Kostenerstattung nach Fehldiagnose bei objektiv rechtswidriger Leistungsablehnung durch Krankenkasse

26. Oktober 2020 -

Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt hat am 10.09.2020 zum Aktenzeichen L 8 KR 687/18 entschieden, dass die Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte Immunglobulin-Therapie erstatten muss, auch wenn die behandelnden Ärzte zunächst fehlerhaft eine Krankheit diagnostiziert hatten, die eine Leistungsablehnung seitens der Krankenkasse gerechtfertigt hätte.

Aus der Pressemitteilung des Hess. LSG Nr. 15/2020 vom 26.10.2020 ergibt sich:

Ein 66-jähriger Versicherter leidet an einer multimodalen Sensibilitätsstörung der unteren Extremitäten. Zunächst wurde eine Ganglionitis diagnostiziert, die mittels Immunglobulinen im Rahmen eines „Off-label-use“ (Einsatz von Medikamenten außerhalb des arzneimittelrechtlich zugelassenen Anwendungsbereichs) behandelt werden sollte. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme hierfür ab, weil die Voraussetzungen für einen Off-label-use nicht vorlägen. Der Versicherte ließ sich daraufhin auf eigene Kosten entsprechend behandeln und klagte auf Kostenerstattung. Medizinische Gutachten ergaben, dass keine Ganglionitis, sondern eine autoimmun bedingte Entzündung der Spinalhinterwurzel vorliege. Zur Behandlung dieser Erkrankung seien die verabreichten Immunglobulinen zugelassen. Die Krankenkasse berief sich jedoch darauf, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch eine andere Diagnose erstellt worden sei. Daher habe sie die beantragte Kostenübernahme nicht zu Unrecht abgelehnt.
Das SG Fulda hatte die Klage abgewiesen. Gegen die Entscheidung legte der Versicherte Berufung ein.

Die Berufung war vor dem LSG Darmstadt erfolgreich.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts kann das Urteil des Sozialgerichts nicht aufrechterhalten bleiben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Dieser habe Anspruch auf Erstattung der von ihm verauslagten Kosten der IVIG-Therapie i.H.v. 34.773,35 Euro.

Für die Behandlung der objektiv vorliegenden Erkrankung sei von Anbeginn der Einsatz von Immunglobulinen zugelassen und medizinisch indiziert gewesen. Damit sei die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden.

Die Krankenkasse könne sich insoweit nicht erfolgreich auf Diagnosefehler von Ärzten berufen. Denn dies würde den Verantwortungszusammenhang im System der Gesetzlichen Krankenversicherung „auf den Kopf stellen“.

Das LSG Darmstadt hat die Revision nicht zugelassen.