materielle Zukunftsschäden im Schadensersatzrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16.03.2019 zum Aktenzeichen 1 BvR 1235/17 zu materiellen Zukunftsschäden entschieden.

Der Kläger, der seit dem Jahr 1979 erfolgreich als freiberuflicher Rechtsanwalt tätig ist, wurde im Juni 2009 beim Joggen vom Fahrzeug einer Versicherungsnehmerin der Beklagten erfasst, wodurch er schwere Verletzungen am Bein erlitt. Nach rechtskräftiger Verurteilung der Beklagten zum Ersatz erlittener Verdienstausfallschäden für den Zeitraum bis zum 30. September 2009 machte der Kläger in einem weiteren Verfahren unter anderem den Ersatz von Verdienstausfallschäden für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 31. Dezember 2012 und den Ersatz immaterieller Schäden für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2009 geltend. Zugleich begehrte er im Wege einer Klageerweiterung die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm jeden weiteren, ab dem 1. Januar 2013 entstehenden oder entstandenen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf dem Verkehrsunfall vom 2. Juni 2009 beruhe.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei eine Klage auf Feststellung zum Ersatz künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts bestehe. Das Vorliegen eines haftungsrechtlich relevanten Eingriffs sei unstreitig. Dieser Eingriff könne zu möglichen künftigen materiellen und immateriellen Schäden führen. Entgegen dem Antrag des Klägers komme jedoch alleine ein auf die Zukunft gerichteter Ausspruch in Betracht. Der Kläger habe auf Befragen klargestellt, dass der bezifferte Schmerzensgeldanspruch, soweit dieser bereits eingetretene oder erkennbare Schäden betreffe, abschließend sein solle. Eine erneute willkürliche zeitliche Begrenzung wäre auch unzulässig, da die beklagten Schmerzen permanent seien und die dauerhafte sportliche Einschränkung sicher vorhersehbar sei. Mit dem Feststellungsantrag bleibe daher nur Raum für ungewisse, noch nicht erkennbare Zukunftsschäden. Nur mit diesen könne auch der materielle Vorbehalt korrelieren.

Die Verfassungsrichter führten dazu aus, dass übereinstimmend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden schon dann zulässig ist, wenn lediglich die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 – VI ZR 133/06 -, juris, Rn. 5 m.N.). Es hat dem Kläger – wiederum übereinstimmend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – dabei auch nicht entgegengehalten, dass er in Folge des Zeitablaufs zwischen Klageerhebung und letzter mündlicher Verhandlung nunmehr in der Lage sei, die auf diesen Zeitraum entfallenden Verdienstausfallschäden zu beziffern und im Wege der Leistungsklage geltend zu machen (BGHZ 164, 181 = NJW 2006, 439 <440, Rn. 8> m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, dass das Oberlandesgericht einen zukünftigen Verdienstausfall des Klägers zwar ausdrücklich für möglich gehalten, die Klage aber dennoch für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 teilweise abgewiesen hat. Der Hinweis auf einen Gleichlauf materieller und immaterieller Schadensersatzansprüche ist insoweit nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht den Feststellungsanspruch des Klägers insoweit wohl – ausweislich des Aufbaus der Urteilsgründe – nicht als unzulässig, sondern als unbegründet angesehen hat, ohne zu konkreten Verdienstausfällen des Klägers im Zeitraum bis zur mündlichen Verhandlung Feststellungen zu treffen.