Müssen Abfindungszahlungen versteuert werden?

23. November 2025 -

Kurzfassung: Ja, Abfindungen unterliegen in Deutschland der Einkommensteuer. Sie sind zwar sozialversicherungsfrei, müssen aber als Einkommen versteuert werden. Allerdings sieht das Steuerrecht eine Begünstigung durch die sogenannte Fünftelregelung (§ 34 EStG) vor. Diese kann die Steuerlast auf eine Abfindung spürbar senken, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte der aktuellen Rechtslage – Stand 2025 – erläutert, inklusive steuerlicher Einstufung, Fünftelregelung mit Beispielrechnung, Gestaltungsoptionen und Freibeträge, Besonderheiten bei tarifvertraglichen oder gerichtlichen Abfindungen sowie Hinweise auf Risiken bei falscher Anwendung.

Steuerliche Einordnung von Abfindungen

Eine Abfindungszahlung ist grundsätzlich kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt, sondern eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Daher fallen darauf keine Beiträge zur Kranken-, Renten- oder Arbeitslosenversicherung an. Es handelt sich jedoch um steuerpflichtiges Einkommen im Rahmen der Einkommensteuer. Gesetzlich werden Abfindungen steuerlich wie Arbeitslohn behandelt, aber als außerordentliche Einkünfte eingestuft. Das bedeutet, dass Lohnsteuer einbehalten wird und die Abfindung im Rahmen der Einkommensteuererklärung deklariert werden muss.

Hinweis: Seit 2025 wird die Fünftelregelung nicht mehr bereits beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber berücksichtigt (Änderung durch das Wachstumschancengesetz). Eine Abfindung wird im Auszahlungsmonat daher wie normaler Lohn besteuert und es wird zunächst relativ hohe Lohnsteuer einbehalten. Der Arbeitnehmer kann den Steuervorteil der Fünftelregelung aber nachträglich im Rahmen der Jahressteuererklärung erhalten. Es ist also üblich, dass zunächst mehr Lohnsteuer abgezogen wird und das Finanzamt nach Erklärung eine Steuererstattung vornimmt.

Ermäßigte Besteuerung nach der Fünftelregelung (§ 34 EStG)

Um die hohe Steuerprogression bei einmaligen Entschädigungen zu mildern, sieht § 34 Abs. 1 EStG die Fünftelregelung vor. Diese ermöglicht eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung, indem sie rechnerisch auf fünf Jahre verteilt wird. Wichtig: Die Fünftelregelung greift nur bei echten Abfindungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (sog. Entlassungsentschädigungen nach § 24 Nr. 1a EStG). Kein ermäßigter Steuersatz gilt etwa für nachträglich ausgezahltes Gehalt, Boni, Urlaubsauszahlungen oder Überstundenvergütungen, da diese kein Ersatz für entgehenden Lohn darstellen.

Voraussetzungen der Fünftelregelung

  • Zusammenballung der Einkünfte: Die Abfindung muss zusammengeballt in einem Kalenderjahr zufließen. Eine Verteilung auf mehrere Jahre ist schädlich, da ansonsten keine außergewöhnliche Zusammenballung vorliegt. In dem Jahr des Zuflusses müssen die Einkünfte durch die Abfindung höher sein als ohne die Auflösung des Arbeitsvertrags – nur dann liegt ein außerordentlicher, einmaliger Charakter vor. (Beispiel: Wird jemand zum Jahresende gekündigt und erhält eine Abfindung, erhöht die Abfindung sein Jahreseinkommen über das normale Gehalt hinaus. Läuft der Vertrag stattdessen regulär aus und die Abfindung entspricht nur dem entgangenen Restgehalt, fehlt es an einer solchen Einkommenssteigerung.)
  • Entschädigung für künftige Einkünfte: Die Zahlung muss im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen – etwa aufgrund einer Kündigung, eines Aufhebungsvertrags oder eines Gerichtsurteils. Sie darf nicht als Gegenleistung für bereits erarbeitete Ansprüche erfolgen. Auch bei einer einvernehmlichen Aufhebung (Aufhebungsvertrag) wird die Abfindung steuerlich als Entschädigung anerkannt, ohne dass der Arbeitnehmer eine besondere Drucksituation nachweisen muss (BFH-Urteil vom 13.03.2018, Az. IX R 16/17).
  • Einmalige Zahlung (bis auf geringfügige Teile): Die Steuerbegünstigung gilt im Regelfall nur, wenn die Abfindung als einmalige Summe ausgezahlt wird. Teilzahlungen in verschiedenen Jahren gefährden die Fünftelregelung. Ausnahme: Eine kleine Teilzahlung (Nebenzahlung) von maximal ca. 5–10 % der Hauptsumme, die in ein anderes Jahr verschoben wird, ist unschädlich. Die Finanzverwaltung erkennt inzwischen eine Verschiebung von bis zu 10 % der Abfindung in ein anderes Jahr an, ohne den Steuervorteil zu verlieren. Dies folgt einem BFH-Urteil, das der Bundesfinanzhof 2015 gefällt hat, und wurde mit BMF-Schreiben vom 04.03.2016 ausdrücklich klargestellt.

Wirkungsweise der ermäßigten Besteuerung

Die Fünftelungsmethode reduziert nicht die Steuer an sich, sondern den Progressionseffekt. Praktisch wird die Steuer so berechnet, als ob man die Abfindung auf fünf Jahre verteilt hätte. Technisch geht das Finanzamt in drei Schritten vor:

  1. Steuer ohne Abfindung: Zuerst wird die Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne die Abfindung berechnet.
  2. Steuer mit 1/5 Abfindung: Dann wird fiktiv ein Fünftel der Abfindung zum Einkommen hinzugerechnet und darauf die Steuer neu berechnet. (Nur ein Fünftel, um den Fünf-Jahres-Zeitraum zu simulieren.)
  3. Differenz x 5: Die Differenz zwischen beiden Steuerbeträgen wird anschließend verfünffacht und zu der Steuer aus Schritt 1 addiert. Dieses Ergebnis ist die tarifermäßigte Steuer, die auf das gesamte Einkommen inkl. Abfindung entfällt.

Durch diese Methode bleibt der Grundfreibetrag unberührt und die höheren Steuersätze wirken sich nur auf ein Fünftel der Abfindung aus, was zu einer spürbaren Steuerentlastung führen kann. Insbesondere bei hohen Abfindungen und geringem sonstigen Einkommen im Zuflussjahr ist der Effekt groß.

Beispielrechnung (Fünftelregelung)

Angenommen, eine Arbeitnehmerin (Steuerklasse I, keine Kinder) verdient 38.000 € Jahresbrutto und erhält im Kündigungsjahr eine Abfindung von 15.000 €:

Berechnungsschritt Einkommensteuer
Steuer auf Jahreseinkommen ohne Abfindung (38.000 €) 7.765 €
Steuer auf Einkommen mit 1/5 Abfindung (38.000 € + 3.000 € = 41.000 €) 8.802 €
Differenz 1.037 €
Differenz × 5 = Steuer auf Abfindung 5.185 €

Im Ergebnis beträgt die Einkommensteuer auf die Abfindung 5.185 € (statt ca. 5.600 € bei voller Versteuerung ohne Fünftelregelung). Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Effektiv wird die 15.000 €-Abfindung hier mit etwa 34,5 % Steuersatz belastet, statt mit rund 37 % ohne Tarifermäßigung. Die Fünftelregelung hat so den Steuersatz merklich gesenkt.

Hinweis: Die tatsächliche Steuerberechnung ist komplex und im Einzelfall können Abweichungen auftreten (etwa durch weitere Einkünfte, abzugsfähige Beträge, Progressionsvorbehalt bei Arbeitslosengeld I etc.). Die obige Rechnung veranschaulicht jedoch das Prinzip.

Aktuelle Freibeträge und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten

Reine Steuerfreibeträge für Abfindungen gibt es seit 2006 nicht mehr. Bis Ende 2005 galten gestaffelte steuerfreie Beträge (z.B. 7.200 €, erhöht auf 11.000 € bei über 55-Jährigen mit >20 Dienstjahren). Diese wurden jedoch zum 1. Januar 2006 ersatzlos abgeschafft. Heute muss jede Abfindung voll versteuert werden – abgesehen von den Vergünstigungen durch die Fünftelregelung. Dennoch bestehen Gestaltungs- und Optimierungsmöglichkeiten, um die Steuerlast zu reduzieren oder die Zahlung sinnvoll einzusetzen. Im Folgenden einige wichtige Ansätze:

  • Auszahlungszeitpunkt ins Folgejahr verlagern: Durch geschickte Timing kann der Progressionseffekt gemildert werden. Endet das Arbeitsverhältnis z.B. zum 31. Dezember, lohnt es sich oft, die Abfindung erst im Januar des Folgejahres auszuzahlen. Dann fällt die Abfindung in ein Jahr, in dem der Arbeitnehmer wenig oder kein weiteres Einkommen hat, was den Steuersatz senkt. Rechtlich ist eine solche Verschiebung zulässig – sie gilt nicht als unzulässiger Gestaltungsmissbrauch, sofern der Arbeitnehmer bis zur tatsächlichen Zahlung keine Verfügungsgewalt über das Geld hat. Nach aktueller Rechtsprechung (FG Baden-Württemberg) darf ein bereits vereinbarter Abfindungstermin einvernehmlich aus steuerlichen Gründen nach hinten geschoben werden. Dies ist legitim, zumal der Arbeitnehmer durch den Zahlungsaufschub einen Zinsnachteil in Kauf nimmt und die Steueroptimierung als vernünftiger wirtschaftlicher Grund anerkannt wird. – Achtung: Wichtig ist der tatsächliche Zuflusszeitpunkt. Die Abfindung wird in dem Kalenderjahr besteuert, in dem sie ausgezahlt wird. Eine Vereinbarung, die Zahlung aufzuschieben, muss daher vorher klar getroffen werden. Eine im Nachhinein rückdatierte Änderung oder vorab verdeckte Auszahlung wäre steuerlich unwirksam und ggf. rechtswidrig.
  • Teilzahlung/Stundung in Raten: Idealerweise sollte die Abfindung einmalig gezahlt werden, um die Fünftelbegünstigung voll zu erhalten. Aufteilungen auf mehrere Jahre führen in der Regel zum Verlust der Steuerermäßigung. Dennoch gibt es begrenzten Spielraum: Eine geringfügige zweite Rate (<= 10 %) im Folgejahr akzeptiert das Finanzamt – z.B. wenn ein kleiner Restbetrag erst später fließt. Diese Nebenleistung darf entweder höchstens 10 % der Hauptabfindung betragen oder kleiner sein als der durch die Hauptzahlung erzielte Steuervorteil. In der Praxis bedeutet das: Ein Großteil (mind. ~90 %) der Abfindung sollte in einem Jahr zugehen, damit § 34 EStG greift. Gestaffelte Raten über mehrere Jahre oder eine bewusste Verteilung in gleich großen Jahresbeträgen sind steuerlich kontraproduktiv – die Vergünstigung ginge verloren und insgesamt fiele meist mehr Steuer an. Wer Liquiditätsgründe hat, die für Raten sprechen, sollte dies sehr sorgfältig planen und die 1/5-Regelung gegenrechnen lassen.
  • Nutzung betrieblicher Altersversorgung (bAV): Seit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz 2018 gibt es die Möglichkeit, eine Abfindung steuergünstig in Altersvorsorge-Beiträge umzuwandeln. Einzahlungen in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds können bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerfrei erfolgen. Konkret bleibt ein Betrag in Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung multipliziert mit der Anzahl der Betriebsjahre (max. 10 Jahre) steuerfrei.

Beispiel: Bei 10 Jahren Betriebszugehörigkeit und einheitlicher Beitragsbemessungsgrenze 2025 (West/Ost) von 8.050 € mtl. ergibt sich ein steuerfreier Höchstbetrag von 38.640 € (8050 € × 12 Monate × 4 % × 10 Jahre). Bis zu dieser Summe kann die Abfindung direkt in eine bAV fließen, ohne dass Lohnsteuer anfällt. Die spätere Betriebsrente wird dann allerdings voll nachgelagert besteuert. Wichtig: Dieser Spielraum besteht nur, wenn der bAV-Höchstbetrag nicht bereits durch andere Beiträge ausgeschöpft ist (z.B. laufende Entgeltumwandlungen). Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen eine entsprechende Vereinbarung treffen, damit ein Teil der Abfindung unmittelbar in die bAV-Kasse fließt. Für den Arbeitnehmer ergibt sich der Vorteil, dass er einen Teil der Abfindung brutto für die Altersvorsorge nutzt und erst im Rentenbezug versteuert – oft zu einem dann niedrigeren Steuersatz.

  • Spezielle Modelle für ältere Arbeitnehmer: In Sozialplänen oder Aufhebungsverträgen für rentennahe Jahrgänge werden Abfindungen teils gezielt zur Überbrückung zum Ruhestand eingesetzt. Ein Beispiel ist die Übernahme zusätzlicher Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung durch den Arbeitgeber, um Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt auszugleichen. Steuerlich gilt: Übernimmt der Arbeitgeber Rentenbeiträge als Teil der Abfindung, ist die Hälfte dieser Beiträge bis zu bestimmten Grenzen steuerfrei (§ 3 Nr. 28 EStG), während die andere Hälfte als steuerpflichtige Abfindung behandelt wird. Die steuerpflichtige Hälfte kann wiederum unter die Fünftelregelung fallen. Auf diesem Wege lässt sich eine Abfindung so strukturieren, dass 50 % direkt brutto in die Rentenkasse fließen (steuerfrei) und nur die restlichen 50 % der Einkommensteuer unterliegen. Solche Modelle bedürfen maßgeschneiderter Beratung, da die Berechnungsgrundlagen (Höchstbeträge, § 3 Nr. 28 EStG) komplex sind und meist individuelle Voraussetzungen (Alter, Rentenbeginn) vorliegen.
  • Gestaltung des Aufhebungsvertrags: Viele der genannten Vorteile hängen von einer sorgfältigen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab. Im Aufhebungsvertrag (oder Vergleich) sollte klar geregelt sein, wofür die Abfindung gezahlt wird (nämlich als Entschädigung für den Jobverlust). Es ist ratsam, separate Zahlungen für andere Ansprüche (wie offener Bonus, Urlaub, Wettbewerbsverbote etc.) getrennt auszuweisen, statt alles pauschal als „Abfindung“ zu deklarieren. So vermeiden die Parteien, dass das Finanzamt Teile der Zahlung im Nachhinein als normalen Arbeitslohn einstuft (mit voller Steuerlast und ggf. Sozialabgaben). Zudem kann im Vertrag der Auszahlungsmonat strategisch festgelegt werden (siehe oben), sofern beide Seiten damit einverstanden sind. Auch die Option einer bAV-Umwandlung sollte vertraglich festgehalten werden, wenn sie genutzt werden soll (inkl. Höhe des umzuwandelnden Betrags). Kurzum: Arbeitgeber und Arbeitnehmer können durch eine geschickte Vertragsgestaltung die steuerlichen Spielräume optimal ausschöpfen – am besten mit Unterstützung eines im Steuer- und Arbeitsrecht versierten Beraters.

Besonderheiten bei tarifvertraglichen oder gerichtlichen Abfindungen

Abfindungen können auf verschiedenen Wegen zustande kommen – frei ausgehandelt, aufgrund eines Sozialplans/Tarifvertrags oder durch ein gerichtliches Urteil. Steuerlich ergeben sich dabei keine grundsätzlichen Unterschiede: Jede Abfindung ist steuerpflichtig und kann unter die Fünftelregelung fallen, sofern es sich um eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes handelt. Einige Punkte verdienen jedoch Beachtung:

  • Sozialplan-Abfindungen (tarifvertraglich oder betrieblich vereinbart): Wird ein Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozialplans entlassen und erhält eine Abfindung, so ist diese ebenso voll einkommensteuerpflichtig. Freibeträge gibt es keine (mehr), auch nicht für Sozialplanfälle. Oft werden solche Abfindungen unmittelbar mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt. Individuelle Abweichungen beim Zahlungszeitpunkt sind hier manchmal schwieriger zu verhandeln, da der Sozialplan i.d.R. einheitlich für alle gilt. Dennoch können Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem einzelnen Arbeitnehmer auch hier eine Verschiebung vornehmen (wie im oben genannten Fall, wo trotz Sozialplan die Zahlung auf Januar verschoben wurde). Tarifliche Abfindungen (z.B. in bestimmten Branchen oder nach bestimmten Tarifverträgen) folgen demselben Prinzip. Wichtig ist, dass es sich tatsächlich um eine Entlassungsentschädigung gemäß § 24 EStG handelt – was bei Sozialplänen/Tarifverträgen in der Regel der Fall ist, da sie ja wegen einer Betriebsänderung oder Restrukturierung gezahlt werden. Arbeitnehmer sollten wissen, dass auch Sozialplan-Abfindungen steuerlich begünstigt werden können (Fünftelregelung via Steuererklärung), selbst wenn zunächst bei Auszahlung hoher Lohnsteuerabzug erfolgt.
  • Gerichtlich zugesprochene Abfindungen: In Kündigungsschutzprozessen kommt es gelegentlich vor, dass das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Abfindungszahlung auflöst (§ 9 KSchG, sog. Auflösungsurteil). Auch Abfindungen, die durch Urteil oder gerichtlichen Vergleich festgesetzt werden, sind steuerpflichtig. Sie erfüllen aber in aller Regel die Voraussetzungen einer Entschädigung, da sie vom Gericht anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses gewährt werden. Steuerlich werden sie daher wie verhandelte Abfindungen behandelt. Besonderheit: Bei gerichtlichen Abfindungen ist oft weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer ein direkter Gestaltungsspielraum beim Betrag oder Zeitpunkt gegeben – das Gericht setzt eine Summe (oft nach § 10 KSchG mit Begrenzung auf bis zu 12 bzw. 18 Monatsgehälter) fest. Die Zahlung erfolgt meist kurz nach Rechtskraft des Urteils. Eine Steueroptimierung durch Verschieben ist hier praktisch nur möglich, wenn sich das Verfahren zeitlich so erstreckt, dass das Urteil erst im Folgejahr vollstreckt wird. In der Steuererklärung kann der Empfänger natürlich trotzdem die Fünftelregelung beantragen. Hinweis: Gerichtliche Abfindungen wurden früher – ebenso wie Abfindungen aufgrund vom Arbeitgeber veranlasster Auflösung – vom Gesetz begünstigt (siehe § 3 Nr. 9 EStG a.F.). Diese Unterscheidung spielt heute keine Rolle mehr; maßgeblich ist allein, dass es sich um eine Entlassungsentschädigung handelt.
  • Abfindungen nach § 1a KSchG: Das Kündigungsschutzgesetz bietet in § 1a die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber bei betriebsbedingter Kündigung von sich aus eine Abfindung anbietet (0,5 Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit) für den Fall, dass der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Nimmt der Arbeitnehmer an, entsteht ein gesetzlicher Abfindungsanspruch. Steuerlich ist auch eine solche § 1a-Abfindung nichts anderes als Arbeitslohn für den Verlust des Arbeitsplatzes – also steuerpflichtig mit Fünftelregelungsmöglichkeit. Hier ist zu beachten, dass die Kündigung mit Einhaltung der ordentlichen Frist erfolgt; der Zufluss ist dann meist zum Kündigungstermin oder kurz danach. Eine Verzögerung ins nächste Jahr lässt sich allenfalls einvernehmlich mit dem Arbeitgeber arrangieren, da § 1a selbst keinen Zeitpunkt vorschreibt. Für die Agentur für Arbeit gilt eine nach § 1a KSchG gezahlte Abfindung übrigens als anrechnungsfrei aufs Arbeitslosengeld (kein Ruhen des Anspruchs) – was aber keine Auswirkungen auf die Besteuerung hat (hier greift weiterhin die normale Einkommensteuer).

Zusammengefasst unterscheiden sich tarifvertragliche, sozialplanbasierte oder gerichtliche Abfindungen hinsichtlich der Steuerpflicht nicht von frei ausgehandelten Abfindungen. In allen Fällen gilt: Keine pauschale Steuerfreiheit, aber Möglichkeit der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG, sofern die Zahlung als Entschädigung für entgehenden Arbeitslohn wegen Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlt wird.

Risiken bei fehlerhafter Anwendung oder unzulässiger Gestaltung

Bei Abfindungen lohnt es sich, steuerliche Aspekte vorausschauend zu planen – falsche Gestaltung kann teure Folgen haben. Auf folgende Risiken sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten:

  • Verlust der Steuervergünstigung durch falsche Aufteilung: Wird eine an sich begünstigungsfähige Abfindung auf mehrere Jahre verteilt, kann das Finanzamt die Einstufung als außerordentliche Einkünfte versagen. Folge: Volle Besteuerung zum normalen Steuertarif ohne Entlastung. Beispiel: Man vereinbart zwei gleich große Raten in zwei Kalenderjahren – hier liegt keine Zusammenballung vor, die Fünftelregelung greift nicht. Tipp: Wenn Ratenzahlung nötig ist, möglichst Hauptbetrag in einem Jahr und nur einen kleinen Rest (<= 10 %) später zahlen, um innerhalb der Toleranzgrenze zu bleiben.
  • Fehlerhafte Deklaration im Aufhebungsvertrag: Oft werden in Abfindungsvereinbarungen mehrere Posten geregelt (Abfindung, Boni, Resturlaub, Wettbewerbsentschädigung etc.). Werden hier versehentlich echte Arbeitslohnansprüche als Teil der „Abfindung“ deklariert, kann das Finanzamt den begünstigten Steuersatz insoweit verweigern. Ausgezahlter Resturlaub oder Bonus sind normaler Lohn und unterliegen der vollen Steuerprogression (und Sozialabgaben) – eine Fünftelermäßigung ist darauf unzulässig. Daher unbedingt im Vertrag klar trennen, wofür die Zahlung erfolgt. Im Zweifelsfall mehrere Beträge ausweisen (etwa „Abfindung gemäß § 1a KSchG“ und „Auszahlung Überstunden“ getrennt). So vermeidet man, dass der Steuervorteil durch nachträgliche Korrektur verloren geht.
  • Unzulässige Steuervermeidungskonstrukte: Die Finanzverwaltung achtet darauf, dass Gestaltungen einen wirtschaftlichen Hintergrund haben und nicht nur dem Steuer sparen dienen. Zwar ist – wie oben erwähnt – das gezielte Timing einer Abfindung anerkannt und kein Gestaltungsmissbrauch. Unzulässig wäre jedoch z.B., die Abfindung scheinbar ins nächste Jahr zu verschieben, dem Mitarbeiter aber das Geld faktisch doch vorher zugänglich zu machen. Ebenso riskant sind Scheinaufteilungen, etwa wenn im Aufhebungsvertrag willkürlich ein Teil der Summe als „Schmerzensgeld“ bezeichnet wird, obwohl gar kein entsprechender Schadensersatzanspruch (etwa wegen Mobbings o.ä.) besteht. Solche Manöver werden steuerlich korrigiert – das „Schmerzensgeld“ würde als normale Abfindung nachversteuert, ggf. mit Verspätungszinsen oder gar Bußgeldern. Faustregel: Nur genuine immaterielle Schadensersatzleistungen (z.B. Entschädigungen nach AGG wegen Diskriminierung) sind steuerfrei. Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist dagegen immer steuerpflichtig, unabhängig von der Bezeichnung. Versuche, dies durch begriffliche Tricks zu umgehen, sind zum Scheitern verurteilt.
  • Zusammenwirken mit Sozialleistungen: Zwar gehört dies nicht zum Steuerrecht, aber der Vollständigkeit halber: Bei Arbeitslosengeld-Bezug können Abfindungen eine Sperrzeit oder Ruhezeit auslösen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde. Das beeinflusst zwar nicht die Besteuerung, kann aber die finanzielle Planung des Arbeitnehmers durcheinanderbringen. Steuerlich relevant ist jedoch der Progressionsvorbehalt: Arbeitslosengeld I selbst ist steuerfrei, erhöht aber den Steuersatz auf andere Einkünfte. Wenn also im Abfindungsjahr (oder Folgejahr) ALG I bezogen wird, steigt der Steuersatz auf die Abfindung entsprechend. Die Fünftelregelung mildert zwar die Progression der Abfindung an sich, nicht jedoch den Effekt des Progressionsvorbehalts durch Lohnersatzleistungen. Dieses komplexe Zusammenspiel sollte in die Steuerplanung einbezogen werden, um keine Überraschungen zu erleben.
  • Fristgerechte Erklärung und Nachweise: Soll die Fünftelregelung angewandt werden, muss die Abfindung in der Steuererklärung korrekt angegeben werden (Anlage N, gesonderter Eintrag für „ermäßigt besteuerte Entschädigungen“). Unterlässt man die Steuererklärung, verschenkt man unter Umständen Geld. Gerade ab 2025, da der Arbeitgeber die Ermäßigung beim Lohnsteuerabzug nicht mehr berücksichtigt, ist es unerlässlich, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, um den zu viel gezahlten Lohnsteuerbetrag zurückzuholen. Arbeitgeber sind verpflichtet, Abfindungszahlungen und angewandte Steuervergünstigungen in der Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen. Arbeitnehmer sollten diese Belege aufbewahren. Fehler bei der Bescheinigung oder fehlende Unterlagen können im Nachhinein korrigiert werden, erfordern aber meist zusätzlichen Aufwand.

Abfindungen müssen versteuert werden, aber das deutsche Steuerrecht bietet mit § 34 EStG ein Instrument, um die Steuerlast gerechter zu verteilen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten die Voraussetzungen der Fünftelregelung kennen und im Aufhebungsvertrag auf eine steuereffiziente Gestaltung achten. Individuelle Beratung (etwa durch Fachanwalt für Arbeitsrecht und Steuerberater) ist bei hohen Abfindungen ratsam, um alle Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen und Fehler zu vermeiden. So lässt sich sicherstellen, dass von der oft einmaligen Abfindungszahlung netto möglichst viel übrig bleibt.