Parteigutachten ./. Sachverständigengutachten: Gericht darf Parteigutachten nicht missachten

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 26.02.2020 zum Aktenzeichen IV ZR 220/19 entschieden, dass das das Gericht einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unvollkommen entspricht, wenn es Ausführungen zu einem Parteigutachten nicht berücksichtigt, das zu einem anderen Ergebnis als das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten kommt.

Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert.

Er darf in diesem Fall – wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger – den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.

Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Dazu kann es den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen.

Insbesondere bietet sich die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß § 411 Abs. 3 ZPO an.

Ein Antrag der beweispflichtigen Partei ist dazu nicht erforderlich.

Gegebenenfalls hat das Gericht den Sachverständigen unter Gegenüberstellung mit dem Privatgutachter anzuhören, um dann entscheiden zu können, wieweit es den Ausführungen des Sachverständigen folgen will.

Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen.

Bei dem von einer Partei vorgelegten Privatgutachten handelte es sich unbeschadet der Verpflichtung des Gerichts, ein solches Gutachten ernst zu nehmen und ebenfalls kritisch zu würdigen, nicht um ein Beweismittel; ein Privatgutachten ist vielmehr als besonders substantiierter Parteivortrag einzuordnen, der seinerseits Gegenstand einer Beweisaufnahme sein kann.

Für das Gericht besteht die Verpflichtung, sich mit dagegen bestehenden Einwänden aus einem Privatgutachten auseinanderzusetzen.