Situation: Ein Arbeitnehmer hat gegen Ihre Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erhoben (Kündigungsschutzklage). Nun gilt es für Sie als Arbeitgeber, überlegt und strategisch zu handeln, um rechtliche Nachteile zu vermeiden. Ein Kündigungsschutzprozess kann sich lange hinziehen und teuer werden – besonders falls Sie verlieren, droht die Nachzahlung sämtlicher Löhne für die Prozessdauer (Annahmeverzugslohn). Selbst ein gewonnener Prozess kostet Zeit, Nerven und Anwaltsgebühren, die in erster Instanz jede Seite selbst tragen muss. Im Folgenden erhalten Sie praxisnahe Handlungsempfehlungen, wie Sie auf die Kündigungsschutzklage reagieren sollten – von außergerichtlicher Einigung über Prozessstrategie bis zu Dokumentationspflichten –, unterlegt mit rechtlichen Hinweisen (§§) und aktueller Rechtsprechung.
Erste Schritte nach Zustellung der Klage
Ruhe bewahren und Fristen prüfen: Zunächst heißt es, Ruhe zu bewahren und die Situation nüchtern zu analysieren. Prüfen Sie, ob der Arbeitnehmer die 3-Wochen-Frist nach § 4 KSchG eingehalten hat – eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden. Versäumt der Arbeitnehmer diese Frist, gilt die Kündigung kraft Gesetzes als rechtswirksam (§ 7 KSchG) – selbst wenn sie inhaltliche Mängel hatte. In diesem Fall können Sie beantragen, die Klage als unzulässig abzuweisen. (Ausnahmen gelten nur in seltenen Härtefällen, z.B. schwere Krankheit, § 5 KSchG.)
Anwalt einschalten: Kontaktieren Sie umgehend einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, falls Sie dies nicht ohnehin schon getan haben. Eine spezialisierte anwaltliche Vertretung (z.B. durch Fachanwalt Dr. jur. Usebach, LL.M.) ist ratsam, um Fehler zu vermeiden. Er wird mit Ihnen die Erfolgsaussichten der Kündigung einschätzen, eine Verteidigungsstrategie entwickeln und Fristen wahren. Beachten Sie: Im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1. Instanz trägt jede Seite die eigenen Anwaltskosten selbst (§ 12a ArbGG). Dennoch lohnt sich professionelle Hilfe, um kostspielige Fehltritte zu vermeiden.
KSchG-Anwendbarkeit klären: Stellen Sie fest, ob das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist. Das KSchG greift nur, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestand und Ihr Betrieb regelmäßig >10 Mitarbeiter beschäftigt (§ 23 KSchG). In Kleinbetrieben (≤10 Mitarbeiter) oder während der Probezeit hat der Arbeitnehmer keinen allgemeinen Kündigungsschutz, weshalb Klagen dort selten Erfolg haben. Wenn das KSchG nicht greift, können Sie dies sofort als Verteidigungsargument nutzen – die Kündigung ist dann (abgesehen von Sitten- oder Diskriminierungsverboten) ohne besonderen Grund wirksam. Ihr Anwalt wird dem Gericht in diesem Fall darlegen, dass kein Kündigungsschutz nach KSchG besteht.
Sonderkündigungsschutz beachten: Prüfen Sie etwaige Sonderkündigungsschutz-Tatbestände, die beim Gekündigten vorlagen (Schwangerschaft, Schwerbehinderung, Betriebsratsmitglied, Elternzeit etc.). Falls z.B. eine Schwerbehinderung mit erforderlicher Zustimmung der Behörde (§ 168 SGB IX) oder der Mutterschutz (§ 17 MuSchG) betroffen ist, ohne dass Sie die vorgeschriebenen Verfahren eingehalten haben, stehen die Chancen vor Gericht schlecht. In solch gelagerten Fällen sollten Sie besonders intensiv über einen Vergleich nachdenken, da Gerichte Kündigungen ohne die notwendigen Genehmigungen in der Regel für unwirksam erklären.
Dokumente sammeln: Sammeln Sie umgehend alle relevanten Unterlagen und Beweise: das Kündigungsschreiben (mit Zustellungsnachweis!), den Arbeitsvertrag, etwaige Abmahnungen, Leistungsbeurteilungen, E-Mails oder Berichte zum Fehlverhalten, Krankenakten bei krankheitsbedingter Kündigung etc. Dokumentieren Sie auch das Anhörungsverfahren des Betriebsrats nach § 102 BetrVG, falls vorhanden (Zeitpunkt und Inhalt der Anhörung). Diese Unterlagen bilden die Basis Ihrer Verteidigung und sollten Ihrem Anwalt lückenlos vorliegen. Tipp: Stellen Sie sicher, dass der Zugang der Kündigung bewiesen werden kann (Empfangsbestätigung, Einwurf-Einschreiben oder Boten). Im Streit über den Zugang sind Sie beweispflichtig.
Außergerichtliche Einigung in Erwägung ziehen
In vielen Fällen ist es sinnvoll, frühzeitig eine gütliche Einigung mit dem Arbeitnehmer anzustreben, anstatt einen langen Prozess zu führen. Arbeitsgerichte versuchen bereits im frühen Stadium (Gütetermin) einen Vergleich zu erreichen, da dies den Konflikt schnell beendet. Ein Vergleich bedeutet meist: das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung zu einem bestimmten Termin beendet. Für beide Seiten bietet dies Vorteile:
- Zeit- und Kostenersparnis: Ein gerichtlicher Vergleich beendet den Rechtsstreit sofort, Gerichtskosten entfallen. Die durchschnittliche Dauer erster Instanz beträgt bei frühem Vergleich nur ~2,6 Monate, während ein Urteil oft 6+ Monate braucht. Ein früher Vergleich spart also Zeit, Nerven und zusätzliche Anwaltsgebühren.
- Kalkulierbares Ergebnis statt Risiko: Für den Arbeitnehmer ist attraktiv, dass er überhaupt eine Abfindung bekommt – ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht nämlich meist nicht. Verliert er die Kündigungsschutzklage, ginge er normalerweise leer aus. Für den Arbeitgeber wiederum ist ein Vergleich oft eine Versicherung gegen Prozessrisiken: Bei einer Niederlage drohen wie erwähnt hohe Lohnnachzahlungen für die gesamte Prozessdauer (Verzugslohn) sowie die eventuelle Rückkehr des Mitarbeiters ins Unternehmen. Durch einen frühen Vergleich lassen sich diese Risiken vermeiden.
- Wahrung des Betriebsfriedens: Ein einvernehmlicher Abschluss kann das Betriebsklima schonen. Beide Seiten können das Kapitel mit gesichtswahrenden Formulierungen (z.B. wohlwollendes Arbeitszeugnis) abschließen. Das Verhältnis bleibt weniger belastet, als wenn man sich durch einen Streit vor Gericht endgültig entzweit.
Hinweis: Die typische Abfindungshöhe bemisst sich oft an der Faustformel „0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr“ – dies ist aber keine feste Regel, sondern ein häufiger Vergleichsmaßstab. Die tatsächliche Summe hängt von vielen Faktoren ab: Erfolgsaussichten der Klage, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter des Mitarbeiters etc. Im Gütetermin wird der Richter eine Abfindung nach diesen Parametern vorschlagen. Beispiel: Sind die Kündigungsgründe stichhaltig und Ihre Erfolgschancen hoch, wird der Abfindungsvorschlag eher gering ausfallen.
Strategie: Signalisieren Sie – am besten über Ihren Anwalt – Verhandlungsbereitschaft. Ein erstes moderates Abfindungsangebot kann den Prozess schnell beenden. Verhandeln Sie aber mit Augenmaß: Kalkulieren Sie die Abfindung vs. Prozessrisiko. Auch Verzugslohnrisiken sollten in die Rechnung einfließen: Jeder weitere Monat ohne Vergleich kann Sie einen Monat Gehalt kosten, falls Sie den Prozess am Ende verlieren. Oft ist es günstiger, kontrolliert eine Abfindung zu zahlen, als nach einem Jahr Prozess eine noch höhere Summe nachzahlen zu müssen. Zudem fallen bei einem frühen Vergleich keine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen an, da das Arbeitsverhältnis beendet wird und der Abfindungsbetrag pauschal versteuert wird.
Tipp: Ein gerichtlicher Vergleich wird im Protokoll festgehalten und ist ein vollstreckbarer Titel. Sorgen Sie also dafür, dass Sie Zahlungsfristen einhalten, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden.
Prozessstrategie: Vom Gütetermin zur Verhandlung
Gütetermin gut vorbereiten: Bereits der erste Gerichtstermin (Gütetermin) findet meist kurz nach Klageerhebung statt (oft 2–6 Wochen nach Klage). Unterschätzen Sie diesen Termin nicht! Zwar fällt dort kein Urteil, aber hier wird der Ton gesetzt. Ein häufiger Fehler von Arbeitgebern ist, unvorbereitet in den Gütetermin zu gehen. Nutzen Sie die Chance, dem Gericht gleich zu vermitteln, dass Ihre Kündigung gut begründet und rechtlich sauber war. Tipp: Bringen Sie – obwohl noch nicht zwingend vorgeschrieben – eine schriftliche Klageerwiderung zum Gütetermin mit oder senden Sie sie kurz vorher ans Gericht. Dadurch zeigen Sie Stärke und Ernsthaftigkeit: Der Richter erkennt, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben, was überzogenen Abfindungsforderungen vorbeugt. Rechtsanwalt Hensche empfiehlt: „Auf diese Weise lässt sich ein Pflock einschlagen: Seht her, wir haben korrekt gearbeitet und sehen das Recht auf unserer Seite.“.
Zum Gütetermin sollten Sie alle wichtigen Daten parat haben – z.B. das Bruttogehalt des Mitarbeiters, offene Urlaubstage, Zeugnisentwurf etc.. Diese Informationen beeinflussen den Vergleichsspielraum (etwa die Abfindungshöhe) und Sie wirken professionell vorbereitet. Der Gütetermin dient primär dazu, unter Moderation des Richters eine Einigung zu finden. Schildern Sie sachlich, was vorgefallen ist und warum die Kündigung aus Ihrer Sicht gerechtfertigt war. Der Richter wird eine erste Einschätzung geben und ggf. einen Vergleichsvorschlag machen. Sie können darauf aufbauen oder eigene Vorschläge einbringen.
Wenn keine Einigung erzielt wird: Scheitert der Gütetermin, geht das Verfahren in die Hauptsache über. Das Gericht terminiert einen Kammertermin (Hauptverhandlung), oft einige Monate später. Jetzt ist formale Präzision gefragt: Spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Gütetermin müssen Sie Ihre schriftliche Klageerwiderung beim Gericht einreichen (§ 61a Abs. 3 ArbGG), falls dies nicht bereits geschehen ist. Darin legen Sie umfassend Ihre Rechtsargumente dar, benennen Beweismittel (Dokumente, Zeugen) und nehmen zu den Vorwürfen des Arbeitnehmers Stellung. Achtung: Versäumen Sie diese Frist nicht – das Gericht kann ansonsten ggf. den Vortrag zurückweisen. Der Arbeitnehmer wird auf Ihre Erwiderung nochmals erwidern (Gegendarstellung). Beide Seiten tauschen also Schriftsätze aus, bis der Sachverhalt geklärt ist.
Im Kammertermin selbst (in der Regel vor einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern) wird das Gericht die Sach- und Rechtslage erörtern und ggf. Beweise erheben (Zeugen vernehmen, Dokumente würdigen). Spätestens hier müssen Sie alle Beweise griffbereit haben. Wenn z.B. strittig ist, ob der Mitarbeiter eine Pflichtverletzung begangen hat, sollten Sie Zeugen (etwa Kollegen als Beobachter) benennen können oder schriftliche Nachweise vorlegen. Das Gericht verkündet das Urteil meist unmittelbar am Ende der Verhandlung mündlich und liefert das schriftliche Urteil wenige Wochen später.
Prozesstaktische Überlegungen: Überlegen Sie im Vorfeld, wie weit Sie gehen wollen. Wenn Ihre Kündigung auf wackeligem Fundament steht (z.B. Formfehler, unklare Beweislage), kann eine zügige Einigung oft besser sein, als ein richterliches Verdikt abzuwarten. Arbeitsgerichte urteilen tendenziell eher arbeitnehmerfreundlich, wenn Zweifel bestehen. Beispiel: Haben Sie formal etwas übersehen (etwa den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört), ist die Kündigung unabhängig vom Kündigungsgrund unwirksam – hier lohnt es kaum, auf ein Urteil zu bestehen; lieber verhandeln. Wenn Sie hingegen glauben, einen wasserdichten Kündigungsgrund zu haben, können Sie selbstbewusster auftreten. Dennoch: Auch ein „sicherer“ Prozess hat Unwägbarkeiten. Bedenken Sie das Kostenrisiko und den Umstand, dass Sie im Siegfall zwar keine Abfindung zahlen, aber dennoch Ihre eigenen Anwaltskosten tragen müssen.
Auflösungsantrag als letzter Ausweg: Sollte sich abzeichnen, dass das Gericht die Kündigung für unwirksam hält und Sie den Arbeitnehmer unter keinen Umständen zurücknehmen möchten, gibt es prozesstaktisch den Auflösungsantrag nach § 9 KSchG. Diesen kann der Arbeitgeber stellen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Die Hürden sind hoch – die Gründe müssen im Zusammenhang mit dem Kündigungssachverhalt oder dem Prozess liegen (z.B. erhebliche Vertrauensstörung, wechselseitige Vorwürfe im Prozess). Gibt das Gericht dem Auflösungsantrag statt, wird das Arbeitsverhältnis trotz unwirksamer Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung beendet (§§ 9, 10 KSchG). Die Abfindungshöhe setzt das Gericht fest (max. 12 Monatsverdienste, bei langjährigen älteren Mitarbeitern bis 18 Monatsverdienste). Dieser Schritt sollte gut abgewogen werden, da er zusätzliche Kosten bedeutet – er kann aber sinnvoll sein, um eine untragbare Personalentscheidung endgültig zu bereinigen.
Dokumentationspflichten und Beweissicherung
Eine gründliche Dokumentation ist das A und O, um im Kündigungsschutzprozess bestehen zu können. Das Gericht prüft, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war (§ 1 KSchG) – die Darlegungs- und Beweislast für die Kündigungsgründe trägt weitgehend der Arbeitgeber. Daher sollten Sie bereits vor Ausspruch der Kündigung alles Relevante akribisch dokumentiert haben. Falls nicht, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, dies nachzuholen bzw. zusammenzustellen:
- Verhaltensbedingte Kündigung (vertragliches Fehlverhalten): Hier müssen Sie i.d.R. zuvor abgemahnt haben. Nach ständiger BAG-Rechtsprechung ist eine verhaltensbedingte Kündigung normalerweise sozial ungerechtfertigt, wenn das einschlägige Verhalten nicht abgemahnt war. Die Abmahnung zeigt, dass Sie das Verhalten nicht tolerieren und im Wiederholungsfall kündigen würden. Dokumentieren Sie alle Abmahnungen (Datum, Inhalt, Zugang an Arbeitnehmer). Ohne Abmahnung ist eine fristgerechte Kündigung wegen Fehlverhaltens meist unwirksam – es sei denn, es lag ein so gravierender Verstoß vor, dass auch eine Abmahnung das Vertrauen nicht wiederhergestellt hätte. Beispiel: Diebstahl, schwere Beleidigung oder körperliche Übergriffe können eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigen. Das BAG hat klargestellt, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn eine Verhaltensänderung selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten wäre oder eine besonders schwere Pflichtverletzung vorliegt, die dem Arbeitnehmer die Kündigungsgefahr deutlich machen musste. Im Prozess müssen Sie solche Umstände beweisen. Halten Sie schriftliche Zeugenaussagen, Fotos, E-Mails etc. bereit, die das Fehlverhalten belegen. Notieren Sie chronologisch, was wann vorfiel – das hilft dem Gericht, den Sachverhalt nachzuvollziehen.
- Betriebsbedingte Kündigung (Personalabbau aus betrieblichen Gründen): Hier sind unternehmerische Entscheidungen der Ausgangspunkt (z.B. Abteilungsschließung, Auftragsrückgang). Dokumentieren Sie sauber die Gründe und die Planung: Geschäftszahlen, Beschlüsse, Organigramme vor/nach Abbau etc., um die Dringlichkeit der Maßnahme zu untermauern. Zwingend ist die korrekte Sozialauswahl unter vergleichbaren Mitarbeitern (§ 1 Abs. 3 KSchG). Sie müssen darlegen, dass Sie bei der Auswahl Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung angemessen berücksichtigt haben. Legen Sie Ihre Bewertungsmatrix offen und dokumentieren Sie Ihre Auswahlentscheidung schriftlich. So können Sie vor Gericht zeigen, dass die soziale Auswahl nicht willkürlich oder diskriminierend war. Vermeiden Sie jeden Anschein von Diskriminierung (z.B. nicht nur Ältere oder Schwerbehinderte gekündigt ohne sachlichen Grund). Tipp: Falls ein Betriebsrat existiert, achten Sie darauf, dass dessen Stellungnahme zur Kündigung (oder Schweigen nach Fristablauf) schriftlich vorliegt – ein fehlendes oder fehlerhaftes Anhörungsverfahren macht die Kündigung unabhängig vom Grund unwirksam.
- Personenbedingte Kündigung (z.B. Langzeiterkrankung, Leistungsmängel ohne steuerbares Verhalten): Hier steht die negative Prognose im Vordergrund: Etwa bei Dauererkrankungen müssen Sie darlegen, dass auf absehbare Zeit keine Besserung zu erwarten ist und die betrieblichen Belastungen (Abwesenheit, Kosten) unzumutbar wurden. Wichtig: Haben Sie ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX angeboten und durchgeführt, wenn der Mitarbeiter >6 Wochen in 12 Monaten krank war? Ein fehlendes oder fehlerhaftes bEM führt zwar nicht automatisch zur Unwirksamkeit, verschlechtert aber Ihre Prozessposition erheblich. Die Rechtsprechung verlangt, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung alle milderen Mittel geprüft hat (Umsetzung, leidensgerechter Arbeitsplatz, Umschulung etc.). Ohne ordnungsgemäßes bEM trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast, dass wirklich keinerlei Alternative zur Kündigung bestand. Dokumentieren Sie daher jede durchgeführte Maßnahme oder Einladung zum bEM (mit Datum und Inhalt des Einladungsschreibens). Können Sie zeigen, dass der Mitarbeiter das bEM abgelehnt hat oder dass es ergebnislos blieb, sind Ihre Erfolgschancen besser. Leistungsmängel (personenbedingt, z.B. Low Performer) sind schwer durchzusetzen – hier sollten Sie lückenlos dokumentierte Leistungsdaten, Zielvereinbarungen, Gespräche etc. vorlegen, um die dauerhafte Minderleistung zu belegen. Auch hier ist meist vorab eine Abmahnung wegen Schlechtleistung erforderlich, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Verbesserung hatte.
- Außerordentliche (fristlose) Kündigung: Bei gravierendem Fehlverhalten, das eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen soll, gelten strenge Anforderungen. Sie müssen einen „wichtigen Grund“ nachweisen, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Beweispflichtig sind wiederum Sie. Dokumentieren Sie den Vorfall minutengenau: Was ist passiert? Wer war beteiligt? Gibt es Sachbeweise (Video, E-Mails, Protokolle)? Zudem muss die Kündigung binnen 2 Wochen ab Kenntnis des Vorfalls ausgesprochen werden (§ 626 Abs. 2 BGB) – notieren Sie daher, wann Sie vom Fehlverhalten erfuhren. Vor Gericht wird genau geprüft, ob wirklich kein milderes Mittel (wie Versetzung oder Abmahnung) in Betracht kam. Können Zweifel nicht ausgeräumt werden, entscheiden die Gerichte oft gegen die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung – mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht oder Sie hohe Lohnnachzahlungen leisten müssen. Deshalb: lieber vorsorglich hilfsweise ordentlich kündigen (sofern Kündigungsfrist nicht zu lang), um zumindest eine Beendigung zum Fristablauf zu gewährleisten. Diese hilfsweise Kündigung sollte ebenfalls begründet vorbereitet sein.
Elektronische Beweissicherung: Stellen Sie sicher, dass E-Mails, Chat-Verläufe oder Dateien, die den Kündigungsgrund stützen, gesichert und ausgedruckt sind. Im Prozess kann es nötig werden, solche Unterlagen vorzulegen. Achten Sie aber auf Datenschutz: Personaldaten dürfen im Prozess verwendet werden, soweit sie prozessrelevant sind. Vertrauliche Daten Dritter sollten geschwärzt werden.
Zeugen vorbereiten: Überlegen Sie, welche Personen als Zeugen in Betracht kommen (z.B. direkte Vorgesetzte, Kollegen, HR-Mitarbeiter). Stimmen Sie sich mit ihnen ab, dass sie sich an Vorfälle erinnern und bereit sind, vor Gericht auszusagen. Weisen Sie sie jedoch nicht an, „Gefälligkeitsaussagen“ zu machen – falsche Aussagen wären strafbar und schädlich. Es geht darum, ehrlich den Sachverhalt darzustellen, der Ihre Kündigungsgründe untermauert.
Chronologie und Aktenvermerke: Erstellen Sie eine übersichtliche Chronologie der relevanten Ereignisse (von den ersten Problemen bis zur Kündigung). Fügen Sie interne Aktenvermerke hinzu, wer was wann entschieden hat. So behalten auch Ihr Anwalt und das Gericht den Überblick. Eine sauber geführte Personalakte ist im Prozess Gold wert.
Prävention und professionelle Unterstützung
Eine Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers konfrontiert Sie als Arbeitgeber mit zahlreichen rechtlichen Fallstricken. Wichtig ist, sich frühzeitig beraten zu lassen und eine klare Strategie zu entwickeln. Oft lässt sich durch besonnene Verhandlungen ein langwieriger Konflikt vermeiden. Außergerichtliche Lösungen sollten stets geprüft werden, da sie Planungssicherheit schaffen und Kosten reduzieren. Zugleich müssen Sie für den Ernstfall gerichtsfest gerüstet sein: Halten Sie arbeitsrechtliche Spielregeln ein, von der korrekten Form und Zustellung der Kündigung über die Einhaltung von Fristen bis zur Dokumentation aller Umstände. Gerade die präzise Dokumentation – seien es Abmahnungen, Leistungsdaten oder Gesprächsnotizen – zahlt sich aus, wenn vor Gericht die Beweislast bei Ihnen liegt.
Idealerweise beginnt die Prävention vor der Kündigung: Lassen Sie sich bei schwierigen Trennungsfällen vorab beraten, um eine „wasserdichte“ Kündigung auszusprechen. Eine rechtssichere Vorbereitung (korrekte Anhörungen, Abmahnungen, Sozialauswahl etc.) kann den Unterschied machen, ob ein Mitarbeiter überhaupt Klage erhebt. Denken Sie daran: Eine respektvolle Trennungskultur und transparente Kommunikation verringern die Bereitschaft von Mitarbeitern, den Rechtsweg zu suchen.
Sollte es dennoch zum Prozess kommen, sind Sie mit den oben genannten Schritten gut vorbereitet. Setzen Sie auf Kompetenz und Strategie: Mit Unterstützung eines Fachanwalts und gründlicher Vorbereitung können Sie die Risiken minimieren und den Kündigungsschutzprozess entweder durch einen klugen Vergleich zügig beenden oder ihn, falls nötig, erfolgreich durchfechten. Letztlich gilt: Gut dokumentiert ist halb gewonnen – und eine kluge Verhandlungsstrategie tut ihr Übriges. So sichern Sie Ihr Unternehmen bestmöglich ab, wenn ein gekündigter Mitarbeiter vor Gericht um seinen Arbeitsplatz kämpft.