Kündigung wegen Krankheit? – Wann zu viele Fehltage für Arbeitnehmer zum Problem werden

25. August 2025 -

Häufige oder lange Krankheitsphasen können im Berufsleben zum Problem werden und im Extremfall eine Kündigung nach sich ziehen. Krankheitsbedingte Kündigungen – also Entlassungen wegen langer oder häufiger Erkrankungen – sind in der Arbeitswelt keine Seltenheit. Doch Arbeitnehmer sind nicht schutzlos: Der Gesetzgeber hat hohe Hürden für eine wirksame Kündigung wegen Krankheit vorgesehen, und Betroffene haben Rechte sowie Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Im Folgenden wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung aufgrund von Krankheit überhaupt zulässig ist und wie Arbeitnehmer praktisch dagegen vorgehen können, inklusive Tipps zur Abwehr einer Kündigung, zur Einschaltung des Betriebsrats, zum Ablauf eines Kündigungsschutzprozesses und wichtigen Fristen.

Kündigung wegen Krankheit – Voraussetzungen und Beispiele

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist eine Form der personenbedingten Kündigung. Das bedeutet, der Kündigungsgrund liegt in der Person des Arbeitnehmers – hier in dessen Gesundheitszustand – und nicht in einem Fehlverhalten. Allein die Krankheit an sich ist rechtlich kein Kündigungsgrund, sondern deren Auswirkungen auf den Betrieb müssen so gravierend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Nach der Rechtsprechung sind drei Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung wegen Krankheit erforderlich:

  • Negative Gesundheitsprognose: Zum Kündigungszeitpunkt muss zu erwarten sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig in erheblichem Umfang krankheitsbedingt fehlen wird (z.B. wegen einer chronischen oder immer wiederkehrenden Erkrankung). Eine bloße Vermutung reicht nicht aus – der Arbeitgeber muss konkrete Tatsachen für die ungünstige Zukunftsprognose darlegen.
  • Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung: Die bisherigen und zu erwartenden Fehlzeiten haben den Betrieb bereits erheblich gestört oder führen zu erheblichen Belastungen – etwa Betriebsablaufstörungen oder hohen Lohnfortzahlungskosten. Mit anderen Worten: Die Krankheitszeiten verursachen dem Arbeitgeber spürbare Probleme.
  • Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers: Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegen die Nachteile des Arbeitgebers die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes. Das bedeutet, es muss für den Arbeitgeber unzumutbar sein, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Hier fließen z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter und etwaige Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers mit ein. Je länger jemand im Betrieb war und je älter er ist, desto mehr Rücksicht muss der Arbeitgeber im Regelfall nehmen.

Beispiel (häufige Kurzerkrankungen): Ein Arbeitnehmer fehlte in den letzten 3 Jahren jedes Jahr mehr als 6 Wochen krankheitsbedingt. Sein Arbeitgeber kündigt ihm nun wegen des hohen Krankenstandes. In so einem Fall prüfen die Gerichte zunächst, ob eine negative Zukunftsprognose vorliegt – also ob auch in Zukunft mit überdurchschnittlichen Fehlzeiten gerechnet werden muss. Als Anhaltspunkt gilt: Mehr als 30 Fehltage pro Jahr (≙ 6 Wochen) gelten grundsätzlich als unzumutbar für den Arbeitgeber. Wird der Arbeitnehmer voraussichtlich weiterhin jedes Jahr so lange fehlen, kann diese Prognose die Kündigung stützen. Gelingt es dem Arbeitnehmer jedoch, das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen (z.B. durch ein ärztliches Attest, das eine deutliche Gesundheitsbesserung und weniger Ausfallzeiten in Zukunft bescheinigt), fehlt es an der negativen Prognose und die Kündigung wäre unwirksam. Oft hängen häufige Kurzerkrankungen mit wechselnden Krankheiten zusammen; hier ist zu prüfen, ob ggf. eine chronische Erkrankung vorliegt oder nicht. Einzelne, voneinander unabhängige Krankheiten (z.B. jedes Jahr eine neue Grippe oder Verletzung) begründen eher keine negative Prognose, während wiederkehrende gleichartige Erkrankungen ein Indiz für chronische Leiden sein können.

Beispiel (Langzeiterkrankung): Eine Arbeitnehmerin ist seit über einem Jahr ununterbrochen krankgeschrieben, und es ist kein Ende der Krankheit absehbar. In einem solchen Fall – einer langen andauernden Erkrankung – kann eine personenbedingte Kündigung prinzipiell in Betracht kommen. Die Voraussetzungen wären hier eine sehr schlechte Gesundheitsprognose (keine Rückkehrfähigkeit in absehbarer Zeit) sowie erhebliche betriebliche Auswirkungen, weil die Stelle dauerhaft unbesetzt bleibt oder ständig vertreten werden muss. Ist die Mitarbeiterin jedoch baldige Genesung in Sicht oder könnte sie ggf. an einem anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz eingesetzt werden, wäre eine Kündigung nicht das letzte Mittel (dazu unten mehr zum Ultima-Ratio-Prinzip).

Hinweis: In der Praxis haben sich durch die Rechtsprechung typische Fallgruppen herausgebildet, bei denen krankheitsbedingte Kündigungen vorkommen: Häufige Kurzerkrankungen, langandauernde Erkrankungen sowie dauerhafte Leistungsminderung aufgrund einer Krankheit (etwa wenn die Arbeitsleistung des Mitarbeiters auf Dauer um mindestens ein Drittel reduziert ist und keine andere Einsatzmöglichkeit besteht). Gesetzlich festgelegte Schwellenwerte gibt es dafür zwar nicht, doch dienen die genannten Richtwerte (z.B. 6 Wochen pro Jahr über 2–3 Jahre) als Orientierung in der gerichtlichen Praxis.

Besonderer Kündigungsschutz und Ausnahmen

In Betrieben mit mehr als 10 Mitarbeitern und bei Arbeitsverhältnissen länger als 6 Monate greift das Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Das bedeutet, der Arbeitgeber braucht einen Kündigungsgrund, wenn er einem solchen Arbeitnehmer kündigen will – wie oben dargelegt etwa die personenbedingten Gründe bei Krankheit. Anders hingegen in Kleinbetrieben oder in der Probezeit: In Betrieben mit 10 oder weniger Beschäftigten und in den ersten 6 Monaten eines Arbeitsverhältnisses gilt der allgemeine Kündigungsschutz nur eingeschränkt bzw. gar nicht. Dort kann der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen, solange er die vertragliche/gesetzliche Kündigungsfrist einhält. Für Arbeitnehmer bedeutet dies leider, dass bei häufiger Krankheit in Kleinbetrieben eine Kündigung selbst dann möglich ist, wenn die oben genannten strengen Voraussetzungen nicht vollständig vorliegen – der Arbeitgeber muss den Krankheitsgrund in diesen Fällen nicht beweisen. Dennoch ist eine Kündigung auch im Kleinbetrieb nicht völlig schrankenlos: Sie darf z.B. nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen (etwa das Diskriminierungsverbot aus dem AGG) und nicht willkürlich oder treuwidrig erfolgen. So wäre eine Kündigung unzulässig, wenn sie ausschließlich erfolgt, weil der Mitarbeiter eine anerkannte Behinderung hat – das wäre eine Benachteiligung wegen einer Behinderung.

Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Liegt beim Arbeitnehmer eine anerkannte Schwerbehinderung oder Gleichstellung vor, ist eine krankheitsbedingte Kündigung nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamts möglich. Ohne die Zustimmung des Integrationsamts ist die Kündigung rechtlich unwirksam. Dieser Schutz besteht zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen und gilt auch in Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern. Wichtig: Die Schwerbehinderung muss zum Zeitpunkt der Kündigung festgestellt sein (Bescheid oder Ausweis liegt vor); ist dies noch nicht erfolgt, greift der besondere Kündigungsschutz noch nicht. In der Praxis sind Kündigungen von schwerbehinderten Mitarbeitern wegen Krankheit für Arbeitgeber besonders schwer durchzusetzen, zumal häufig die Behinderung selbst Ursache der Fehlzeiten ist. Betroffene sollten bei einer Kündigung unbedingt ihren Schwerbehindertenstatus anführen – wurde das Integrationsamt nicht ordnungsgemäß beteiligt, kann man sehr erfolgreich gegen die Kündigung vorgehen.

Hinweis: Schwangere und Mütter im Mutterschutz genießen einen nahezu absoluten Kündigungsschutz (§ 17 MuSchG) – eine Kündigung ist hier selbst bei Krankheit unzulässig, es sei denn, es liegt eine behördliche Zulassung vor. Das gilt jedoch unabhängig von krankheitsbedingten Fehlzeiten und ist ein eigenständiger Schutzbereich. Ähnliches gilt während der Elternzeit (§ 18 BEEG). Solche Sonderfälle sollten Betroffene ebenfalls im Hinterkopf haben, auch wenn sie nicht primär mit Krankheit, sondern mit Familienstand zu tun haben.

Keine Abmahnung erforderlich – Krankheit ist kein Fehlverhalten

Anders als bei verhaltensbedingten Kündigungen (z.B. wegen Schlechtleistung oder Fehlverhalten) ist bei einer krankheitsbedingten Kündigung keine vorherige Abmahnung nötig. Der Hintergrund: Eine Abmahnung soll ein steuerbares Fehlverhalten des Arbeitnehmers rügen und ihm Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern – doch Krankheit ist kein steuerbares Verhalten, sondern ein vom Arbeitnehmer unverschuldetes Ereignis. Deshalb wäre eine Abmahnung im Krankheitsfall wirkungslos und wird von den Gerichten nicht verlangt. Für Arbeitnehmer hat das den Nachteil**, dass sie eine drohende Kündigung nicht an einer vorausgehenden Abmahnung erkennen können. In vielen Fällen kommt die Kündigung wegen Krankheit überraschend, ohne dass zuvor eine Warnung ausgesprochen wurde. Es ist daher umso wichtiger, bei längerfristigen oder häufigen Erkrankungen aufmerksam zu sein und – etwa in Personalgesprächen – darauf zu achten, ob der Arbeitgeber das Thema Fehlzeiten problematisiert.

Rolle des Betriebsrats – Anhörung und Widerspruch

Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, muss dieser vor jeder Kündigung ordnungsgemäß angehört werden (§ 102 BetrVG). Das gilt selbstverständlich auch bei einer Kündigung wegen Krankheit. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat die Gründe der geplanten Kündigung mitzuteilen und seine Stellungnahme abzuwarten. Ohne Anhörung des Betriebsrats ist die Kündigung unwirksam – Arbeitnehmer sollten also prüfen, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat beteiligt hat (meist steht im Kündigungsschreiben ein Hinweis hierauf).

Der Betriebsrat kann der Kündigung widersprechen, wenn er sie für unbegründet hält oder Alternativen zur Kündigung sieht. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung könnte der Betriebsrat zum Beispiel vorschlagen, den Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen oder abzuwarten, ob sich sein Gesundheitszustand bessert. Ein Widerspruch muss der Arbeitgeber dem Kündigungsschreiben beifügen. Zwar kann der Arbeitgeber trotz Widerspruch kündigen, doch der begründete Widerspruch gibt dem Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess Rückendeckung. Wichtig: Der Betriebsrat muss seinen Widerspruch innerhalb einer Woche nach Anhörung erklären (§ 102 Abs.3 BetrVG) – seine Mitwirkung ist also zeitlich eng begrenzt. Betroffene Arbeitnehmer sollten ihren Betriebsrat daher frühzeitig informieren, sobald eine Kündigung droht. Der Betriebsrat kann beratend unterstützen und darauf drängen, dass der Arbeitgeber alle milderen Mittel ausschöpft (z.B. Umsetzung an einen leidensgerechten Arbeitsplatz), bevor er kündigt. Zudem sollte geprüft werden, ob der Arbeitgeber die Pflicht zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) erfüllt hat – hierzu im nächsten Abschnitt mehr. Insgesamt gilt: Eine enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat kann die Chancen verbessern, die Kündigung abzuwehren, auch wenn der Betriebsrat die Kündigung letztlich nicht eigenmächtig verhindern kann.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Pflicht des Arbeitgebers

Bevor ein Arbeitgeber wegen häufiger oder langer Krankheit kündigt, muss er in vielen Fällen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen oder zumindest anbieten. Gesetzliche Pflicht: Sobald ein Arbeitnehmer innerhalb von 12 Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank ist, muss der Arbeitgeber ein BEM anbieten (§ 167 Abs.2 SGB IX). Dieses Verfahren hat das Ziel herauszufinden, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und künftige Krankheitszeiten vermieden werden können, um das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Im Rahmen des BEM wird gemeinsam mit dem Beschäftigten (und ggf. Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung sowie Werks- oder Betriebsarzt) besprochen, welche Maßnahmen helfen könnten – zum Beispiel Anpassungen des Arbeitsplatzes, Arbeitszeitreduzierung, Umsetzung auf einen anderen Posten, stufenweise Wiedereingliederung, technische Hilfsmittel oder Umschulungen.

Warum ist das BEM wichtig? Ein ordnungsgemäß durchgeführtes BEM zeigt, dass der Arbeitgeber versucht hat, mildere Mittel als eine Kündigung anzuwenden. Unterlässt der Arbeitgeber das BEM trotz langer Krankheit, so ist eine spätere Kündigung zwar nicht automatisch unwirksam, wird vom Arbeitsgericht aber kritisch bewertet. Ohne BEM kann der Arbeitgeber vor Gericht oft nicht überzeugend darlegen, dass die Kündigung wirklich ultima ratio (letztes Mittel) war. Die Gerichte nehmen in solchen Fällen regelmäßig an, dass möglicherweise durch ein BEM doch eine Weiterbeschäftigung – etwa an einem leidensgerechten Arbeitsplatz – möglich gewesen wäre. Eine Kündigung wird dann nicht als gerechtfertigt angesehen. Daher tun gut beratene Arbeitgeber in der Praxis fast immer ein BEM durchführen, bevor sie eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies: Wurde kein BEM angeboten, sollte man das im Kündigungsschutzprozess unbedingt ansprechen. Die unterlassene Durchführung des BEM verbessert die Chancen, dass die Kündigung als unwirksam erkannt wird. Selbst wenn ein BEM erfolgt ist, sollte geprüft werden, ob es korrekt und umfassend durchgeführt wurde – z.B. ob wirklich nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht wurde. Ein fehlerhaftes oder nur pro forma durchgeführtes BEM erfüllt seinen Zweck nicht. Insgesamt ist das BEM ein zentrales Element des Kündigungsschutzes bei Krankheit: Es konkretisiert das gebotene Schonungs- und Integrationsprinzip gegenüber langzeitkranken oder oft erkrankten Mitarbeitern.

Abwehr der Kündigung: Kündigungsschutzklage erheben

Wurde einem Arbeitnehmer wegen Krankheit gekündigt, sollte er unverzüglich handeln. In den meisten Fällen bietet die Kündigungsschutzklage der richtige Weg, um die Kündigung abzuwehren. Durch diese Klage prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Wichtigste Regel: Die Klage muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens beim Arbeitsgericht eingereicht werden! Wird diese dreiwöchige Klagefrist versäumt, ist die Kündigung – so rechtswidrig sie eigentlich auch sein mag – endgültig gültig. Das Arbeitsgericht lässt eine verspätete Klage nur in extremen Ausnahmefällen zu (z.B. wenn der Arbeitnehmer trotz aller Sorgfalt die Frist ohne eigenes Verschulden versäumt hat). Verlassen Sie sich daher keinesfalls darauf, dass eine offensichtlich unwirksame Kündigung von selbst hinfällig ist – ohne Klage wird jede Kündigung wirksam!

Erster Schritt nach Kündigung: Betroffene sollten umgehend fachkundigen Rat einholen, etwa beim Fachanwalt für Arbeitsrecht oder – wenn sie Gewerkschaftsmitglied sind – bei der Gewerkschaft bzw. dem gewerkschaftlichen Rechtsschutz. Dort kann man die Erfolgsaussichten besprechen und die Klage vorbereiten. Viele Gewerkschaften bieten ihren Mitgliedern kostenlose Rechtsberatung und Prozessvertretung an; z.B. werden IG Metall-Mitglieder vor dem Arbeitsgericht ohne zusätzliche Kosten von Juristen der DGB-Rechtsschutz GmbH vertreten. Sofern eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht besteht, sollte diese ebenfalls sofort informiert werden (sie übernimmt in der Regel die Kosten des Verfahrens). Zögern Sie nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen – die 3-Wochen-Frist läuft schnell ab.

Ablauf des Kündigungsschutz-Prozesses

Ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht läuft typischerweise wie folgt ab:

  • Klageeinreichung beim Arbeitsgericht: Der Arbeitnehmer (bzw. sein Anwalt) reicht die Kündigungsschutzklage schriftlich beim zuständigen Arbeitsgericht ein – unbedingt innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung. In der Klage wird beantragt festzustellen, dass die Kündigung unwirksam ist. Das Gericht stellt dem Arbeitgeber die Klageschrift zu. (Tipp: Wer die Klagefrist wahrt, kann notfalls auch erstmal ohne ausführliche Begründung Klage einreichen und diese später nachreichen.)
  • Güteverhandlung (Gütetermin): Das Arbeitsgericht bestimmt kurz nach Klageeingang einen ersten Termin, die sogenannte Güteverhandlung. Dieser Termin dient dem Einigungsversuch. Das Gericht spricht mit den Parteien (bzw. ihren Vertretern) und lotet aus, ob ein Vergleich möglich ist. Bei Kündigungsschutzklagen enden sehr viele Verfahren bereits im Gütetermin durch einen Vergleich – z.B. indem man sich auf eine Abfindung einigt und das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen beendet. Für den Arbeitnehmer kann dies attraktiv sein, wenn er ohnehin nicht zum Arbeitsplatz zurückkehren möchte oder das Verhältnis zum Arbeitgeber zerrüttet ist. Hinweis: Ein Abfindungsangebot sollte man sorgfältig prüfen (idealerweise mit anwaltlicher Beratung), um abzuschätzen, ob die Abfindung angemessen ist im Vergleich zu den Erfolgsaussichten einer Weiterbeschäftigung.
  • Kammertermin (Hauptverhandlung): Gelingt keine Einigung, schließt sich die eigentliche Hauptverhandlung (Kammertermin) an, bei der eine Kammer aus einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern tagt. Hier werden die Sachargumente ausgetauscht und – falls nötig – Beweise erhoben. Im Kündigungsschutzprozess trägt zunächst der Arbeitgeber die Darlegungslast für die Kündigungsgründe. Er muss z.B. darlegen, auf welche Tatsachen er die negative Gesundheitsprognose stützt, also etwa die Anzahl der Fehltage in den letzten Jahren und die Diagnose(n) der Krankheiten, die eine Fortsetzung erwarten lassen. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber sogar ein medizinisches Gutachten vorlegen, um die Prognose zu untermauern. Der Arbeitnehmer sollte dem aktiv entgegentreten: Er kann etwa durch eine ärztliche Bescheinigung oder Zeugenaussagen belegen lassen, dass seine Gesundheit sich verbessert hat oder eine baldige Genesung zu erwarten ist. Oft wird im Prozess eine Aufstellung der Krankenkasse über die vergangenen Krankheitszeiten vorgelegt; der Arbeitnehmer kann seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, damit diese zum Gesundheitszustand aussagen dürfen. Zudem prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen eingehalten wurden (Schriftform der Kündigung, Anhörung des Betriebsrats, Zustimmung des Integrationsamts bei Schwerbehinderten etc.). Auch das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) kommt zur Sprache: War ein BEM erforderlich und wurde es nicht angeboten, muss der Arbeitgeber sehr gut begründen, warum die Kündigung trotzdem ultima ratio war. Schließlich beleuchtet das Gericht die Interessenabwägung – hier werden z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und bisherige Leistungsbilanz des Arbeitnehmers berücksichtigt. Ein langjähriger Mitarbeiter kurz vor der Rente genießt in der Abwägung einen stärkeren Schutz als ein jungerer Mitarbeiter mit kurzer Betriebszugehörigkeit. All diese Faktoren fließen in die Entscheidung ein.
  • Urteil: Am Ende der Verhandlung – oft schon am selben Tag – verkündet das Gericht ein Urteil. Darin wird entschieden, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war oder nicht. Wird der Kündigungsschutzklage stattgegeben, bedeutet das: Die Kündigung ist unwirksam, das Arbeitsverhältnis besteht unverändert fort. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch, weiterbeschäftigt zu werden, und ggf. Nachzahlung des Lohns (für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist) – es sei denn, im Prozess wurde inzwischen ein Aufhebungsvertrag/Abfindungsvergleich geschlossen. Gewinnt hingegen der Arbeitgeber, gilt die Kündigung als rechtswirksam und das Arbeitsverhältnis ist beendet mit Ablauf der Kündigungsfrist. In vielen Fällen, gerade wenn das Vertrauensverhältnis schwer gestört ist, einigen sich selbst nach gewonnenem Prozess beide Seiten auf eine einvernehmliche Beendigung gegen Abfindung. Der Arbeitnehmer kann nämlich überlegen, ob er an den Arbeitsplatz zurückkehren will, und der Arbeitgeber hat bis zur Rechtskraft des Urteils Unsicherheit. Ein Vergleich kann hier für beide Seiten Klarheit schaffen.
  • Berufung und weitere Instanzen: Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer können gegen ein erstinstanzliches Urteil Berufung zum Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen (Frist: 1 Monat ab schriftlicher Urteilszustellung). Das LAG überprüft den Fall dann erneut. Gegen ein LAG-Urteil wäre theoretisch noch die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt möglich, allerdings nur bei grundsätzlichen Rechtsfragen. In der zweiten und dritten Instanz ist Anwaltszwang – man benötigt also zwingend einen Anwalt. Wichtig zu wissen: Im Arbeitsgerichts-Prozess trägt in erster Instanz jede Partei ihre Anwaltskosten selbst – unabhängig davon, wer gewinnt. Eine unterlegene Partei muss also nicht die Anwaltskosten der Gegenseite erstatten (dies soll Arbeitnehmer nicht davon abschrecken, ihr Recht einzufordern). Aber: In der Berufung und Revision gilt wie üblich, dass die Verliererpartei alle Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Dieses Kostenrisiko sollte bei einer Weiterführung des Rechtsstreits bedacht werden. Tipp: Hat man eine Rechtsschutzversicherung oder Gewerkschafts-Rechtsschutz, werden diese Kosten abgedeckt; andernfalls sollte man die Erfolgsaussichten genau abwägen oder Prozesskostenhilfe prüfen lassen, falls man geringes Einkommen hat.

Wichtige Fristen und praktische Tipps

Zum Abschluss die wichtigsten Fristen und Ratschläge im Überblick, wenn eine Kündigung wegen Krankheit im Raum steht:

  • Klagefrist 3 Wochen beachten: Spätestens 3 Wochen nach Zugang der Kündigung muss eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben sein. Diese Frist gilt strikt – nach Ablauf wird die Kündigung selbst dann wirksam, wenn sie eigentlich rechtswidrig war. Daher sofort nach Erhalt der Kündigung handeln! Notfalls die Klage erstmal fristwahrend einreichen und später begründen. Versäumen Sie die Frist nicht, weil Sie die Erfolgsaussichten vielleicht als gering einschätzen – eine nicht angegriffene Kündigung kann nicht mehr gerichtlich überprüft werden.
  • Schriftform und Zustellung prüfen: Eine Kündigung muss schriftlich (Original unterschrieben) erfolgen, E-Mails oder Kopien reichen nicht (§ 623 BGB). Fehlt die Schriftform, ist die Kündigung unwirksam. Auch muss die Kündigung Ihnen ordnungsgemäß zugestellt worden sein (z.B. per Einwurf/Einschreiben oder Übergabe). Notieren Sie sich das Zugangsdatum, denn ab da läuft die 3-Wochen-Frist.
  • Arbeitsuchendmeldung nicht vergessen: Unabhängig vom Kündigungsschutzprozess sind Sie verpflichtet, sich bei Kündigung rechtzeitig bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, um keine Nachteile beim Arbeitslosengeld zu erleiden. Erhalten Sie die Kündigung kurzfristig, müssen Sie spätestens innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis der Beendigung beim Arbeitsamt vorsprechen (telefonisch, online oder persönlich). Erfolgt die Kündigung erst in ferner Zukunft (>3 Monate), ist eine Meldung 3 Monate vor Ende ausreichend. Wer diese Fristen versäumt, riskiert eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Hinweis: Eine krankheitsbedingte Arbeitgeberkündigung an sich löst keine Sperrzeit beim ALG I aus – Sperren gibt es meist nur bei Eigenkündigung oder Aufhebungsverträgen. Melden Sie sich also rechtzeitig arbeitsuchend, dann erhalten Sie trotz Kündigung nahtlos Ihr Arbeitslosengeld, falls der Prozess doch verloren geht.
  • Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung einbinden: Falls ein Betriebsrat vorhanden ist, informieren Sie diesen frühzeitig über die Situation. Der Betriebsrat kann beratend unterstützen und ggf. bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber vermitteln. Er achtet auch darauf, dass der Arbeitgeber seine Pflichten (Anhörung, BEM-Angebot etc.) einhält. Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern sollte zudem die Schwerbehindertenvertretung (falls vorhanden) einbezogen werden. Diese kann ebenfalls helfen und auf die Beteiligung des Integrationsamts drängen.
  • Ärztliche Unterstützung nutzen: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über Ihre berufliche Situation. Wenn eine Kündigung droht, kann ein aktuelles medizinisches Attest äußerst wertvoll sein – etwa um dem Arbeitgeber schriftlich zu geben, dass mit einer Genesung bzw. Reduzierung der Fehlzeiten zu rechnen ist. Im Prozess können Ihre Ärzte als Zeugen oder Gutachter auftreten, sofern Sie sie von der Schweigepflicht entbinden. Nutzen Sie diese Möglichkeit, um einer negativen Gesundheitsprognose entgegenzutreten. Beispiel: Ihr Arzt könnte bestätigen, dass eine Therapie erfolgreich war oder eine Operation die Ursachen der bisherigen Krankheitsphasen beseitigt hat. Solche Informationen können das Gericht überzeugen, dass die Zukunftsaussichten gar nicht so schlecht sind, wie der Arbeitgeber behauptet.
  • Rechtliche Beratung und Unterstützung: Zögern Sie nicht, professionellen Rat einzuholen. Wie erwähnt, bieten Gewerkschaften Rechtsschutz – laut DGB-Rechtsschutzexperten Dietmar Christians sollten gekündigte Beschäftigte unverzüglich zur Gewerkschaft oder einem Anwalt gehen, da die Klage innerhalb von 3 Wochen eingereicht sein muss. Ein Fachanwalt kann Ihnen helfen, Formfehler der Kündigung aufzudecken (z.B. fehlende Anhörung des Betriebsrats, falsche Frist, Diskriminierungstatbestände) und die Klage strategisch zu führen. Falls finanzielle Hürden bestehen, erkundigen Sie sich nach Beratungshilfe (für die außergerichtliche Beratung) und Prozesskostenhilfe (für das Gerichtsverfahren) – in vielen Fällen steht staatliche Unterstützung zur Verfügung, damit Sie Ihr Recht wahrnehmen können.

Eine Kündigung wegen Krankheit ist für Arbeitnehmer ein einschneidendes Ereignis, doch es lohnt sich, aktiv für seine Rechte zu kämpfen. Nur weil man häufiger krank war, verliert man nicht automatisch den Kündigungsschutz. Gerichte prüfen sehr genau, ob die strengen Voraussetzungen erfüllt sind und ob der Arbeitgeber nicht doch eine mildere Lösung hätte finden können. Viele krankheitsbedingte Kündigungen halten einer Klage nicht stand und enden entweder mit Weiterbeschäftigung oder einer Abfindung für den Arbeitnehmer. Wichtig ist, dass Betroffene schnell reagieren, sich beraten lassen und die Klagefrist einhalten. Mit Unterstützung – sei es vom Betriebsrat, der Gewerkschaft oder einem Anwalt – kann man sich gegen eine vorschnelle Kündigung erfolgreich zur Wehr setzen. Bleiben Sie also nicht passiv, sondern nutzen Sie die Ihnen zustehenden rechtlichen Mittel, um Ihren Arbeitsplatz zu schützen.