Mobilfunkanbieter zur automatischen Umstellung aller Kunden auf regulierten Roaming-Tarif verpflichtet

03. September 2020 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 03.09.2020 zum Aktenzeichen C-539/19 entschieden, dass Mobilfunkanbieter ab dem 15.06.2017 verpflichtet waren, ihre Kunden automatisch auf den neuen regulierten Roamingtarif umzustellen.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 03.09.2020 ergibt sich:

Die Umstellung bei Kunden, die sich bis dahin in einem speziellen, nicht regulierten Roamingtarif befanden, hätte nicht von einem „Opt in“ per SMS oder App abhängig gemacht werden dürfen, so der EuGH.

In der EU wurden die Endkunden-Roamingaufschläge mit Wirkung vom 15.06.2017 abgeschafft. Der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen beanstandet vor dem LG München I, dass die u.a. unter dem Namen „O2“ tätige Telefónica Germany nur diejenigen Kunden, die sich schon vor dem 15.06.2017 im regulierten Roamingtarif befanden, automatisch auf den neuen regulierten Roamingtarif umstellte, hingegen aber von Kunden, die bis dahin einen speziellen, sog. alternativen Roamingtarif besaßen, verlangte, O2 gegenüber eine gesonderte Erklärung per SMS und/oder über die O2-App abzugeben, um die Vorteile des neuen regulierten Roamingtarifs zu erhalten. Nach Ansicht des Bundesverbands hätten alle Kunden automatisch auf den neuen regulierten Tarif umgestellt werden müssen. )
Das LG München I hat den EuGH vor diesem Hintergrund um Auslegung der EU-Roaming-Verordnung Nr. 531/2012 ersucht.

Der EuGH hat dem LG München I wie folgt geantwortet:

Art. 6a und Art. 6e Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.06.2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union in der durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Roaminganbieter ab dem 15.06.2017 verpflichtet waren, den u.a. in Art. 6a dieser Verordnung vorgesehenen regulierten Roamingtarif automatisch auf alle ihre Kunden anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Kunden zuvor einen regulierten Roamingtarif oder einen anderen Tarif als den regulierten Roamingtarif gewählt hatten, es sei denn, dass sie vor dem Stichtag des 15.06.2017 gemäß dem dafür in Art. 6e Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung vorgesehenen Verfahren ausdrücklich erklärt haben, dass sie einen solchen anderen Tarif nutzen möchten.

Nach Ansicht des EuGH sprechen sowohl der Wortlaut der einschlägigen Verordnungsbestimmungen als auch ihr Zusammenhang für eine automatische Umstellung aller Kunden auf den neuen regulierten Roamingtarif („Roam like at home“ ₌ Roaming zu Inlandspreisen). Der Unionsgesetzgeber habe eindeutig beabsichtigt, der automatischen Einführung des neuen Tarifs für alle Kunden den Vorzug zu geben.

Zudem bestehe das Ziel der Verordnung darin, „einen Binnenmarkt für Mobilfunkdienste zu schaffen, auf dem schließlich nicht mehr zwischen Inlands- und Roamingtarifen unterschieden wird“. Die automatische Umstellung auf den Tarif Roam like at home für alle Roamingkunden stehe mit diesem Ziel voll und ganz im Einklang. Hingegen könnte das Erfordernis einer Aktivierung dieses Tarifs mittels einer ausdrücklichen Willensbekundung („Opt in“) in Fällen, in denen der andere Tarif weiterhin über dem nationalen Tarif liege, diesem Ziel zuwiderlaufen.