe. Bei einer wie hier fehlenden wirksamen Vertretung seien die Verfahrenskosten demjenigen aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst habe. Insoweit bezog sich das Oberlandesgericht auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – III ZB 60/16 -, Rn. 10). Veranlasserin in diesem Sinne sei vorliegend die Beschwerdeführerin, welcher der Mangel der Vertretungsbefugnis aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts zum Umgangsrecht bekannt gewesen sei.

Gegen die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts erhob die Beschwerdeführerin eine Anhörungsrüge. Insoweit handele es sich um eine Überraschungsentscheidung. Das Gericht habe weder die Beteiligten des Ausgangsverfahrens noch die nicht beteiligte Beschwerdeführerin zuvor darauf hingewiesen, dass eine derartige Kostenentscheidung beabsichtigt sei. Ein vorheriger Hinweis sei geboten gewesen, weil auch in der Beschwerdeschrift kein Kostenantrag gestellt worden sei und das Gericht nicht auf Gesichtspunkte habe abstellen dürfen, mit denen eine Prozesspartei nicht habe rechnen müssen. Der Verweis des Oberlandesgerichts auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei im Hinblick auf die nicht ansatzweise vergleichbare Fallgestaltung abseitig. An einem Verschulden der Beschwerdeführerin fehle es bereits wegen der stattgebenden Entscheidung des Familiengerichts auf den Antrag des durch sie vertretenen Sohns.

Die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 17. März 2022 zurück. Ihr Vorbringen, dass es sich um eine Überraschungsentscheidung handele, sei nicht entscheidungserheblich. Für den Fall der Unterlassung eines notwendigen Hinweises setze die Beruhensprüfung Vortrag dazu voraus, welcher erhebliche Vortrag für den Fall eines Hinweises gehalten worden wäre, sodass die Möglichkeit bestanden hätte, dass das Gericht zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Daran fehle es vorliegend. Die Kostenentscheidung sei auch von Amts wegen zu treffen, weshalb es keines Antrags bedürfe. Wer in Kenntnis des Fehlens seiner gesetzlichen Vertretungsmacht als gesetzlicher Vertreter auftrete, trage die Kosten des Verfahrens persönlich nach dem Veranlasserprinzip. Insoweit bezog sich das Gericht auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1. Februar 1996 – 2 WF 155/95 u.a. -, FamRZ 1996, S. 1335).

Obwohl sich die Beschwerdeführerin ausschließlich gegen die sie belastende Kostenentscheidung des Ausgangsverfahrens wendet, fehlt ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde.

Zwar ist es nach fast allen Verfahrensordnungen unzulässig, die Entscheidungen über die Kosten anzufechten, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (siehe etwa § 99 Abs. 1 ZPO; § 158 Abs. 1 VwGO). Auf diese Verfahrensregelungen greift das Bundesverfassungsgericht auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zurück und hält im Grundsatz eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Gerichtsentscheidung im Allgemeinen dann für unzulässig, wenn der Beschwerdeführer nicht (mehr) durch die Entscheidung in der Hauptsache, sondern nur noch durch die Nebenentscheidung über die Kosten belastet wird (vgl. BVerfGE 33, 247 <256 ff.>; 75, 318 <325>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2020 – 1 BvR 596/17 -, Rn. 9). Dieser Grundsatz ist für Fälle entwickelt worden, in denen der Beschwerdeangriff die Entscheidung in der Hauptsache betraf, als Angriffsziel aber nur noch die Kostenentscheidung verblieben war, weil die in der Hauptsacheentscheidung enthaltene Beschwer durch Erledigung nachträglich weggefallen war. Für solche Fälle findet der genannte Grundsatz seine Rechtfertigung in der Erwägung, dass nicht allein wegen der Kostenentscheidung das Verfahren fortgesetzt und Überlegungen zur Hauptsache angestellt werden sollen (vgl. BVerfGE 33, 247 < 261 f.> m. w. N.; 74, 78 <89>).

Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht, wenn der behauptete Verfassungsverstoß sich ausschließlich auf die Kostenentscheidung bezieht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2020 – 1 BvR 596/17 -, Rn. 9). Die verfassungsrechtliche Überprüfung ist danach auf diesen Ausspruch beschränkt und erstreckt sich nicht auf die damit verbundene Entscheidung in der Hauptsache (vgl. BVerfGE 74, 78 <90>). In einem solchen Fall ist das Rechtsschutzbedürfnis für den Angriff nur gegen die Kostenentscheidung gegeben, weil ansonsten der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz lückenhaft wäre, denn der Betroffene hätte dann keine Möglichkeit, sich gegen eine selbständig in der Kostenentscheidung enthaltene Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte zur Wehr zu setzen (vgl. BVerfGE 74, 78 <90>). Das Ausmaß der Beschwer durch eine Kostenentscheidung kann auch nicht generell als so geringfügig angesehen werden, dass es unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt wäre, Kostenentscheidungen von der verfassungsgerichtlichen Überprüfung auszuschließen. Die Beschwer durch eine Kostenentscheidung wird zwar regelmäßig hinter derjenigen durch die Hauptsacheentscheidung in demselben Verfahren zurückbleiben. Absolut gesehen gibt es jedoch keinen Wesensunterschied zwischen der wirtschaftlichen Belastung durch eine Kostenentscheidung und derjenigen durch eine Hauptsacheentscheidung (vgl. BVerfGE 74, 78 <90 f.>).

Hier hat die Beschwerdeführerin zulässigerweise nur die Kostenentscheidung angegriffen, weil sie einen Verfassungsverstoß gerade in dieser Kostenentscheidung zu ihren Lasten ohne einen darauf bezogenen vorherigen gerichtlichen Hinweis sieht. Zudem war sie im Ausgangsverfahren, das Unterhaltsansprüche ihres Sohns gegen dessen Vater zum Gegenstand hatte, über die – in ihrer Wirksamkeit dort kontrovers beurteilte – Vertretung des Sohns hinaus nicht beteiligt. Eine Verletzung in eigenen Grundrechten durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts über den Antrag auf Gewährung von Kindesunterhalt in der Sache dürfte daher ohnehin nicht möglich gewesen sein.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die im Beschluss vom 15. Februar 2022 getroffene Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Kostentragung in beiden Instanzen verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Auf die Verletzung der ferner gerügten Grundrechte kommt es daher nicht mehr an.

Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör enthält Anforderungen an das gerichtliche Verfahren, die aus dem Rechtsstaatsgedanken resultieren (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2020 – 1 BvR 596/17 -, Rn. 10). Die Einzelnen sollen nicht lediglich Objekte einer gerichtlichen Entscheidung sein, sondern vor einer ihre Rechte betreffenden Entscheidung zu Wort kommen, um als Subjekte Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 107, 395 <409> m.w.N.). Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör steht nicht allein den an einem gerichtlichen Verfahren förmlich Beteiligten, sondern allen zu, die durch Gerichtsentscheidungen unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt werden. Außer den am Prozess förmlich Beteiligten können dies auch diejenigen sein, gegenüber denen die gerichtliche Entscheidung materiell-rechtlich wirkt (vgl. BVerfGE 60, 7 <13>).

Das Gebot rechtlichen Gehörs gewährt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, im Verfahren zu Wort zu kommen, Anträge zu stellen und Ausführungen zu dem in Rede stehenden Sachverhalt, den Beweisergebnissen sowie zur Rechtslage zu machen (vgl. BVerfGE 83, 24 <35>; 86, 133 <144>; stRspr). Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet auch den Schutz vor Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410>; BVerfGK 14, 455 <456>; stRspr). Da die Beteiligten nach Art. 103 Abs. 1 GG Gelegenheit erhalten sollen, sich zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, den Beweisergebnissen und den Rechtsauffassungen vor Erlass der Entscheidung zu äußern, setzt eine den verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügende Gewährung rechtlichen Gehörs voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>). Es kann daher der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Dabei statuiert Art. 103 Abs. 1 GG zwar keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. BVerfGE 66, 116 <147>; 84, 188 <190>). Die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens müssen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und ihren Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfGE 86, 133 <145>; 98, 218 <263>). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann anzunehmen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter auch unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>; 86, 133 <144 f.>; 98, 218 <263>; stRspr).

Bei Anlegen dieser Maßstäbe hat das Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es ihr in seinem Beschluss vom 15. Februar 2022 die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen auferlegt hat, ohne zuvor auf eine solche Kostentragung hingewiesen zu haben. Der Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist im Verfahren über die von der Beschwerdeführerin erhobene Anhörungsrüge nicht geheilt worden.

Obwohl die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren nicht förmlich Beteiligte war, sondern lediglich als (gesetzliche) Vertreterin ihres Sohns handelte, musste das Oberlandesgericht bei der zu ihren Lasten gehenden Kostenentscheidung ihren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG auf rechtliches Gehör beachten. Lässt das Fachrecht unter bestimmten Voraussetzungen zu, Kosten des Verfahrens auch nicht förmlich Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen, kommt die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ihnen nicht anders zu Gute, als dies bei denjenigen der Fall ist, gegenüber denen die gerichtliche Entscheidung auch ohne förmliche Beteiligung am Verfahren materiell-rechtlich wirkt.

Die Auferlegung der Verfahrenskosten beider Instanzen erweist sich für die Beschwerdeführerin als gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßende Überraschungsentscheidung. Ohne einen entsprechenden Hinweis des Oberlandesgerichts musste sie als am Ausgangsverfahren nicht förmlich Beteiligte damit auf der Grundlage der bislang vertretenen Rechtsauffassungen und des dem Beschluss vom 15. Februar 2022 vorausgegangenen Prozessverlaufs ungeachtet der mehrfach geäußerten Ansicht des Oberlandesgerichts vom Fehlen einer wirksamen Vertretung ihres Sohns nicht rechnen.

Zwar ist fachrechtlich über den vorliegend wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht anwendbaren § 81 Abs. 4 FamFG hinaus ausnahmsweise eine Kostentragung durch Dritte als Veranlasser auch in ungeschriebenen Fällen anerkannt. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa bei Fehlen einer wirksamen Bevollmächtigung nach dem sogenannten Veranlasserprinzip die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat, wenn das Verfahren nicht von dem Vertretenen veranlasst wurde und der als Vertreter Handelnde den Mangel der Vollmacht kannte; bloße Fahrlässigkeit steht dabei der Kenntnis nicht gleich (vgl. BGHZ 121, 397 <399 ff.>; BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – III ZB 60/16 -, Rn. 10 m.w.N.). Solche ungeschriebenen Konstellationen der Kostentragung durch Dritte, am Verfahren nicht förmlich Beteiligte wurden bislang – soweit ersichtlich – nahezu ausschließlich für rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung entschieden, in denen der Vertreter von der unwirksamen Vollmacht wusste (Kostenauferlegung dem vollmachtlosen Rechtsanwalt: vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. November 1953 – IV ZR 127/53 -; vom 4. Dezember 1974 – VIII ZB 30/74 -, juris, Rn. 6 und vom 18. November 1982 – III ZR 113/79 -, juris, Rn. 8; Kostenauferlegung dem vollmachtlosen Gesellschafter: BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1981 – II ZR 71/81 -, juris, Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – III ZB 60/16 -, Rn. 11 ff.: keine Kostenauferlegung bei wirksamer Vollmacht zur Klageerhebung).

Die Beschwerdeführerin musste trotz dieser Rechtsprechung zur Kostentragung von Dritten nach dem Veranlasserprinzip vorliegend ohne vorherigen Hinweis des Oberlandesgerichts nicht damit rechnen, dass ihr die Verfahrenskosten auferlegt würden. In seinem Beschluss vom 12. November 2021 sowie der Berichterstatterverfügung vom 2. Dezember 2021 hatte das Oberlandesgericht lediglich zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer gesetzlichen Alleinvertretung auf der Grundlage von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vorlägen. Daraus allein musste die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der zum Fachrecht vertretenen Rechtsauffassungen und des vorangegangenen Verfahrensverlaufs aber nicht den Schluss ziehen, als zur Vertretung des Sohns nicht Berechtigte mit den Verfahrenskosten belastet zu werden.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Kostentragung Dritter nach dem Veranlasserprinzip (Rn. 27) betraf soweit ersichtlich lediglich Konstellationen vollmachtloser Vertreter, denen das Fehlen ihrer Bevollmächtigung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens positiv bekannt war. Die Grundsätze des Veranlasserprinzips scheinen auf die Konstellation der gesetzlichen Vertretung im Eltern-Kind-Verhältnis bislang lediglich in einer Fallgestaltung angewendet worden zu sein, in der der als gesetzlicher Vertreter auftretende Elternteil – anders als vorliegend – gar kein Sorgerecht innehatte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 1. Februar 1996 – 2 WF 155/95 u.a. -, FamRZ 1996, S. 1335). Auch auf diese Entscheidung hatte das Oberlandesgericht die Beschwerdeführerin vor Ergehen des angegriffenen Beschlusses vom 15. Februar 2022 nicht hingewiesen.

Selbst wenn von der Beschwerdeführerin nach den zu Art. 103 Abs. 1 GG geltenden Maßstäben Kenntnis der vorgenannten Entscheidung hätte erwartet werden können, bedurfte es zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eines vorherigen Hinweises, dass beabsichtigt sei, ihr auf der Grundlage des Veranlasserprinzips die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen. Ohne einen solchen Hinweis war für sie nicht erwartbar, dass das Oberlandesgericht die Grundsätze des Veranlasserprinzips auf den mitsorgeberechtigten Elternteil anwenden würde, der Unterhalt zugunsten des Kindes gegen den anderen Elternteil als gesetzlicher Vertreter nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB geltend macht. Weder scheint für die hier vorliegende Konstellation gesetzlicher Vertretung eine solche Anwendung in der veröffentlichten Rechtsprechung erfolgt zu sein noch liegen die Voraussetzungen des Veranlasserprinzips derart nahe, dass ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter mit der Kostentragung durch den Vertreter hätte rechnen müssen.

Zum einen kann in Fällen eines wie auch immer gearteten Wechselmodells nicht davon ausgegangen werden, dass der als gesetzlicher Vertreter handelnde Elternteil die fehlende Vertretungsmacht positiv kennt. Denn in den Wechselmodellfällen ist zu bewerten, ob das Kind im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Obhut eines Elternteils ist. Das Fehlen einer solchen Obhut nimmt der Bundesgerichtshof dann an, wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – XII ZB 234/13 -, Rn. 16). Welche quantitativen oder qualitativen Anteile für die rechtliche Bewertung erforderlich sind, ob eine Obhut eines Elternteils noch oder nicht mehr gegeben ist, wird bislang kontrovers beurteilt (vgl. Amend-Traut, in: BeckOGK, Stand 15. August 2022, § 1629 Rn. 83 m.w.N.). Wenn aber – wie vorliegend – ein Fall gegeben ist, in dem die Annahme der Obhut des Kindes bei der Beschwerdeführerin in den beiden Instanzen unterschiedlich beurteilt worden ist und in dem bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs („in etwa gleich langen Phasen“) eine von der Einschätzung des Oberlandesgerichts abweichende Bewertung der Obhut des Kindes bei der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen erscheint, kann bei ihr nicht vom Vorliegen der Kenntnis einer unwirksamen gesetzlichen Vollmacht ausgegangen werden. Die Kenntnis der fehlenden oder unwirksamen Vertretungsmacht ist aber in allen zum Veranlasserprinzip bislang entschiedenen Fällen Voraussetzung für die Haftung des Dritten (vgl. BGHZ 121, 397 <400 f.>).

Zum anderen wird in Kindesunterhaltsfällen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden können, dass das Verfahren in keiner Weise vom Vertretenen, also dem Kind, veranlasst wurde. Denn geltend gemacht wird der Kindesunterhalt im Interesse des Kindes. Auch wenn der Elternteil das Kind nicht kraft der gesetzlichen Regelung des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB vertreten kann, sondern in Fällen des Wechselmodells ein Ergänzungspfleger bestellt oder einem Elternteil das Recht zur Geltendmachung von Kindesunterhalt nach § 1628 BGB übertragen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – XII ZB 234/13 -, Rn. 16), wird der Kindesunterhaltsanspruch fremdnützig für das Kind geltend gemacht. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich damit von den Fällen, in denen der Vertretene weder Kenntnis noch Nutzen von der Vertretung hat. Im Übrigen hat das Kind als materiell Anspruchsberechtigter auch in Fällen des paritätischen Wechselmodells einen – wenn auch geringeren – Unterhaltsanspruch gegen beide Elternteile.

Angesichts dieser Unterschiede zwischen den in der Rechtsprechung der Zivilgerichte etablierten Konstellationen der Kostentragung durch Dritte nach dem Veranlasserprinzip und der hier vorliegenden Fallgestaltung konnte die Beschwerdeführerin nicht damit rechnen, dass ihr ohne gerichtlichen Hinweis die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Der der Sache nach erteilte Hinweis des Oberlandesgerichts, dass die Beschwerdeführerin wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB den Sohn allein nicht wirksam vertreten könne, genügte als Unterrichtung über die ausgesprochene Kostenfolge nicht. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2022 stellt daher im Kostenpunkt eine Überraschungsentscheidung dar.

Der angegriffene Beschluss beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung über die Verfahrenskosten getroffen hätte. § 243 Satz 1 FamFG stellt die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung könnte auch berücksichtigt werden, dass der Vater gar keinen Kindesunterhalt gezahlt hat und möglicherweise auch das Kind als unterlegener Verfahrensbeteiligter zur Tragung anteiliger Kosten hätte verpflichtet werden können.

Die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ist im Verfahren über ihre Anhörungsrüge nicht geheilt worden. Mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwänden, dass die Voraussetzungen einer Kostentragung nach dem Veranlasserprinzip nicht vorliegen und sie auf eine Kostentragung nicht zuvor hingewiesen worden sei, setzt sich der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 17. März 2022 über die Anhörungsrüge nicht auseinander.