NPD-Mitglied ohne Waffe

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 19. Juni 2019 zum Aktenzeichen 2 BvR 2299/15 entschieden, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte, sowie das gegen ihn ausgesprochene Waffen- und Munitionsbesitzverbot, sowie die Sicherstellung und Einziehung seiner Waffen und Munition.

Dem NPD-Mitglied wurde am 10. November 2008 eine Waffenbesitzkarte erteilt. Er erwarb in den folgenden Jahren insgesamt acht Schusswaffen, die in die Waffenbesitzkarte aufgenommen wurden.

Mit angegriffener Verfügung vom 5. Dezember 2011 widerrief das Stadtamt der Freien Hansestadt Bremen die Waffenbesitzkarte. Dem NPD-Mitglied wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung untersagt, Waffen und Munition unabhängig von einer Erlaubnispflichtigkeit des Erwerbs zu besitzen. Weiter wurden die Sicherstellung und Einziehung der im Besitz des NPD-Mitglieds befindlichen Waffen und Munition sowie seiner Waffenbesitzkarte und seines Jagdscheins angeordnet.

Zur Begründung führte das Stadtamt aus, der NPD-Mitglied weise die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) und b) Waffengesetz (WaffG) nicht auf. Seine Aktivitäten in der rechtsextremistischen Szene seit dem Jahr 2000 sowie sein herausgehobenes Engagement als Vorsitzender im Kreisverband Bremen-Stadt der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) seit März 2010 offenbarten, dass er der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Gedanken der Völkerverständigung widersprechende Ziele verfolge. Die NPD habe ein Parteiprogramm, das gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoße. Insbesondere propagiere sie einen völkischen Nationalismus, plädiere für einen autoritären Staat und strebe fremdenfeindliche Ziele an.

Das NPD-Mitglied legte am 14. Dezember 2011 Widerspruch gegen diese Verfügung ein. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt im Umgang oder in der Aufbewahrung der bei ihm befindlichen registrierten Waffen als unzuverlässig erwiesen. Der Senator für Inneres und Sport wies den Widerspruch mit angegriffenem Widerspruchsbescheid überwiegend zurück. Zur Begründung führte er aus, der NPD-Mitglied besitze die erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Es lägen keine besonderen Umstände vor, die im Einzelfall diese Annahme entkräfteten.

Das NPD-Mitglied erhob am 6. August 2013 Klage. Er trug im Wesentlichen vor, der Widerruf der Waffenerlaubnis sei überwiegend ideologisch begründet. Gerade die Unterstützung einer Partei bei einer Landtagswahl belege aber eine positive Grundhaltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die NPD sei eine zugelassene und in ihrer Zielsetzung verfassungskonforme Partei; dies ergebe sich auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. März 2003 zum NPD-Verbotsverfahren. Der NPD-Mitglied sei für den Kreisverband zuständig gewesen, nicht jedoch für die Landes- oder Bundespartei. Für den Inhalt der Wahlwerbung sei er nicht verantwortlich gewesen, und er habe auf die Gesamtpartei keinen Einfluss gehabt.

Das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen wies die Klage mit angegriffenem Urteil vom 8. August 2014 – 2 K 1002/13 – im Wesentlichen ab. Zur Begründung führte es aus, der Widerruf beziehungsweise die Rücknahme der in der Waffenbesitzkarte dokumentierten Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Waffen sei rechtmäßig erfolgt. Der NPD-Mitglied besitze die gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a.F. erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. auch im Zusammenhang mit parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit zu prüfen. Die Vorschrift werde nicht von § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) WaffG a.F. verdrängt, wonach eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit in der Regel bei einer Mitgliedschaft in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, anzunehmen sei. Dies ergebe sich sowohl aus der Gesetzessystematik als auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Normzweck spreche ebenfalls gegen eine Ausschlusswirkung. Andernfalls könne das Verfolgen von Bestrebungen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. genannten Art, obwohl dies nach der Wertung des Gesetzes regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründe, im Schatten der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei zum Nachteil der Allgemeinheit folgenlos bleiben.

Dieses Ergebnis stehe nicht im Widerspruch zum Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. Denn die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG beeinträchtige die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Partei an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Vielmehr stelle sich § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG als eine Vorschrift dar, die – vergleichbar mit den allgemeinen Strafgesetzen – dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit diene

Das NPD-Mitglied habe die NPD aktiv unterstützt. So habe er – ausweislich seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung – in seiner Funktion als Kreisvorsitzender organisatorische Arbeit geleistet. Er habe Mitgliederversammlungen abgehalten und die Mitglieder über Neuigkeiten informiert, die vom Bundesvorstand gekommen seien. Zudem habe er Infostände geplant und auch zusammen mit dem Schatzmeister Beiträge verbucht.

Atypische Gründe gegen die Einstufung des NPD-Mitglieds als waffenrechtlich unzuverlässig seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar habe der NPD-Mitglied im Jahr 2013 sein Amt als Kreisvorsitzender der NPD aufgegeben. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG seien jedoch bei der Bewertung der Zuverlässigkeit Unterstützungshandlungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung erfolgt seien. Entgegenstehende Gründe, insbesondere eine vollständige Abwendung des NPD-Mitglieds von den Zielen der NPD, seien nicht ersichtlich. Vielmehr sei der NPD-Mitglied nach seinem Vortrag weiterhin Mitglied der Partei.

Auch die Ausübung des behördlichen Ermessens zum Waffenbesitzverbot sei nicht zu beanstanden. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor; die Angemessenheit der Maßnahme sei in Bezug gesetzt worden zum verfolgten Schutzziel, dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsauffassung für verfassungsgemäß gehalten und die Grundrechtsrügen des NPD-Mitglieds zurückgewiesen.