Ein häufiges Problem im Arbeitsrecht ist die Frage, ob ein Arbeitgeber im Kündigungsschreiben einen Kündigungsgrund angeben muss. Viele Arbeitnehmer sind überrascht, wenn sie eine Kündigung ohne Begründung erhalten. Auch Arbeitgeber sind unsicher, ob und wann sie Gründe nennen sollten. Dieser Rechtstipp verschafft Klarheit über die aktuelle Rechtslage in Deutschland (Stand 2025) für ordentliche und außerordentliche Kündigungen. Dabei werden die gesetzlichen Regelungen (u. a. § 622 BGB, § 626 BGB, § 1 KSchG) erläutert, aktuelle Urteile der Arbeitsgerichte (BAG und LAG) aus den Jahren 2022–2025 vorgestellt und praxisnahe Tipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeben.
Gesetzliche Regelungen
Keine allgemeine Begründungspflicht: Grundsätzlich besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den Kündigungsgrund im Kündigungsschreiben anzugeben. Entscheidend ist jedoch zu unterscheiden, um welche Kündigungsart es sich handelt und ob besondere Schutzvorschriften greifen.
- Ordentliche Kündigung: Bei einer fristgerechten, ordentlichen Kündigung schreibt das Gesetz keine Angabe von Gründen im Kündigungsschreiben vor. § 622 BGB regelt die Kündigungsfristen, erwähnt aber keine Begründungspflicht. Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar ist (Beschäftigung >6 Monate und Betrieb >10 Mitarbeiter), muss der Kündigende den Grund nicht im Schreiben nennen. Wichtig ist aber: Unterliegt das Arbeitsverhältnis dem KSchG, muss ein sozial rechtfertigender Grund tatsächlich vorliegen (§ 1 Abs.2 KSchG) – etwa betriebsbedingte, verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe. Fehlt ein solcher Grund, ist die Kündigung unwirksam; doch für die Wirksamkeit kommt es nicht darauf an, ob der Grund im Kündigungsschreiben mitgeteilt wurde. Im Falle einer Kündigungsschutzklage muss der Arbeitgeber die Kündigungsgründe vor Gericht darlegen und beweisen, nicht aber schon im Kündigungsschreiben.
- Außerordentliche (fristlose) Kündigung: Eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB erfordert einen wichtigen Grund (§ 626 Abs.1 BGB). Auch hier muss der Grund im Kündigungsschreiben selbst nicht genannt werden. Allerdings sieht § 626 Abs.2 Satz 3 BGB vor, dass der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen die Kündigungsgründe unverzüglich schriftlich mitteilen muss. Das heißt, fordert z. B. der gekündigte Arbeitnehmer nach Erhalt der fristlosen Kündigung eine Begründung, ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, diese schnell und in Textform nachzureichen. Wichtig: Unterlässt der Arbeitgeber die Mitteilung trotz Aufforderung, führt dies nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung. Es können aber Schadensersatzansprüche entstehen, etwa für unnötige Prozesskosten, falls der Arbeitnehmer ohne Kenntnis der Gründe Kündigungsschutzklage erhoben hat.
Besondere Ausnahmen: In bestimmten Fällen schreibt das Gesetz oder ein Vertrag ausnahmsweise eine Begründung im Kündigungsschreiben vor:
- Auszubildende: Nach der Probezeit kann ein Berufsausbildungsverhältnis nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Gesetzlich ist geregelt, dass in diesem Fall der Kündigungsgrund im Schreiben angegeben sein muss (vgl. § 22 Abs.3 BBiG). Fehlt die Angabe, ist die Kündigung unwirksam.
- Schwangere/Mütter: Während der Schwangerschaft und bis vier Monate nach der Entbindung gilt ein Kündigungsverbot (§ 17 MuSchG). Eine vom Gewerbeaufsichtsamt ausnahmsweise genehmigte Kündigung muss im Schreiben den zulässigen Kündigungsgrund nennen (MuSchG, § 17 Abs.2 S.2), andernfalls ist sie nichtig.
- Elternzeit: Ähnlich strenge Vorgaben gelten bei Kündigungen während der Elternzeit (§ 18 BEEG). Auch hier ist eine behördliche Zustimmung nötig; im Falle der Zulässigkeitserklärung ist der Grund im Kündigungsschreiben anzugeben (vergleichbar mit MuSchG).
- Schwerbehinderte: Bei schwerbehinderten Menschen ist vor jeder Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen (§ 168 SGB IX). Zwar verlangt das Gesetz keine ausdrückliche Nennung des Grundes im Schreiben, doch eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung ist unwirksam. Praktisch wird im Zustimmungsbescheid der Grund benannt, und das Kündigungsschreiben verweist häufig darauf.
- Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag: Ist in einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgeschrieben, dass der Kündigungsgrund im Schreiben stehen muss, führt die Missachtung zu Nichtigkeit der Kündigung. Ebenso kann ein Arbeitsvertrag eine Begründungspflicht enthalten. Beispiel: Enthält der Vertrag die Klausel „Bei Kündigung durch die Firma ist der Kündigungsgrund im Schreiben anzugeben.“, muss der Arbeitgeber dies beachten. Nach der Rechtsprechung kommt es auf die Auslegung an: Ist die Klausel als Wirksamkeitsvoraussetzung gedacht, führt ein Verstoß zur Unwirksamkeit (§ 125 S.2 BGB: Formnichtigkeit im Zweifel). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte bereits 2013, dass eine vertraglich verlangte Angabe des Grundes bei Fehlen die Kündigung im Zweifel nichtig macht. Arbeitgeber sollten solche vertraglichen Pflichten daher sehr ernst nehmen.
Formvorschriften beachten: Unabhängig von der Begründungspflicht gilt nach § 623 BGB: Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen (eigenhändig unterschrieben auf Papier). Eine mündliche, per E-Mail oder Whatsapp erklärte Kündigung ist unwirksam. Im Schreiben selbst genügt aber die klare Erklärung der Beendigung und der Beendigungszeitpunkt. Bedingungen oder lange Ausführungen zum Sachverhalt sind zu vermeiden.
Aktuelle Rechtsprechung
Die Arbeitsgerichte haben in den letzten Jahren die oben genannten Grundsätze bestätigt und präzisiert. Hier einige wichtige Entscheidungen aus 2021–2025:
- BAG zur “Begründungslast” bei fristloser Kündigung (Blankokündigung, 2021): In einem Beschluss von Januar 2021 stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass ein Arbeitgeber ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung auch ohne Angabe von Gründen („Blankokündigung“) vorsorglich erklären kann, um die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs.2 BGB zu wahren. Die Gründe können dann im anschließenden Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden. Nach Auffassung des BAG sind die Kündigungsgründe nicht Bestandteil der Kündigungserklärung selbst, sodass deren Fehlen im Schreiben der Wirksamkeit zunächst nicht entgegensteht. Diese Rechtsprechung bedeutet jedoch nicht, dass die Kündigung ohne Grund wirksam bleibt – der wichtige Grund muss real vorhanden sein und spätestens vor Gericht dargelegt werden. Das BAG zeigt mit dieser Entscheidung (Az. 2 AZN 724/20), dass Unternehmen im Zweifel früh kündigen sollen, anstatt die Frist durch längere Ermittlungen verstreichen zu lassen. Achtung: Die Entscheidung betraf einen Sonderfall (Compliance-Ermittlungen); sie ist kein Freibrief für willkürliche Kündigungen, sondern eine Fristenschutz-Maßnahme.
- LAG Düsseldorf zur Angabe freiwilliger Gründe (2022): Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. August 2022 (Az. 3 Sa 285/22) unterstreicht, dass eine ordentliche Kündigung ohne Begründung nicht allein dadurch sittenwidrig wird, dass ein freiwillig genannter Grund unrichtig ist. In dem Fall hatte der Arbeitgeber in einem Kleinbetrieb (KSchG nicht anwendbar) aus Höflichkeit “betriebsbedingte Gründe” angegeben, obwohl eigentlich persönliche Gründe ausschlaggebend waren. Das LAG stellte klar: Eine Kündigung, die gesetzlich keiner Begründung bedarf, kann nicht wegen falscher Motive als sittenwidrig (§ 138 BGB) bewertet werden. Das Recht zur freien Kündigung im Kleinbetrieb erlaubt es den Parteien gerade, sich “ohne Angabe von Gründen” zu trennen – Gründe, die nur pro forma im Schreiben genannt werden, ändern daran nichts. Wichtig war dem Gericht auch, dass der angegebene (falsche) Grund hier neutral bzw. schonend für den Arbeitnehmer war (nicht rufschädigend). Dieses Urteil bestätigt die Praxis, dass ein Arbeitgeber im Zweifel eher keine oder neutrale Gründe nennen sollte, wenn keine Pflicht zur Angabe besteht.
- BAG zu Informationspflichten gegenüber dem Betriebsrat (2023): In einem Urteil vom 28. Februar 2023 (Az. 2 AZR 227/22) betonte das BAG, dass bei jeder Kündigung – ob ordentlich oder außerordentlich – der Betriebsrat vorher anzuhören ist (§ 102 BetrVG). Dabei muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der Kündigung umfassend mitteilen, auch wenn im Kündigungsschreiben gegenüber dem Arbeitnehmer keine Gründe genannt werden müssen. In der Entscheidung ging es zwar um eine fristlose Kündigung, doch generell gilt: Eine Kündigung ohne ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ist unwirksam. Neu klargestellt wurde 2020/2023, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht jeden Aspekt darlegen muss – z. B. muss er nicht auf die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB hinweisen, da dies kein “Kündigungsgrund” im Sinne des BetrVG ist. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt somit: Intern (gegenüber Betriebsrat, Behörden etc.) müssen Gründe oft benannt werden, extern (im Kündigungsschreiben an den Arbeitnehmer) aber nur, wenn eine Verpflichtung besteht.
- Vertragliche Begründungspflicht (BAG 2016/2013): Bereits in früheren Entscheidungen, die weiterhin Gültigkeit haben, hat das BAG verdeutlicht, dass vertragliche oder tarifliche Begründungserfordernisse strikt zu beachten sind. So entschied das BAG z. B. 2012/2013 (Az. 2 AZR 845/11), dass eine im Arbeitsvertrag vorgeschriebene Angabe des Kündigungsgrundes Wirksamkeitsvoraussetzung sein kann und bei Verstoß die Kündigung nichtig ist. Diese Linie wurde 2016 (Az. 2 AZR 366/15) bestätigt. Aktuelle Fälle zu solchen Klauseln sind selten, da sie in Standardverträgen kaum noch vorkommen – wenn doch, werden sie aber gerichtlich durchgesetzt.
Zusammengefasst stützen die Gerichte die Regel: Ohne rechtliche Pflicht keine Angabe nötig, und wo eine Pflicht besteht, führt deren Missachtung in der Regel zur Unwirksamkeit der Kündigung. Arbeitgeber genießen also Formfreiheit beim Kündigungsschreiben, müssen aber im Streitfall immer einen tragfähigen Kündigungsgrund nachweisen können.
Tipps für Arbeitgeber
- Kündigungsschreiben richtig formulieren: Als Arbeitgeber sollten Sie das Kündigungsschreiben kurz und formal halten. Nennen Sie eindeutig, dass Sie kündigen und zum welchen Termin (unter Einhaltung der Frist nach § 622 BGB). Eine Formulierung könnte z. B. lauten: “Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin.” Die Schriftform (originale Unterschrift) ist zwingend – anderenfalls ist die Kündigung unwirksam.
- Gründe nicht unnötig angeben: In der Regel ist es nicht empfehlenswert, ausführlich Gründe im Schreiben darzulegen. Zum einen besteht keine Pflicht dazu; zum anderen könnten Sie sich damit selbst begrenzen. Ein im Kündigungsschreiben genannter konkreter Kündigungsgrund könnte Sie im Prozess binden oder vom Arbeitnehmer angegriffen werden. Beispielsweise riskieren Sie, dass spätere andere Rechtfertigungsgründe vor Gericht weniger glaubhaft wirken, wenn sie nicht im Schreiben standen. Viele Arbeitgeber werden daher bewusst beraten, keine Gründe oder höchstens allgemein (“aus betrieblichen Gründen”) anzugeben. So behalten Sie Flexibilität für die Argumentation im Kündigungsschutzverfahren.
- Ausnahmefälle beachten: Prüfen Sie vor Ausspruch der Kündigung, ob einer der Sonderfälle vorliegt, die eine Begründung im Schreiben erfordern. Kündigen Sie z. B. einen Azubi nach der Probezeit, müssen Sie den wichtigen Grund im Kündigungsschreiben nennen. Kündigungen während Schwangerschaft/Elternzeit bedürfen behördlicher Zustimmung und einer Begründung im Schreiben. Bei Vertragsklauseln oder Tarifvorschriften zur Begründungspflicht halten Sie diese unbedingt ein – andernfalls ist die Kündigung anfechtbar oder unwirksam. Im Zweifel lassen Sie die Klausel von einem Anwalt prüfen.
- Betriebsrat und Behörden informieren: Gibt es einen Betriebsrat, müssen Sie diesen vor der Kündigung anhören (§ 102 BetrVG). Legen Sie dem Betriebsrat die Kündigungsgründe ausführlich dar (Sachverhalt, Anlass und ggf. Personaldaten für die Sozialauswahl). Ein häufiger Fehler ist, den Betriebsrat nicht oder unvollständig zu informieren – die Kündigung wäre dann nicht rechtswirksam. Ähnliches gilt für Massenentlassungen (§ 17 KSchG, Anzeige bei der Arbeitsagentur) und für Kündigungen mit behördlicher Genehmigung (z. B. Integrationsamt bei Schwerbehinderten): Die formalen Verfahren und Begründungen gegenüber diesen Stellen müssen eingehalten werden, auch wenn das Schreiben an den Mitarbeiter selbst kurz bleibt.
- Auf Verlangen Gründe mitteilen: Verlangt der gekündigte Arbeitnehmer (schriftlich) eine Begründung, sollten Sie – insbesondere bei fristloser Kündigung – unverzüglich und schriftlich antworten. Bei außerordentlicher Kündigung ist dies gesetzlich vorgeschrieben. Aber auch bei ordentlicher Kündigung kann eine sachliche Antwort sinnvoll sein. Sie vermeiden so möglichen Unmut oder zusätzlichen Streit. Wichtig: Die Mitteilung des Grundes nach § 626 BGB ist zwar keine Anerkennung, dass die Kündigung begründet sein muss, aber das Nichtbeantworten kann Ihnen negativ ausgelegt werden. Zudem könnten Sie schadensersatzpflichtig sein, wenn der Mitarbeiter unnötig Klage erhebt. Schicken Sie die Begründung am besten per Einschreiben oder E-Mail mit Lesebestätigung, um die Erfüllung der Mitteilungspflicht nachweisen zu können.
- Inhalt der (nachträglichen) Begründung: Überlegen Sie genau, welche Gründe Sie dem Mitarbeiter mitteilen. Bleiben Sie bei der Wahrheit und nennen Sie nur Tatsachen, die Sie im Ernstfall belegen können. Vermeiden Sie unnötig verletzende Formulierungen. Bei Leistungs- oder Verhaltensgründen sollte idealerweise bereits eine Abmahnung vorausgegangen sein – erwähnen Sie diese ggf. in der Begründung. Taktik: Bei einer ordentlichen Kündigung im KSchG-Bereich können Sie zunächst neutral bleiben („unternehmerische Entscheidung“, „Umstrukturierung“ etc.). Detaillierte Ausführungen heben Sie sich für den Rechtsstreit auf. Bei einer fristlosen Kündigung sollten Sie jedoch den Kern des wichtigen Grundes benennen, damit der Arbeitnehmer Ihr Vorgehen einschätzen kann (z. B. „wegen tätlichen Angriffs vom XX.XX.2025 auf Ihren Vorgesetzten“).
- Dokumentation und Konsistenz: Achten Sie darauf, dass Ihre Angaben im Kündigungsschreiben, gegenüber dem Betriebsrat und – falls gegeben – gegenüber Behörden in sich konsistent sind. Widersprüchliche Begründungen können Ihre Position schwächen. Führen Sie am besten interne Aufzeichnungen über die Gründe und Entscheidungsprozesse der Kündigung (Vermerke, Gesprächsnotizen). Im Streitfall können diese als Gedächtnisstütze dienen. Denken Sie daran, dass im Prozess nur die tatsächlich vorhandenen Gründe zählen – neue Gründe, die erst nachträglich bekannt werden, können nur begrenzt „nachgeschoben“ werden und erfordern ggf. eine erneute Betriebsratsanhörung.
- Beratung einholen: Gerade in komplizierten Konstellationen (etwa Verdachtskündigung, langjährige Arbeitnehmer, besondere Schutzrechte) ist es ratsam, vor Ausspruch der Kündigung rechtlichen Rat einzuholen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen sagen, ob Sie einen Kündigungsgrund angeben sollten, wie dieser formuliert sein muss und welche Risiken bestehen. Eine saubere Kündigung – formal korrekt, fristgerecht, mit ordnungsgemäßer Anhörung und ggf. Begründung – erspart Ihnen teure Gerichtsverfahren.
Tipps für Arbeitnehmer
- Kündigung ohne Grund – was tun? Erhalten Sie eine Kündigung, in der kein Grund genannt ist, sollten Sie ruhig bleiben: Das Fehlen einer Begründung im Schreiben ist meistens rechtlich zulässig und bedeutet nicht automatisch, dass die Kündigung unwirksam ist. Insbesondere im Kleinbetrieb oder in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses dürfen Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen kündigen. Dennoch heißt das nicht, dass die Kündigung gerechtfertigt ist – sie ist nur formell nicht begründungspflichtig. Prüfen Sie die Umstände: Wie lange sind Sie beschäftigt? Wie groß ist der Betrieb? Gibt es Anhaltspunkte für unfaire Motive (z. B. Diskriminierung)? Suchen Sie frühzeitig das Gespräch mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, um Ihre Chancen einzuschätzen.
- Kündigungsschutz und Drei-Wochen-Frist: Wenn das Kündigungsschutzgesetz greift (Beschäftigungsdauer >6 Monate und Betrieb >10 Mitarbeiter), genießen Sie Kündigungsschutz. Das bedeutet, der Arbeitgeber benötigt einen sozial gerechtfertigten Grund (§ 1 KSchG). Wird kein Grund im Schreiben angegeben, muss der Arbeitgeber ihn vor Gericht nachliefern. Lassen Sie sich davon nicht abhalten, Ihre Rechte wahrzunehmen. Wichtig: Erheben Sie innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG)! Versäumen Sie diese Frist, wird die Kündigung selbst dann wirksam, wenn sie eigentlich rechtswidrig war. Diese kurze Frist gilt auch, wenn der Arbeitgeber gegen Formvorschriften verstoßen hat (z. B. fehlende Beteiligung des Betriebsrats oder ein eigentlich erforderlicher Kündigungsgrund im Schreiben bei besonderen Fällen) – um auf Nummer sicher zu gehen, immer binnen 3 Wochen klagen.
- Nachfrage nach Kündigungsgrund: Sie haben das Recht – insbesondere bei einer fristlosen Kündigung – den Kündigungsgrund vom Arbeitgeber schriftlich zu erfahren. Machen Sie von diesem Recht Gebrauch: Schreiben Sie zeitnah nach Erhalt der Kündigung eine kurze, nachweisbare Anfrage (z. B. per Einschreiben oder E-Mail mit Lesebestätigung) und berufen Sie sich auf § 626 BGB bzw. auf die arbeitsvertragliche Auskunftspflicht. Beispiel: „Hiermit fordere ich Sie auf, mir gemäß § 626 Abs.2 S.3 BGB unverzüglich die Gründe mitzuteilen, die zu meiner fristlosen Kündigung geführt haben.“ Der Arbeitgeber muss dann zügig antworten. Hinweis: Auch bei einer ordentlichen Kündigung können Sie nach den Gründen fragen. Zwar besteht hier keine ausdrückliche gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Antwort, doch viele Arbeitgeber teilen die Gründe freiwillig mit. Das kann Ihnen bei der Entscheidung helfen, ob Sie klagen sollten, und erhöht den Druck auf den Arbeitgeber, seine Karten offen zu legen.
- Reaktion auf mitgeteilte Gründe: Falls der Arbeitgeber Ihnen Gründe mitteilt, bewerten Sie diese kritisch mit anwaltlicher Hilfe. Häufig nennen Arbeitgeber in der Antwort oder schon im Kündigungsschreiben vage Gründe („Umstrukturierung“, „fehlende Eignung“ etc.). Lassen Sie prüfen, ob diese Gründe einer rechtlichen Überprüfung standhalten: Gab es z. B. wirklich einen Stellenabbau? Wurden Sozialauswahlkriterien beachtet? Gab es vorher Abmahnungen bei verhaltensbedingten Vorwürfen? Stimmen die Zahlen und Fakten? Denken Sie daran, dass der Arbeitgeber im Prozess konkrete Beweise für seine Kündigungsgründe liefern muss. Die schriftliche Begründung kann dabei ein erster Hinweis sein, worauf er sich stützt.
- Keine Gründe genannt – Verdacht auf Unwirksamkeit: Wenn in bestimmten Situationen hätte ein Grund genannt werden müssen, kann das Ihre Kündigung angreifbar machen. Beispiele: Sie sind Auszubildender nach der Probezeit und im Kündigungsschreiben steht kein Grund – hier liegt ein Verstoß gegen § 22 BBiG vor, gute Chancen für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage. Oder: Sie sind schwanger und der Arbeitgeber kündigt ohne den Bescheid der Behörde und ohne Grundangabe – diese Kündigung ist in der Regel null und nichtig. Lassen Sie solche Fälle umgehend prüfen. Achtung: Selbst bei offensichtlichen Formfehlern sollten Sie zur Sicherheit die Kündigung fristgerecht gerichtlich angreifen, um alle Rechte zu wahren.
- Diskriminierungsverbot und treuwidrige Kündigungen: Auch wenn kein Grund angegeben werden muss, darf der Arbeitgeber keine unzulässigen Gründe haben. Kündigungen aus Gründen wie Herkunft, Geschlecht, Religion, Schwangerschaft, Behinderung oder Betriebsratszugehörigkeit verstoßen gegen das AGG bzw. spezielle Gesetze und sind unwirksam. Solche Gründe werden im Schreiben natürlich nie offen stehen – umso wichtiger ist es, Indizien dafür zu sammeln. Fühlen Sie sich diskriminiert oder ungerecht behandelt, dokumentieren Sie auffällige Vorfälle (z. B. Äußerungen des Vorgesetzten, Nähe der Kündigung zu einer bekannt gegebenen Schwangerschaft etc.). Diese können im Verfahren helfen, eine Beweiserleichterung nach dem AGG zu bekommen. Zögern Sie nicht, rechtlichen Rat einzuholen, wenn Sie vermuten, dass der unausgesprochene Kündigungsgrund unzulässig ist.
- Zwischenzeugnis und Arbeitszeugnis: Wurde Ihnen ohne Begründung gekündigt, haben Sie Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Fordern Sie am besten sofort ein Zwischenzeugnis an, insbesondere wenn die Kündigungsfrist länger ist. So haben Sie etwas in der Hand, was Sie Bewerbungen beilegen können. Ein fehlender Kündigungsgrund im Schreiben hat keine unmittelbare Auswirkung auf Ihr Zeugnis – dort dürfen negative Gründe ohnehin nur verdeckt formuliert werden. Sollten im Kündigungsschreiben Gründe genannt sein, die Ihr Fortkommen gefährden (z. B. ein pauschaler Betrugsvorwurf, der unbegründet ist), sprechen Sie mit einem Anwalt. Gegebenenfalls kann man hier auf Korrektur drängen oder im Zeugnis darauf achten, dass keine unzulässigen Hinweise erscheinen.
- Abfindungsverhandlung: Oft nutzen Arbeitgeber die Unkenntnis der Arbeitnehmer aus, indem sie in der Kündigung keinen Grund nennen – der Arbeitnehmer fühlt sich im Unklaren und verzichtet vielleicht auf Gegenwehr. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. In vielen Fällen lohnt sich eine Kündigungsschutzklage zumindest, um eine Abfindung auszuhandeln. Auch ohne ausdrücklich genannten Grund können Sie im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht argumentieren, dass Sie die sozialen oder persönlichen Rechtfertigungen bezweifeln. Arbeitgeber einigen sich dann oft auf eine Abfindung, um das Prozessrisiko zu vermeiden. Dieses Verhandlungspotential sollten Sie kennen. Wichtig ist aber, die Klagefrist von 3 Wochen strikt einzuhalten – sonst ist leider meist nichts mehr zu retten, egal wie schwach der Kündigungsgrund war.
Im deutschen Arbeitsrecht gilt: Ein Kündigungsschreiben muss in den meisten Fällen keine Begründung enthalten. Arbeitgeber sind rechtlich gut beraten, Kündigungen formal korrekt, aber ohne freiwillige Angabe von Gründen auszusprechen – außer es bestehen gesetzliche, tarifliche oder vertragliche Begründungspflichten. Sowohl bei der ordentlichen Kündigung (mit Kündigungsfrist) als auch bei der außerordentlichen Kündigung (fristlos) ist die Wirksamkeit der Kündigung nicht davon abhängig, ob der Grund im Schreiben genannt wurde. Entscheidend ist jedoch, dass ein rechtmäßiger Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt – andernfalls kann der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben und die Kündigung zu Fall bringen.
Aktuelle Urteile bestätigen diesen Grundsatz. Weder das BAG noch die Landesarbeitsgerichte verlangen eine Begründung im Kündigungsschreiben, solange keine ausdrückliche Pflicht dazu besteht. Im Gegenteil: Die Gerichte räumen Arbeitgebern Spielraum ein, um Fristen zu wahren oder neutral zu formulieren, ohne dadurch die Kündigung unwirksam zu machen. Gleichzeitig machen die Entscheidungen deutlich, dass Transparenz und Fairness im Trennungsprozess wichtig sind – insbesondere gegenüber Betriebsrat und in Sonderfällen auch gegenüber dem Arbeitnehmer selbst.
Für Arbeitgeber heißt das: Sie sollten vor jeder Kündigung prüfen, ob ein ausreichender Grund vorhanden ist und ob sie diesen nennen müssen. Wird keine Begründung verlangt, kann es strategisch klug sein, darauf zu verzichten. Wo aber eine Pflicht oder berechtigtes Interesse besteht, muss der Grund sorgfältig mitgeteilt werden, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Arbeitnehmer wiederum sollten wissen, dass eine fehlende Begründung im Schreiben kein Freibrief für den Arbeitgeber ist. Hinter jeder Kündigung steckt ein Grund – wird er nicht genannt, können und sollten Arbeitnehmer nachfragen oder ihre Rechte gerichtlich geltend machen. In jedem Fall gilt: Bei einer Kündigung im Zweifel rechtlich beraten lassen und innerhalb von 3 Wochen reagieren.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Begründungspflicht bei Kündigungen in Deutschland die Ausnahme ist. Beide Seiten sollten jedoch die Materie genau kennen, um keine Fehler zu machen: Arbeitgeber, um formwirksam und ohne unnötiges Risiko zu kündigen, und Arbeitnehmer, um ihre Rechte bei ungerechtfertigten Kündigungen effektiv durchzusetzen. So können unnötige Streitigkeiten vermieden oder – falls unvermeidbar – erfolgreich bewältigt werden.