Müssen Arbeitsverträge schriftlich geschlossen werden?

21. Oktober 2025 -

Ein Arbeitsvertrag muss nicht zwingend schriftlich abgeschlossen werden. Das deutsche Recht kennt keine allgemeine Schriftformpflicht für Arbeitsverträge – ein mündlicher Vertrag per Handschlag oder eine mündliche Zusage ist grundsätzlich genauso wirksam wie ein schriftlicher Vertrag. Trotzdem empfiehlt es sich dringend, die Bedingungen schriftlich festzuhalten. Gesetzliche Sonderregeln (z. B. bei Befristungen) erfordern im Einzelfall eine Schriftform, und Arbeitgeber sind verpflichtet, die wichtigsten Arbeitsbedingungen schriftlich zu dokumentieren (Nachweisgesetz). Nachfolgend erfahren Sie, was rechtlich gilt, welche Fallstricke drohen und welche Praxistipps Arbeitnehmer und Arbeitgeber beachten sollten.

1. Formfreiheit: Arbeitsverträge mündlich oder schriftlich?

In Deutschland sind Arbeitsverträge formfrei. Weder das BGB noch andere Gesetze schreiben für den Abschluss eines gewöhnlichen Arbeitsvertrags eine bestimmte Form vor. Nach § 611a BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag zur weisungsgebundenen Arbeit für den Arbeitgeber verpflichtet, und der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung – ohne dass das Gesetz hierfür eine Schriftform vorschreibt. Ein Arbeitsvertrag kann daher mündlich geschlossen werden, etwa durch eine mündliche Jobzusage oder einen Handschlag, sobald Einigkeit über die wesentlichen Vertragsbedingungen besteht (insbesondere Parteien, Tätigkeit und Vergütung). Auch ein mündlich vereinbarter Arbeitsvertrag ist voll rechtswirksam – es entstehen alle üblichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer muss die Arbeit leisten, der Arbeitgeber den Lohn zahlen, Urlaubsansprüche und Kündigungsschutz wachsen mit der Zeit etc., genau wie bei einem schriftlichen Vertrag.

Beispiel: Ein Arbeitgeber sagt am Telefon zu: „Sie sind ab nächstem Monat eingestellt, 40 Stunden/Woche für 3.000 € brutto.“ Der Bewerber willigt ein. Damit ist ein gültiger Arbeitsvertrag zustande gekommen – auch ohne schriftliche Unterlagen. Wichtig ist allein, dass Angebot und Annahme über die essentiellen Punkte übereinstimmen.

2. Gesetzliche Ausnahmen: Wann ist Schriftform vorgeschrieben?

Trotz der grundsätzlichen Formfreiheit gibt es einige gesetzliche Sonderfälle, in denen Schriftform zwingend vorgeschrieben ist. Dazu zählen insbesondere:

  • Befristete Arbeitsverträge: Ein befristeter Arbeitsvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden (§ 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG). Eine mündlich vereinbarte Befristung ist unwirksam – fehlt die Schriftform, gilt der Vertrag als unbefristet weiter. Arbeitgeber sollten daher bei Befristungen stets auf schriftliche Vereinbarungen achten, da ansonsten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen kann.
  • Kündigung und Aufhebungsvertrag: Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses erfordert zwingend Schriftform. Kündigungen (durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber) müssen schriftlich erfolgen und eigenhändig unterschrieben sein (§ 623 BGB); eine mündliche Kündigung ist rechtlich unwirksam. Gleiches gilt für Aufhebungs- oder Auflösungsverträge (einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrags) – auch diese sind nur wirksam, wenn sie schriftlich geschlossen werden. In der Praxis bedeutet dies z. B., dass eine bloße E-Mail oder SMS zur Kündigung nicht genügt – es muss ein unterschriebenes Papierdokument vorliegen.
  • Ausbildungsverträge: Beim Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags schreibt das Berufsbildungsgesetz zwingend die Schriftform vor (§ 11 Abs. 1 BBiG). Ein Ausbildungsvertrag muss schriftlich niedergelegt werden; ein rein mündlicher Lehrvertrag genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dies dient dem besonderen Schutz Auszubildender. (Hinweis: Elektronische Form ist hier nur zulässig, wenn die Ausfertigung vom Auszubildenden gespeichert und ausgedruckt werden kann.)
  • Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Vereinbarungen, die ein Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner Berufsausübung beschränken (Wettbewerbsverbote), bedürfen der Schriftform. Nach § 74 HGB muss ein Wettbewerbsverbot schriftlich vereinbart und dem Arbeitnehmer im Original ausgehändigt werden; bei Nichteinhaltung ist die Klausel nichtig (unwirksam). Arbeitgeber sollten daher Konkurrenzklauseln immer separat schriftlich fixieren.

Hinweis: Diese Sonderregelungen ändern aber nichts an der Wirksamkeit des Arbeitsvertrags als solchem. Selbst wenn z. B. eine Befristung mangels Schriftform unwirksam ist, bleibt der Arbeitsvertrag an sich gültig – nur eben unbefristet. Ebenso führt ein Verstoß gegen Formvorschriften (etwa wenn kein schriftlicher Nachweis ausgestellt wurde) nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsverhältnisses, sondern kann „nur“ andere Konsequenzen wie Schadenersatz oder Bußgelder auslösen.

3. Mündlicher Arbeitsvertrag – was sind die Folgen?

Ist ein Arbeitsvertrag mündlich geschlossen, bestehen alle gesetzlichen Rechte und Pflichten genau so, als gäbe es einen schriftlichen Vertrag. Insbesondere gelten sämtliche Schutzvorschriften des Arbeitsrechts: etwa der Mindestlohn, das Bundesurlaubsgesetz (Mindesturlaub von 24 Werktagen bei Vollzeit), das Entgeltfortzahlungsgesetz (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) und der allgemeine Kündigungsschutz (nach 6 Monaten Betriebszugehörigkeit in Betrieben >10 Mitarbeiter). Auch die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 BGB) gelten selbstverständlich. Fehlt ein schriftlicher Arbeitsvertrag, ändert dies nichts an diesen Rechten – der Arbeitnehmer ist keineswegs „vogelfrei“ oder rechtlos.

Allerdings: Die Beweisbarkeit der vereinbarten Bedingungen ist bei mündlichen Verträgen ein großes Problem (siehe Punkt 5). Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen oft nicht genau, was im Streitfall gilt, wenn nichts Schriftliches vorliegt. Welche Arbeitszeit war vereinbart? Welche Vergütung? Mündliche Abreden sind zwar gültig, aber im Nachhinein schwer zu beweisen. Daher raten Experten dringend, wichtige Absprachen schriftlich zu fixieren, selbst wenn der Vertrag mündlich geschlossen wurde. Im Zweifel hilft es, zumindest eine E-Mail zu schreiben, in der man die besprochenen Konditionen zusammenfasst – so entsteht ein nachweisbares Dokument.

4. Nachweisgesetz: Wesentliche Arbeitsbedingungen schriftlich dokumentieren

Auch wenn Arbeitsverträge nicht schriftlich geschlossen werden müssen, sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich festzuhalten und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Diese Verpflichtung regelt das Nachweisgesetz (NachwG). Es soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer Klarheit über die wichtigsten Vertragskonditionen haben. Wichtig zu wissen:

  • Schriftlicher Nachweis binnen eines Monats: Spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses muss der Arbeitgeber die wichtigsten Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen, unterschreiben und dem Arbeitnehmer übergeben. Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf diese Niederschrift. (Bei Arbeitsverträgen, die ab dem 1. 8. 2022 beginnen, sind sogar gestaffelte, teils kürzere Fristen zu beachten – siehe unten zu den Neuregelungen.)
  • Inhalt des Nachweises: Der Nachweis muss alle wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags enthalten. § 2 NachwG nennt insbesondere folgende Mindestangaben:
  • Name und Anschrift der Vertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer),
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses und bei Befristungen Enddatum bzw. voraussichtliche Dauer,
  • Arbeitsort (bei wechselnden Einsatzorten Hinweis hierauf),
  • kurze Beschreibung der Tätigkeit (Jobtitel/Position oder Aufgabenbereich),
  • Zusammensetzung und Höhe des Entgelts inklusive aller Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen und Fälligkeit (wann Gehalt ausgezahlt wird),
  • vereinbarte Arbeitszeit (Wochenstunden, Schichtsystem, Pausenregelungen),
  • Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs (Urlaubstage pro Jahr),
  • Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
  • Hinweise auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (falls solche kollektivrechtlichen Regelungen gelten).
  • Erweiterte Nachweispflichten seit August 2022: Durch die EU-Nachweisrichtlinie (RL (EU) 2019/1152) wurden die Arbeitgeberpflichten deutlich ausgeweitet. Deutschland hat diese Richtlinie zum 1. August 2022 in nationales Recht umgesetzt. Seitdem müssen im schriftlichen Nachweis noch mehr Einzelheiten angegeben werden. Neu hinzugekommen sind z. B.:
  • die Dauer der Probezeit, falls eine Probezeit vereinbart ist,
  • bei befristeten Verträgen: das konkrete Enddatum oder die vorgesehene Dauer der Befristung (nicht nur „voraussichtlich“ wie früher),
  • alle Bestandteile des Arbeitsentgelts (also z. B. auch Überstundenvergütungen, Zulagen, Zuschläge im Detail),
  • Arbeitszeitgestaltung: vereinbarte Ruhezeiten, Schichtsysteme, Schichtzulagen und Regelungen zur Abrufarbeit (Arbeit auf Abruf),
  • Verfahren bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses: Hinweis auf das gesetzliche Schriftformerfordernis einer Kündigung, die Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage (3 Wochen nach Zugang der Kündigung) und ggf. zuständige Stellen.

Arbeitgeber müssen nun also noch detailliertere Angaben machen. Verstöße werden seit 2022 auch sanktioniert: Wenn der Arbeitgeber diese Nachweispflicht nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erfüllt, handelt er ordnungswidrig. Es droht ein Bußgeld von bis zu 2.000 € pro Verstoß. Zuvor war es zwar rechtswidrig, keinen Nachweis zu erteilen, stellte aber keine Ordnungswidrigkeit dar – nun können Aufsichtsbehörden gezielt ahnden. Wichtig: Arbeitnehmer können auf den Nachweis nicht verzichten. Selbst wenn beide Seiten einvernehmlich „auf Papierkram verzichten“ wollen, *bleibt die Nachweispflicht bestehen. Auch ein vertraglicher Ausschluss dieser Pflicht wäre unwirksam.

  • Digital oder Papier? Neue Regelung ab 2025: Lange Zeit verlangte das Nachweisgesetz strikte Schriftform auf Papier. Elektronische Dokumente (E-Mail, PDF etc.) waren bis Ende 2024 nicht ausreichend – der Nachweis musste ausgedruckt und eigenhändig unterschrieben Seit 1. Januar 2025 gilt jedoch eine wichtige Neuerung: Der Nachweis kann nun auch in Textform* erbracht und *elektronisch übermittelt werden. Dies wurde durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) eingeführt, um den digitalen Vertragsabschluss zu erleichtern. Textform (§ 126b BGB) bedeutet, dass keine handschriftliche Unterschrift erforderlich ist – ein lesbares Dokument (z. B. PDF oder E-Mail) reicht, sofern es den Namen des Erklärenden trägt. Allerdings sind gewisse Voraussetzungen zu beachten:
  • Das elektronische Dokument muss dem Arbeitnehmer zugänglich sein und von ihm gespeichert und ausgedruckt werden können (d.h. keine Formate oder Sicherheitseinstellungen, die das verhindern).
  • Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, den Erhalt elektronisch zu bestätigen (Empfangsbestätigung) – so will man sicherstellen, dass die Informationen wirklich angekommen sind.
  • Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber die Nachweis-Dokumente nach wie vor in Papierform (schriftlich) zur Verfügung stellen. Wenn ein Arbeitnehmer also ausdrücklich eine schriftliche Ausfertigung wünscht, muss dieser Wunsch unverzüglich erfüllt werden – anderenfalls droht wiederum ein Bußgeld bis 2.000 €.

Achtung: Die neuen digitalen Erleichterungen gelten nicht uneingeschränkt. Ausgenommen von der Textform-Option sind z. B. Branchen mit erhöhtem Schwarzarbeitsrisiko (Bau, Gastronomie, Spedition u.a. nach § 2a SchwarzArbG) – hier bleibt aus Präventionsgründen die Papierform Pflicht. Ebenso müssen Praktikantenverträge ohne Mindestlohn weiterhin schriftlich festgehalten werden (§ 2 Abs. 1a NachwG). Und unabhängig vom Nachweisgesetz gilt: Echte Schriftform-Erfordernisse anderer Gesetze bleiben bestehen. So muss etwa eine befristete Vereinbarung trotz digitalem Nachweis weiterhin schriftlich im Original unterschrieben werden (§ 14 Abs. 4 TzBfG) – hier hat der Gesetzgeber nur eine Ausnahme für sog. Altersbefristungen (Vertragsende mit Renteneintrittsalter) geschaffen, die ab 2025 in Textform möglich sind. Auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot erfordert unverändert papierene Schriftform mit Originalunterschrift (siehe oben).

Zusammengefasst besteht in der Praxis ein faktischer Schriftformzwang für Arbeitsverträge: Spätestens kurz nach Arbeitsbeginn müssen alle Bedingungen schriftlich festgehalten werden. In den meisten Fällen geschieht das ohnehin durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag – dieser erfüllt dann die Nachweispflicht automatisch. Seit 2025 kann dieser Schritt nun auch digital erfolgen, was den Abschlussprozess erleichtert. Arbeitgeber sollten dennoch sorgfältig prüfen, ob in ihrem Fall noch eine Original-Unterschrift nötig ist (siehe Sonderfälle oben), um keine Formfehler zu begehen.

5. Risiken bei mündlichen Abreden: Beweisprobleme und Fallstricke

Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist zwar gültig, bringt aber erhebliche Beweisrisiken mit sich. Kommt es zum Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – etwa über die Höhe des Gehalts, vereinbarte Arbeitszeiten oder Zusatzleistungen – steht man ohne schriftliche Unterlagen oft vor dem Problem Aussage gegen Aussage. Vor Gericht trägt derjenige, der einen Anspruch geltend macht (oft der Arbeitnehmer), die Darlegungs- und Beweislast. Ohne schriftlichen Vertrag muss der Arbeitnehmer im Streitfall beweisen, dass ein Arbeitsverhältnis bestand und welche Konditionen vereinbart waren. Das ist in der Praxis äußerst schwierig:

  • Widersprüchliche Erinnerungen: Beide Seiten können den mündlichen Inhalt unterschiedlich erinnern oder darstellen. Was nicht dokumentiert ist, lässt sich im Nachhinein kaum objektiv feststellen. Selbst gutgläubige Parteien können bestimmte Details (etwa „War ein Bonus versprochen?“ oder „Wie viele Urlaubstage hatten wir besprochen?“) unterschiedlich in Erinnerung haben.
  • Zeugenproblematik: Theoretisch könnten Zeugen für mündliche Abreden benannt werden (etwa Kollegen, die ein Gespräch mithörten). In der Praxis sind solche Zeugen jedoch selten vorhanden – und wenn, oft wenig neutral. Kollegen wollen sich ungern gegen den Arbeitgeber stellen oder erinnern sich nicht genau. Häufig steht Aussage gegen Aussage ohne unabhängigen Beweis.
  • Beweismittel des Arbeitsalltags: Einige Indizien können helfen, z. B. E-Mails, Schriftverkehr oder Dokumente aus der Anfangszeit. Ein schriftliches Stellenangebot, das der Arbeitnehmer per E-Mail erhalten hat, kann z. B. Gehalt und Arbeitszeit belegen. Erste Lohnabrechnungen oder Kontoauszüge zeigen, welches Gehalt gezahlt wurde und wann das Arbeitsverhältnis begann. Solche Unterlagen sind Gold wert, wenn kein formeller Vertrag existiert.
  • Streit über Arbeitsbedingungen: Ohne schriftliche Klarheit können typische Streitfälle auftreten: Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Weihnachtsgeld? War eine bestimmte Prämie vereinbart? Welche Überstundenregelung gilt? Fehlt jede Dokumentation, neigen Gerichte dazu, zugunsten der gesetzlichen Mindeststandards zu entscheiden – was im Zweifel dem Arbeitnehmer den Mindestschutz gibt, aber vertragliche Vorteile schwer durchsetzbar macht, wenn sie nicht bewiesen werden können.
  • Arbeitgeber ohne Nachweis: Für Arbeitgeber besteht das Risiko, dass ein fehlender schriftlicher Nachweis Bußgelder nach sich zieht (siehe oben) und das Vertrauen der Belegschaft leidet. Außerdem kann ein Arbeitgeber, der nichts schriftlich fixiert hat, später kaum nachweisen, dass z. B. der Arbeitnehmer auf bestimmte Regeln hingewiesen wurde (etwa betriebliches Rauchverbot, Nebentätigkeitsregelungen etc., sofern relevant). Fehlt der Nachweis, wird im Zweifel zu Lasten des Verursachers ausgelegt – etwa kann eine unklare Klausel oder mündliche Absprache im Zweifel pro Arbeitnehmer interpretiert werden.

Praxisfall: Ein Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren mündlich ein Grundgehalt plus „eine gute Bonuszahlung bei Erfolg“. Was „Erfolg“ genau bedeutet und wie hoch „gut“ ist, wird nicht schriftlich fixiert. Nach einem Jahr fühlt sich der Arbeitnehmer erfolgreich und fordert den Bonus – der Arbeitgeber verneint oder bietet weit weniger an. Ohne schriftliche Bonusvereinbarung steht der Arbeitnehmer vor dem Beweisproblem. Selbst wenn Zeugen aussagen, es war „die Rede von einem Bonus“, bleibt unklar, wie viel. In so einem Fall hätte eine schriftliche Vereinbarung Klarheit geschaffen und Streit erspart.

6. Tipps für Arbeitgeber: Dokumentation ernst nehmen

Arbeitgeber sollten die Thematik sehr ernst nehmen. Auch wenn ein mündlicher Vertrag gültig ist, fährt man als Arbeitgeber besser, alles Wesentliche schriftlich festzuhalten – idealerweise durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag vor Arbeitsantritt. Folgende Hinweise helfen, Rechtssicherheit zu schaffen und Konflikte zu vermeiden:

  • Schriftlichen Vertrag oder Nachweis zügig ausfertigen: Stellen Sie spätestens innerhalb des ersten Monats einen schriftlichen Arbeitsvertrag oder zumindest die gesetzlich geforderte Niederschrift aller wesentlichen Bedingungen aus. Im Optimalfall liegen die Unterlagen dem Arbeitnehmer bereits vor dem ersten Arbeitstag vor, sodass von Anfang an Klarheit herrscht.
  • Inhalt vollständig und präzise: Nutzen Sie möglichst aktuelle Vertragsmuster und prüfen Sie die Pflichtangaben. Enthalten sein müssen insbesondere Probezeit, Arbeitszeit, Gehalt (inkl. Zuschläge), Urlaubstage, Kündigungsfristen etc. Achten Sie darauf, dass wirklich alle nachweispflichtigen Punkte abgedeckt sind, vor allem seit der Erweiterung 2022. Unklare Formulierungen sollte man vermeiden – schreiben Sie lieber konkret, was gilt.
  • Nachweispflicht durch Vertrag erfüllen: Ein beiderseits unterschriebener Arbeitsvertrag ersetzt die separate Nachweisdokumentation. D. h. wenn alle erforderlichen Angaben im Vertrag stehen, müssen Sie nicht noch ein zusätzliches Nachweisschreiben erstellen. Sorgen Sie also dafür, dass Ihr Vertragsdokument vollständig ist. (Denken Sie auch an Anhänge wie Stellenbeschreibung oder Betriebsvereinbarungen, falls darauf verwiesen wird.)
  • Digitale Verträge ab 2025 nutzen: Ab 2025 können Sie Vertragsunterlagen elektronisch (per E-Mail/PDF) übermitteln. Das spart Zeit. Beachten Sie aber die Voraussetzungen – insbesondere die Speicher-/Druckbarkeit und die Empfangsbestätigung des Mitarbeiters. Überlegen Sie, ob in Ihrer Branche oder für bestimmte Klauseln dennoch Papierform nötig ist (siehe Ausnahmen: Befristung, Wettbewerbsverbot etc.). Im Zweifel lieber einmal händisch unterschreiben lassen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.
  • Sanktionen vermeiden: Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht kann bis zu 2.000 € Bußgeld pro Mitarbeiter kosten. Bei vielen Beschäftigten summiert sich das schnell. Zudem könnten Arbeitnehmer bei Verstößen Schadensersatz fordern, wenn ihnen durch fehlende Informationen ein Nachteil entsteht (auch wenn solche Fälle selten sind). Erfüllen Sie daher Ihre Pflichten sorgfältig, um keine Angriffsfläche zu bieten.
  • Streitprävention: Den Spruch „Verträge schließt man für schlechte Zeiten“ sollten Arbeitgeber beherzigen. Schriftliche Vereinbarungen schützen Sie im Streitfall. Hat der Arbeitnehmer z. B. eine Leistung ausdrücklich schriftlich anerkannt, kann er sich später kaum darauf berufen, er habe es anders verstanden. Dokumentieren Sie alle Änderungen (Gehaltserhöhungen, Positionswechsel etc.) ebenfalls schriftlich (per Ergänzungsvereinbarung), um konsistente Unterlagen zu haben.

Hinweis für Arbeitgeber: Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Abreden. Ein Handschlag mag ein Zeichen von Vertrauen sein, ersetzt aber nicht die rechtssichere Dokumentation. Halten Sie sich an die gesetzlichen Vorgaben – das erspart Ihnen im Zweifel viel Ärger und Kosten. Bei Unsicherheiten ziehen Sie frühzeitig anwaltlichen Rat hinzu.

7. Tipps für Arbeitnehmer: Rechte kennen und einfordern

Auch Arbeitnehmer sollten bei fehlendem schriftlichen Vertrag aktiv werden, um ihre Rechte zu wahren. Folgende Ratschläge helfen Arbeitnehmern, die ohne schriftlichen Arbeitsvertrag dastehen oder kurz vor Arbeitsbeginn noch nichts Schriftliches erhalten haben:

  • Nachweis einfordern: Sie haben ein Recht darauf, die Bedingungen schriftlich bestätigt zu bekommen. Zögern Sie nicht, Ihren Arbeitgeber frühzeitig schriftlich (per E-Mail) an den Nachweis nach § 2 NachwG zu erinnern. Spätestens nach Arbeitsbeginn sollten Sie innerhalb von 4 Wochen etwas in Händen halten. Bitten Sie höflich, aber bestimmt um Zusendung eines Arbeitsvertrags oder einer Niederschrift der wesentlichen Konditionen. Tipp: Behalten Sie eine Kopie Ihrer Anfrage (als Beweis).
  • Eigene Unterlagen sammeln: Bewahren Sie alle Dokumente auf, die Ihre Arbeitsbedingungen belegen könnten. Dazu gehören z. B. Stellenanzeigen oder Stellenangebote, in denen bestimmte Konditionen genannt waren, E-Mail-Verläufe mit dem Arbeitgeber (etwa über Gehalt oder Aufgaben), und jede schriftliche Zusage. Auch Lohnabrechnungen, Arbeitszeitnachweise oder Notizen können später hilfreich sein. Je mehr schriftliche Indizien Sie haben, desto besser können Sie im Streitfall Ihren Standpunkt untermauern.
  • Vorsicht bei Änderungen oder Zusagen: Falls Ihnen Ihr Chef mündlich etwas zusätzlich verspricht (z. B. eine Gehaltserhöhung, Bonus, Sonderurlaub), bitten Sie um kurze schriftliche Bestätigung. Sie können das Gespräch auch selbst per E-Mail zusammenfassen („Vielen Dank für das Gespräch. Wie besprochen, erhalte ich ab Juni 10% mehr Gehalt…“) – reagiert der Arbeitgeber darauf nicht ablehnend, haben Sie zumindest einen Nachweis, der im Zweifel als Beweis dienen kann.
  • Kenntnis der gesetzlichen Mindeststandards: Wissen Sie, dass Ihnen auch ohne Arbeitsvertrag gewisse Ansprüche zustehen. Zum Beispiel haben Sie gesetzlichen Mindesturlaub, Anspruch auf Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. Lassen Sie sich nichts Gegenteiliges einreden. Fehlt ein schriftlicher Vertrag, gelten automatisch die gesetzlichen Regeln bzw. einschlägige Tarifverträge für Ihr Arbeitsverhältnis. Sollte der Arbeitgeber zögern, Ihnen Urlaub zu gewähren oder Überstunden zu vergüten, können Sie auf die Gesetzeslage verweisen.
  • Rechtliche Schritte bei Verweigerung: Sollte Ihr Arbeitgeber trotz Aufforderung keinen schriftlichen Nachweis liefern, können Sie sich ans zuständige Arbeitsaufsichtsamt wenden oder im Extremfall gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Arbeitsgerichte können Arbeitgeber per Urteil verpflichten, die Nachweispflicht zu erfüllen. Zudem stellt ein Verstoß eine Ordnungswidrigkeit dar – die Androhung einer Meldung an die Behörden kann manchmal Wunder wirken. Tipp: Suchen Sie frühzeitig Beratung (z. B. beim Betriebsrat, einer Gewerkschaft oder einem Anwalt für Arbeitsrecht), wenn Ihr Arbeitgeber auffällig zögert oder wichtige Vereinbarungen „unter den Tisch fallen lassen“ will.

Tipp für Arbeitnehmer: Haben Sie keine Scheu, Ihr Recht auf einen schriftlichen Nachweis einzufordern. Ein mündlicher Arbeitsvertrag ist zwar gültig, aber nur Schwarz auf Weiß haben Sie im Streitfall etwas in der Hand. Drängen Sie auf klare Verhältnisse, und haken Sie nach, wenn man Ihnen wochenlang keinen Vertrag vorlegt. Seriöse Arbeitgeber wissen um die Pflicht und kommen ihr normalerweise von sich aus nach. Wenn nicht, ist das ein Warnsignal. Im Zweifel sichern Sie Beweise und ziehen Sie eine fachkundige Beratung hinzu.

Zusammengefasst: Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist gesetzlich zwar nicht zwingend vorgeschrieben, de facto aber sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer unverzichtbar. Mündliche Arbeitsverträge sind rechtlich gültig, erschweren aber den Nachweis der Bedingungen und können zu unnötigen Konflikten führen. Der Gesetzgeber verlangt daher, dass spätestens kurz nach Beginn alle wichtigen Konditionen schriftlich fixiert werden – seit 2022 in noch umfassenderer Form, notfalls durch Androhung von Bußgeldern. Arbeitgeber sind gut beraten, nicht auf „Handschlag-Deals“ zu vertrauen, sondern klare Dokumentation zu liefern. Arbeitnehmer sollten auf ihr Recht pochen und keine falsche Scheu haben, Transparenz einzufordern. So stellen beide Seiten sicher, dass das Arbeitsverhältnis auf einem soliden Fundament aus Vertrauen und Rechtssicherheit steht.