Rund jede*r zweite Beschäftigte in Deutschland spart derzeit für eine betriebliche Altersversorgung (bAV) – also eine Betriebsrente. Nach dem Willen der Bundesregierung soll diese Quote deutlich steigen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verbreitung der Betriebsrenten erhöhen soll. Dieses „Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II)“ befindet sich im vorrangigen Gesetzgebungsprogramm der Regierung. Ziel ist es, Hindernisse abzubauen und neue Anreize zu schaffen, sodass die Betriebsrente künftig zum selbstverständlichen Bestandteil der Alterssicherung wird. Im Folgenden erläutern wir die geplanten Neuerungen im Detail, bewerten die möglichen Auswirkungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und geben praktische Handlungsempfehlungen.
Hintergrund: Warum eine Stärkung der Betriebsrente?
Die Notwendigkeit für Reformen ergibt sich aus mehreren Gründen. Zwar haben zuletzt etwa 18,1 Millionen Beschäftigte eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente aufgebaut, doch damit wuchs die bAV nicht im Gleichschritt mit der allgemeinen Beschäftigung – die Verbreitungsquote ist zuletzt leicht auf rund 52 % gesunken. Besonders in kleineren Unternehmen und bei Geringverdienern bestehen große Lücken. Gleichzeitig gerät die gesetzliche Rente unter Druck, da die Babyboomer-Generation verstärkt ins Rentenalter eintritt. Die Alterssicherung soll daher stärker auf drei Säulen fußen (gesetzliche, betriebliche und private Vorsorge). Vor diesem Hintergrund soll das neue Gesetz die betriebliche Altersversorgung attraktiver und einfacher machen, um mehr Beschäftigte zum Mitmachen zu bewegen.
Geplante Neuerungen im Überblick
Der Gesetzentwurf umfasst ein Bündel von Maßnahmen, um die Betriebsrente weiter auszubauen und zu stärken. Die wichtigsten Neuerungen sind:
- Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen: Arbeitgeber ohne Tarifbindung sollen künftig einfacher eine bAV einführen können, z. B. durch Betriebsvereinbarungen im eigenen Betrieb. Das bestehende Sozialpartnermodell – bei dem Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften branchenweite Betriebsrenten vereinbaren – soll weiterentwickelt und für mehr Arbeitgeber geöffnet werden. Dadurch sollen auch Betriebe ohne Tarifvertrag ihren Beschäftigten unkompliziert und unbürokratisch eine Betriebsrente anbieten können.
- Opting-Out (automatische Entgeltumwandlung): Arbeitgebern soll es leichter ermöglicht werden, ihre Beschäftigten automatisch in eine Betriebsrente einzubeziehen, solange diese nicht aktiv widersprechen. In solchen Opt-out-Modellen wird also ein Teil des Entgelts standardmäßig für die bAV angespart, sofern derdie Arbeitnehmerin nicht widerspricht. Diese automatische Enrolment-Option kann die Teilnahmequote deutlich erhöhen, da die Belegschaft aktiv aussteigen müsste, anstatt sich wie bisher aktiv dafür entscheiden zu müssen. Begleitet wird dies von rechtlichen Klarstellungen, um solche Modelle auf betrieblicher Ebene rechtssicher zu machen.
- Höhere staatliche Förderung: Die steuerliche Förderung der bAV soll ausgeweitet werden. Besonders Beschäftigte mit geringem und mittlerem Einkommen sollen künftig stärker profitieren. Geplant ist unter anderem, die Einkommensgrenze für den Förderbeitrag nach § 100 EStG anzuheben: Künftig sollen Arbeitgeber einen 30%-Zuschuss vom Staat auch für Beiträge an Arbeitnehmer mit bis zu etwa 2.900 € Monatsbrutto erhalten können (statt bislang ca. 2.575 €). Dadurch werden mehr Geringverdiener in den Genuss dieses bAV-Förderbetrags kommen. Zudem wird der allgemeine steuerfreie Förderrahmen nicht geschmälert; nach wie vor bleiben Beiträge bis zu 8% der Beitragsbemessungsgrenze steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG). Insgesamt stellt der Staat ab 2027 etwa 150 Mio. € jährlich zusätzlich für die bAV-Förderung bereit.
- Flexiblere Anlagevorschriften: Die gesetzlichen Vorgaben für die Kapitalanlage von Pensionskassen und Pensionsfonds werden gelockert. Diese Versorgungseinrichtungen sollen künftig risikoreicher investieren dürfen, um höhere Renditen zu erzielen. Bislang unterlagen sie strikten Auflagen zur Beitragsgarantie und sicheren Anlage, was die Ertragschancen begrenzte. Durch die Flexibilisierung der Vorschriften sollen Betriebsrentenkassen verstärkt in chancenorientierte Anlagen (z. B. Aktien) investieren können, wodurch langfristig höhere Betriebsrenten für die Beschäftigten möglich sind.
- Abbau von Bürokratie: Alle Maßnahmen zielen auf eine Vereinfachung und Entbürokratisierung der betrieblichen Altersversorgung. Geplant sind z. B. Erleichterungen bei Kleinstanwartschaften (Abfindung von Mini-Betriebsrenten) und klarere Regeln für den vorzeitigen Rentenbezug aus einer bAV. Unternehmen und Versorgungswerke sollen durch vereinfachte Verfahren entlastet werden. Insgesamt heißt es im Entwurf, mit den Maßnahmen sei eine „erhebliche Vereinfachung und Entbürokratisierung“ der bAV verbunden.
Mögliche Auswirkungen auf Arbeitnehmer
Für Arbeitnehmer verspricht die Reform spürbare Vorteile:
- Höhere Versorgungsdichte: Durch automatische Enrolment-Verfahren (Opt-out) werden voraussichtlich deutlich mehr Beschäftigte eine Betriebsrente aufbauen – insbesondere solche, die bislang aus Bequemlichkeit oder Informationsmangel keinen Antrag gestellt haben. Die Betriebsrente wird zur Standardeinstellung, was vielen Beschäftigten den Einstieg in die zusätzliche Altersvorsorge erleichtert. Wer nicht teilnehmen möchte, muss dies ausdrücklich erklären, wird aber nicht dazu gezwungen.
- Bessere bAV-Angebote in kleinen Betrieben: Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen dürften künftig häufiger Zugang zu einer bAV erhalten. Da auch ohne Tarifvertrag nun einfache Lösungen (z. B. über Betriebsvereinbarungen oder den Anschluss an branchenweite Versorgungswerke) möglich werden, werden Betriebsrentenangebote außerhalb von Großkonzernen zunehmen. Beschäftigte, die bisher kein bAV-Angebot vom Arbeitgeber hatten, können dadurch neu einsteigen und vom Arbeitgeberzuschuss profitieren.
- Gezielte Förderung für Geringverdiener: Wer ein niedriges Einkommen hat, kann besonders profitieren. Der Arbeitgeber erhält künftig auch für Beschäftigte bis ca. 2.900 € Bruttogehalt einen staatlichen Zuschuss, wenn er diesen eine bAV anbietet. Dies schafft einen Anreiz, gerade Geringverdiener stärker zu unterstützen. Im besten Fall erklärt sich der Arbeitgeber bereit, für diese Mitarbeiter freiwillig Beiträge in eine Betriebsrente einzuzahlen – bis zu 960 € jährlich – und erhält dafür 30 % vom Staat erstattet. Für die betroffenen Arbeitnehmer bedeutet dies zusätzliches Vorsorgekapital ohne eigene Einbußen, da die Beiträge vom Arbeitgeber getragen werden.
- Höhere Renditechancen: Langfristig könnten Beschäftigte von besseren Renditen ihrer Betriebsrente profitieren. Wenn Pensionskassen risikoreicher (aber chancenreicher) anlegen dürfen, steigen die Aussichten auf höhere Auszahlungen im Alter. Ein Verzicht auf starre Garantien kann zwar mehr Wertschwankungen bedeuten, aber für jüngere Arbeitnehmer mit langem Anlagehorizont überwiegen oft die Chancen höherer Endleistungen. Wichtig ist: Die Rahmenbedingungen werden so angepasst, dass die Betriebsrente trotz höherer Renditechancen sicher und zuverlässig bleibt – kollektiv organisiert und unter Aufsicht, wie Bas betont.
- Flexiblere Auszahlungsoptionen: Auch in der Rentenphase sollen Arbeitnehmer Vorteile spüren. Geplant sind z. B. vereinfachte Regelungen für kleine Betriebsrenten, die als Einmalbetrag abgefunden werden können, anstatt sie lebenslang in winzigen Raten auszuzahlen. Ebenso sollen Übergänge in den Vorruhestand mit Betriebsrentenbezug klarer geregelt werden. Solche Anpassungen erhöhen die Transparenz und Planbarkeit für Beschäftigte beim Renteneintritt.
Nicht zuletzt wird durch die Reform das allgemeine Vertrauen in die Betriebsrente gestärkt. Wenn mehr Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen eine bAV haben, steigt auch das Bewusstsein und Wissen über diese Vorsorgeform. Insgesamt könnte die Betriebsrente so zu einem normalen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden – was sozialpolitisch gewollt ist. Arbeitnehmer sollten jedoch beachten, dass all diese Verbesserungen weiterhin auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen. Niemand wird zur Entgeltumwandlung gezwungen; man hat stets das Recht, sich gegen die bAV zu entscheiden (Opt-out). Dennoch gilt: Wer dabei bleibt, kann meist nur gewinnen, sei es durch Steuer- und Sozialabgabenersparnisse oder durch Arbeitgeberzuschüsse.
Mögliche Auswirkungen auf Arbeitgeber
Auch für Arbeitgeber – sowohl solche, die bereits eine bAV anbieten, als auch solche ohne bisheriges Angebot – bringt der Gesetzentwurf wichtige Änderungen mit sich:
- Einfacherer Einstieg für kleine Arbeitgeber: Unternehmen, die bisher wegen fehlender Tarifbindung oder hohem Verwaltungsaufwand vor einer bAV zurückgeschreckt sind, erhalten niedrigere Hürden. Künftig kann z. B. eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat genügen, um eine Versorgungsordnung einzuführen. Zudem können sich kleine Firmen einer bestehenden Branchenlösung anschließen. Diese Öffnung des Sozialpartnermodells (bisher großen tarifgebundenen Branchen vorbehalten) ermöglicht es auch Mittelständlern, ihren Beschäftigten eine professionelle Altersversorgung anzubieten, ohne alles selbst aufbauen zu müssen. Damit wird die bAV als Arbeitgeberleistung breiter verfügbar – ein Plus im Wettbewerb um Fachkräfte.
- Opt-out-Systeme implementieren: Arbeitgeber können künftig automatische Teilnahme an der bAV vorsehen, was die Beteiligungsquote deutlich erhöhen dürfte. Für die Personalabteilung bedeutet dies zwar anfänglich mehr organisatorischen Aufwand – etwa Information aller Mitarbeiter über das Widerspruchsrecht und das Handling von Opt-outs – doch langfristig steigert es die betrieblichen Vorsorgequoten. Ein breiterer Teilnahmegrad kann im Unternehmen auch positiv wahrgenommen werden, da es zeigt, dass der Arbeitgeber Verantwortung für die Altersvorsorge der Belegschaft übernimmt. Wichtig ist, hierbei klare Kommunikationsprozesse aufzusetzen, damit alle Mitarbeiter über ihre Rechte (einschließlich des Rechts auf Widerspruch) informiert sind. Rechtlich soll der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen, damit solche Modelle ohne Rechtsunsicherheit umgesetzt werden können.
- Finanzielle Förderung nutzen: Die staatlichen Anreize entlasten auch Arbeitgeber finanziell. Wenn ein Betrieb Geringverdiener beschäftigt, kann er durch den erweiterten § 100 EStG-Förderbetrag künftig für mehr Mitarbeiter den 30 %-Zuschuss kassieren. Das heißt, von jedem Euro, den der Arbeitgeber freiwillig in die Betriebsrente eines niedrig vergüteten Mitarbeiters einzahlt, übernimmt der Staat 0,30 €. Diese Förderung (bis maximal 288 € pro Arbeitnehmer und Jahr) war bisher auf sehr niedrige Einkünfte begrenzt; durch die neue Grenze (~2.900 € brutto) werden nun auch Beschäftigte mit mittlerem Einkommen erfasst. Für Arbeitgeber lohnt es sich daher, ihr Lohnniveau zu prüfen: Welche Mitarbeiter fallen in den geförderten Bereich, und wie kann man durch gezielte bAV-Beiträge nicht nur demder Mitarbeiterin etwas Gutes tun, sondern auch die Steuervergünstigung optimal mitnehmen? – Darüber hinaus bleibt die bekannte Sozialabgabenersparnis bei Entgeltumwandlung bestehen: Der Arbeitgeber muss zwar gesetzlich 15 % Zuschuss auf umgewandelte Entgelte geben, spart aber im Gegenzug eigene Lohnnebenkosten. Diese Mechanismen zusammen machen die bAV auch für den Arbeitgeber ökonomisch attraktiver.
- Weniger Bürokratie, klare Regeln: Die avisierten Entbürokratisierungen kommen direkt den Personalabteilungen und bAV-Verantwortlichen zugute. Vereinfachte Vorschriften – etwa für die Abfindung kleiner Renten oder bei vorgezogenem bAV-Bezug – reduzieren den Verwaltungsaufwand und das Haftungsrisiko. Klare gesetzliche Leitplanken (z. B. wie Opt-out-Verfahren rechtskonform umgesetzt werden oder wann eine Kleinbetragsrente ausgezahlt werden darf) schaffen Rechtssicherheit im Umgang mit Betriebsrenten. Das bedeutet: Weniger komplizierte Einzelfallprüfungen und weniger Abstimmungsbedarf mit externen Stellen. Insbesondere kleinen Unternehmen, die keine großen HR-Abteilungen haben, dürfte eine vereinfachte bAV-Abwicklung entgegenkommen.
- Neue Anlagefreiheiten vorsichtig nutzen: Falls das Unternehmen eine eigene Unterstützungskasse, Pensionskasse oder Direktzusage finanziert, bieten die flexibleren Anlagevorschriften Chancen und Herausforderungen. Mehr Spielraum bei der Kapitalanlage kann zu höheren Erträgen im Deckungsstock führen. Arbeitgeber sollten jedoch gemeinsam mit den Versicherern oder Versorgungsträgern sorgfältig abwägen, wie viel Risiko vertretbar ist, um die Balance zwischen Renditechance und Versorgungssicherheit zu halten. Insgesamt begrüßt es auch die Versicherungswirtschaft, dass mehr Spielraum bei der Kapitalanlage geschaffen werden soll – denn nur so können auf Dauer attraktivere Leistungen erwirtschaftet werden. Für den Arbeitgeber kann dies mittelfristig zu stabileren oder geringeren Finanzierungsbeiträgen führen, wenn höhere Renditen einen Teil der Vorsorgeleistungen tragen.
Unterm Strich könnte die Reform die Attraktivität der bAV als Personalinstrument steigern. Arbeitgeber, die eine Betriebsrente anbieten, positionieren sich als verantwortungsbewusst und mitarbeiterorientiert. Mit den neuen Regeln wird es einfacher und lohnender, ein solches Angebot aufzusetzen. Zwar bleibt die Teilnahme freiwillig, aber der Gesetzgeber setzt klare Signale, dass eine gute Betriebsrente in möglichst vielen Unternehmen selbstverständlich sein sollte. Unternehmen ohne bAV könnten künftig unter Zugzwang geraten, nachzuziehen, um im Kampf um Fachkräfte nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Branchenverbände und Experten begrüßen die geplanten Änderungen ausdrücklich. So betont etwa der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass gerade Beschäftigte mit niedrigem Einkommen und Mitarbeiter kleiner Betriebe gezielt unterstützt werden sollten. Die Möglichkeit, Arbeitnehmer automatisch in eine Betriebsrente einzubeziehen, könne helfen, „noch mehr Menschen [zu] erreichen“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen, der allerdings auf eine durchdachte Ausgestaltung pocht. Insgesamt bringt das Reformpaket aus Arbeitgebersicht also viele Chancen, erfordert aber auch vorausschauende Planung, um die Vorteile zu realisieren.
Handlungsempfehlungen
Für Arbeitgeber: Angesichts der kommenden Änderungen sollten Unternehmen proaktiv werden:
- Jetzt strategisch planen: Arbeitgeber, die noch keine bAV anbieten, sollten frühzeitig die Einführung vorbereiten. Informieren Sie sich über mögliche Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionkasse, Unterstützungskasse etc.) und prüfen Sie, welche Lösung für Ihren Betrieb passt. Branchenverbände oder Versicherungsmakler können beraten, welche Branchenlösungen oder Gemeinschaftspläne es gibt – möglicherweise können Sie sich einem bestehenden Sozialpartnermodell anschließen, was administrativen Aufwand spart.
- Betriebsrat einbinden: Wenn ein Betriebsrat besteht, suchen Sie frühzeitig das Gespräch. Die neuen Regeln eröffnen die Möglichkeit, per Betriebsvereinbarung eine bAV zu regeln. Bereiten Sie gemeinsam ein Konzept vor, wie ein Opt-out-Modell umgesetzt werden könnte. Wichtig: Transparente Kommunikation gegenüber der Belegschaft ist entscheidend, damit alle verstehen, wie das Opt-out funktioniert und welche Vorteile die bAV bietet.
- Belegschaft analysieren: Verschaffen Sie sich einen Überblick, wie viele Ihrer Mitarbeiter in den Genuss der Geringverdiener-Förderung fallen könnten (Monatsbrutto bis ~2.900 €). Erwägen Sie, gerade diesen Beschäftigten ein besonderes Angebot zu machen – zum Beispiel einen festen monatlichen Arbeitgeberbeitrag zur bAV. Durch den 30%-Zuschuss vom Staat reduziert sich Ihr effektiver Aufwand erheblich. Kalkulieren Sie verschiedene Szenarien durch: Was kostet es, wenn z. B. allen Mitarbeitern mit Einkommen X ein bAV-Beitrag von Y € gezahlt wird, und welche Förderung erhalten Sie zurück? Nutzen Sie diese staatlichen Fördergelder optimal aus, um als attraktiver Arbeitgeber dazustehen.
- Verträge und Prozesse prüfen: Unternehmen mit vorhandener bAV sollten ihre bestehenden Regelungen an das neue Recht anpassen. Prüfen Sie Ihre Entgeltumwandlungsvereinbarungen: Können Sie ab 2027 ggf. höhere Beiträge steuer- und sozialabgabenfrei zulassen (sofern der Gesetzgeber die Sozialversicherungsfreigrenze noch angleicht)? Müssen Informationsmaterialien oder Betriebsvereinbarungen zum Opt-out angepasst werden? Auch Verträge mit Versicherern oder Pensionseinrichtungen sollten überprüft werden – etwa ob neue Anlageoptionen genutzt werden können, oder ob die Versorgungsordnung an geänderte steuerliche Grenzwerte angepasst werden muss.
- Mitarbeiter informieren & schulen: Nutzen Sie die Aufmerksamkeit, die das Thema jetzt erhält. Klären Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig auf, dass Verbesserungen in der bAV anstehen. Gerade wenn Sie ein Opt-out-Modell planen, sollten alle Beschäftigten die Funktionsweise verstehen. Bieten Sie ggf. Infoveranstaltungen oder Sprechstunden an, in denen die Vorteile einer Betriebsrente erläutert werden. Eine gut informierte Belegschaft steht der bAV erfahrungsgemäß aufgeschlossener gegenüber, was den Erfolg Ihres Vorsorgeangebots steigert.
Für Arbeitnehmer: Auch Beschäftigte können sich auf die Reform einstellen und davon profitieren:
- Informieren und nachfragen: Erkundigen Sie sich bei Ihrem Arbeitgeber, ob bereits eine bAV angeboten wird oder ob angesichts der geplanten Gesetzesänderung ein Angebot geplant ist. In kleineren Firmen ohne bAV lohnt es, das Thema jetzt aktiv anzusprechen – ggf. über den Betriebsrat. Das neue Gesetz erleichtert es Ihrem Arbeitgeber, Ihnen eine Betriebsrente anzubieten. Signalisieren Sie Interesse, um den Anstoß zu geben.
- Opt-out bewusst nutzen: Sollte Ihr Arbeitgeber künftig ein automatisches bAV-Modell einführen, nehmen Sie sich Zeit für eine bewusste Entscheidung. Automatische Enrolment bedeutet, dass Sie ohne Ihr Zutun Vorsorge betreiben – ein Vorteil, solange Sie es sich finanziell leisten können. Prüfen Sie gründlich, bevor Sie ggf. widersprechen (Opt-out). In der Regel ist es ratsam zu bleiben, denn Sie profitieren von Steuer- und Abgabenvorteilen und oft einem Arbeitgeberzuschuss. Ein Opt-out sollten Sie nur erwägen, wenn Sie akut finanzielle Engpässe haben oder bereits anderweitig ausreichend vorsorgen.
- Vorteile für Gering- und Mittelverdiener nutzen: Liegt Ihr Einkommen unter dem neuen Förder-Grenzwert (~2.900 € brutto), dann fragen Sie aktiv nach Unterstützung. Ihr Arbeitgeber erhält 30 % erstattet, wenn er Ihnen etwas zur Betriebsrente dazu gibt – das könnten Sie im Gespräch erwähnen. Vielleicht ist Ihr Arbeitgeber bereit, einen kleinen monatlichen Zuschuss in Ihre bAV einzuzahlen, wenn er über die staatliche Förderung informiert ist. Auch bei Gehaltserhöhungen oder Boni könnte es sich lohnen vorzuschlagen, einen Teil davon steuerbegünstigt in die bAV umzuwandeln, anstatt alles bar auszuzahlen.
- Langfristig denken: Eine Betriebsrente ist ein Baustein der Altersvorsorge, der vom Zinseszinseffekt und ggf. vom Kapitalmarkt profitiert. Lassen Sie sich von zwischenzeitlichen Schwankungen nicht verunsichern. Durch die Reform könnten künftige Erträge sogar höher ausfallen, da Ihr Anbieter chancenreicher investieren darf. Bleiben Sie also langfristig engagiert. Gerade für Jüngere gilt: Jeder früh angelegte Euro in der bAV kann sich über die Jahrzehnte auszahlen.
- Beratung einholen: Die Materie kann komplex sein – scheuen Sie sich nicht, Rat zu suchen. Fragen Sie den Betriebsrat, die Personalabteilung oder einen Versicherungsberater nach den konkreten Konditionen Ihres bAV-Vertrags. Lassen Sie sich erklären, welche Leistungen im Alter zu erwarten sind und wie sich z. B. ein Opt-out auf Ihre Rentenlücke auswirkt. Nutzen Sie auch unabhängige Informationsquellen (Verbraucherzentralen, Online-Rechner), um die Vorteile der bAV für Ihre persönliche Situation abzuschätzen. Ein bewusster Umgang mit dem Thema hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung verspricht einen Aufbruch für die Betriebsrente – mit Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Während Beschäftigte künftig leichter und unterstützt vom Arbeitgeber fürs Alter vorsorgen können, erhalten Unternehmen neue Werkzeuge, um ihren Mitarbeitern eine attraktive Altersvorsorge zu bieten. Noch ist das Gesetz zwar nicht in Kraft (Stand: Juli 2025), doch die Weichen sind gestellt. Arbeitgeber sollten die Zeit bis zur Verabschiedung nutzen, um Konzepte zu entwickeln, und Arbeitnehmer tun gut daran, sich schon jetzt mit dem Thema zu befassen. Bei Fragen zur Umsetzung der neuen Regelungen – etwa zur Gestaltung von Opt-out-Modellen oder zur Anpassung von Versorgungsordnungen – empfiehlt es sich, fachkundigen Rat (z. B. von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Schwerpunkt bAV) einzuholen. So kann sichergestellt werden, dass alle Beteiligten optimal von der kommenden bAV-Reform profitieren.