Mobbing als Managementstrategie: Rechtliche Grenzen und Handlungsmöglichkeiten

30. April 2025 -

In diesem Beitrag werden die rechtlichen Grundlagen von Mobbing und Bossing als fragwürdige „Kostensenkungsstrategie“ beleuchtet.

1. Begriff und Abgrenzung

1.1 Definition von Mobbing und Bossing

Unter „Mobbing“ versteht man systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Beschäftigten über einen längeren Zeitraum hinweg​. Eine praxisgeläufige Definition stammt vom LAG Thüringen: Mobbing liegt vor, wenn eine Person mindestens sechs Monate lang einmal wöchentlich mindestens eine von 45 feindseligen Handlungen erfährt​.
„Bossing“ bezeichnet Mobbing durch Vorgesetzte, bei dem Machtstrukturen missbraucht werden, um Druck auszuüben, Ausgrenzung durchzusetzen oder Betroffene zur Kündigung zu drängen.

1.2 Rechtliche Einordnung

Mobbing ist kein eigenständiger Straftatbestand, kann jedoch diverse Rechtsverletzungen (Beleidigung, Nötigung, Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) erfüllen, die zivil- oder strafrechtlich relevant sind​. Arbeitsrechtlich sind insbesondere folgende Regelungen einschlägig:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): § 241 Abs. 2 (Schutzpflichten), § 242 (Treu und Glauben) und § 611a (Arbeitsvertrag) begründen Fürsorge- und Schutzpflichten des Arbeitgebers.

  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Verbot von Belästigung und Benachteiligung, Beweislastumkehr für Benachteiligte​.

  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Pflicht des Arbeitgebers, psychische Gefährdungen zu beurteilen und zu minimieren.

  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Mitwirkungs- und Beschwerderechte des Betriebsrats.

2. Rechtlicher Rahmen

2.1 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen Beschäftigte vor Mobbing schützen und bei Kenntnis wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen. Unterlassen sie dies, verletzt dies ihre arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht, was Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche begründet​.

2.2 Sanktionen und Ansprüche

  • Unterlassungsklage: Betroffene können gerichtlich durchsetzen, dass das schikanöse Verhalten unterbleibt.

  • Schadensersatz und Schmerzensgeld: Bei schuldhaft verursachten Gesundheitsschäden kann Schadenersatz verlangt werden; die Ansprüche unterliegen jedoch Ausschlussfristen, etwa sechs Monate nach Kenntnis​.

  • Arbeitsverweigerungsrecht: Gemäß § 273 BGB darf ein Arbeitnehmer die Arbeitsleistung verweigern, wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt​.

  • Strafrechtliche Schritte: Bei Beleidigung (§ 185 StGB), Nötigung (§ 240 StGB) oder Körperverletzung können Betroffene Strafanzeigen stellen.

3. Wichtige Gerichtsentscheidungen

3.1 BAG, Beschluss vom 15. Januar 1997 (Az. 7 ABR 14/96)

Das BAG erkannte Mobbing als fortlaufende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ausschlussfristen beginnen mit der letzten Mobbinghandlung, nicht mit dem ersten Vorfall.

3.2 Weitere Urteile

  • BAG, 8 AZR 593/06 (25. 10. 2007): Schadensersatzansprüche bei Mobbing können verjähren, sind jedoch im Kontext der Gesamttat zu betrachten​.

  • LAG Berlin-Brandenburg, 15 Sa 1463/09 (09. 12. 2009): Betriebsvereinbarungen können Kündigungen unwirksam machen, wenn der Arbeitgeber beweiswidrig gegen interne Regeln verstößt​.

4. Handlungsmöglichkeiten für Betroffene

4.1 Dokumentation und interne Schritte

Betroffene sollten sämtliche Vorkommnisse (Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen, Art der Handlung) systematisch dokumentieren und den Betriebsrat oder die Personalabteilung informieren​.

4.2 Externe Rechtsdurchsetzung

  1. Unterlassungs- und Schadensersatzklage: Ein Fachanwalt kann die Erfolgsaussichten prüfen.

  2. Beweislastumkehr nach AGG: Im Diskriminierungsfall erleichtert die Umkehr der Beweislast die Klage​.

  3. Strafanzeige: Bei schwerwiegenden Delikten wie Nötigung oder Körperverletzung.

  4. Arbeitsgerichtliche Verfahren: Eilrechtsschutz bei Gesundheitsgefahr.

5. Prävention und Unternehmensverantwortung

5.1 Präventive Maßnahmen

  • Schulung von Führungskräften in sozialer Kompetenz und Konfliktmanagement.

  • Klare Verhaltenskodizes und Betriebsvereinbarungen gegen Mobbing.

  • Frühwarnsysteme, etwa anonyme Mitarbeiterbefragungen und externe Ombudsstellen​.

5.2 Rolle des Betriebsrats

Der Betriebsrat kann bei Mobbing-Vorwürfen vermitteln, Schutzmaßnahmen initiieren und Betriebsvereinbarungen mitgestalten (Initiativrecht nach BetrVG)​.

Fazit

Mobbing und Bossing als Mittel der „Kostensenkung“ sind rechtlich unzulässig und können schwerwiegende Konsequenzen für Arbeitgeber haben. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen – von der Dokumentation über innerbetriebliche Beschwerden bis hin zu gerichtlichen Schritten. Unternehmen sind in der Pflicht, präventiv tätig zu werden und ein gesundes Arbeitsklima zu fördern, um ethischen und rechtlichen Risiken vorzubeugen.