Pflegeheime dürfen Besuch ohne negativen Schnelltest verweigern und nächtliche Ausgangssperre gekippt

29. Dezember 2020 -

Das Verwaltungsgericht Aachen hat sich mit Beschlüssen vom 23.12.2020 zu den Aktenzeichen 6 L 949/20, 6 L 913/20, 7 L 948/20 und 7 L 951/20 in mehreren Fällen mit verschiedenen aktualisierten Corona-Schutzregelungen auseinanderzusetzen.

Aus der Pressemitteilung des VG Aachen vom 23.12.2020 ergibt sich:

6 L 949/20

Ein Pflegeheim hatte sich mit dem Antrag gegen eine Regelung in der Allgemeinverfügung „Pflege und Besuche“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales gewendet. Die beanstandete Regelung sieht – im Gegensatz zu ihrer bis zum 20.12.2020 geltenden Fassung – vor, dass einem Besucher, der einen angebotenen Corona-Schnelltest ablehnt, der Besuch mit Verweis auf diese Ablehnung nicht verweigert werden darf. Das Pflegeheim hatte sich darauf berufen, dass nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) eine Testpflicht für Besucher einer Pflegeeinrichtung ausdrücklich empfohlen werde. Eine Besuchserlaubnis allein für Angehörige, die einen aktuellen negativen Schnelltest vorweisen könnten, entspreche auch dem Beschluss der Ministerpräsidenten vom 13.12.2020. Werde hierauf verzichtet, führe dies zu einer massiven Verschlechterung des Infektionsschutzes in der Pflegeeinrichtung und zu Gefahren für die Heimbewohner und das Pflegepersonal.

Das VG Aachen hat dem Eilantrag stattgegeben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist es schon nicht nachvollziehbar, warum die Einrichtungsleitung ausdrücklich ermächtigt wird, den Besuch der Einrichtung bei Verweigerung eines Kurzscreenings (auf Erkältungssymptome, SARS-CoV-2-Infektion, Kontakt mit Infizierten oder Kontaktpersonen ersten Grades gemäß der Richtlinie des RKI) zu versagen, Gleiches bei Verweigerung eines angebotenen Schnelltestes, der eine höhere Sicherheit aufweist, aber nicht gelten soll. Ein im Einzelfall zu erlassendes Besuchsverbot bei verweigerter Schnelltestung greife nach Abwägung mit den Rechten der anderen Bewohner auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht unzumutbar in Rechte des betroffenen Heimbewohners (insbesondere) auf Teilhabe ein.

6 L 913/20

Eine Anbieterin von Meditations- und Qigong-Kursen wollte eine vorläufige Erlaubnis zur Durchführung von Gruppenkursen erstreiten.

Das VG Aachen hat den Eilantrag abgelehnt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind derartige Kurse nach der aktuellen Corona-Schutzverordnung untersagt. Insbesondere gehöre ihre Durchführung nicht zu den ausnahmsweise erlaubten Tätigkeiten von Angehörigen der Heilberufe mit Approbation und sonstigen Personen, die zur Ausübung der Heilkunde befugt seien.

7 L 948/20

Das Verwaltungsgericht hatte sich zunächst mit der am 22.12.2020 in Kraft getretenen Allgemeinverfügung des Kreises Euskirchen zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen, die der Verhütung und Bekämpfung einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus auf dem Gebiet des Kreises Euskirchen dienen, zu beschäftigen.

Das VG Aachen hat mit Beschluss vom 22.12.2020 entschieden, dass es für die Regelungen der Allgemeinverfügung schon deswegen an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehlt, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses der sog. 7-Tages-Inzidenzwert im Kreis Euskirchen den maßgeblichen Schwellenwert von 200 noch nicht überschritten hat.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist dies nach der Corona-Schutzverordnung aber Voraussetzung für den Erlass zusätzlicher Schutzmaßnahmen im Wege einer Allgemeinverfügung.

7 L 951/20

Daraufhin hat der Kreis Euskirchen am 23.12.2020 die beanstandete Allgemeinverfügung erneut bekanntgegeben. Diese Fassung, die am 24.12.2020 in Kraft treten soll, wurde u.a. damit begründet, dass der Inzidenzwert inzwischen die maßgebliche Schwelle überschritten habe. Aktuell liege er in Euskirchen bei 209,1. Die Allgemeinverfügung sieht – ähnlich wie dies für den Kreis Düren bereits gilt und für Stadt und Städteregion Aachen erwartet wird – u.a. eine nächtliche Ausgangsbeschränkung zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr sowie weitere Einschränkungen für private Zusammenkünfte vor. Der Antragsteller, der bereits den stattgebenden Beschluss vom 22.12.2020 erstritten hatte, wandte sich auch gegen die Neuregelung mit einem Eilantrag.

Das VG Aachen hat diesem Antrag mit Beschluss vom 23.12.2020 teilweise stattgegeben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Regelung betreffend die nächtliche Ausgangsbeschränkung voraussichtlich rechtswidrig. Es sei bereits ernstlich zweifelhaft, ob der Kreis eine derart einschränkende und eine Vielzahl von Lebenssachverhalten betreffende Regelung im Wege einer Allgemeinverfügung habe treffen können. Es spreche Vieles dafür, dass es hierfür des Erlasses einer Rechtsverordnung bedurft hätte, für die aber nicht der Kreis, sondern das für Gesundheit zuständige Landesministerium zuständig gewesen wäre. Überdies bestünden erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Ausgangsbeschränkung. Die Allgemeinverfügung ziele offenkundig darauf ab, das Treffen mehrerer Personen im privaten Raum aus Infektionsschutzgründen nach Möglichkeit zu unterbinden. Dies könne aber bereits erreicht werden durch die geregelten Beschränkungen dieser Treffen. Einer Ausgangssperre, für die überdies nur wenige Ausnahmetatbestände formuliert seien, bedürfe es daneben nicht.

Die Kontaktbeschränkungen für Treffen im privaten Raum (u.a. Beschränkung auf den eigenen Hausstand und die Angehörigen eines weiteren Hausstandes mit höchstens insgesamt fünf Personen) seien demgegenüber voraussichtlich nicht zu beanstanden. Ihre Geeignetheit, zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beizutragen, könne nicht bezweifelt werden. In Anbetracht der überragenden Bedeutung des Rechts auf Leben und Gesundheit der Bevölkerung, die es vor einer ungebremsten Ausbreitung der Covid-19-Erkrankung zu schützen gelte, um eine Vielzahl von teils schweren Erkrankungen und Todesfällen sowie eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden, erwiesen sich diese Beschränkungen als verhältnismäßig. Die Beschränkungen seien zudem zeitlich bis zum 10.01.2020 begrenzt.

Gegen die Beschlüsse kann die jeweils unterliegende Partei Beschwerde einlegen, über die jeweils das OVG NRW entscheidet.

In Bezug auf die bereits am 18.12.2020 in Kraft getretene Allgemeinverfügung des Kreises Düren zur Ergänzung der Corona-Schutzverordnung ist bislang kein Verfahren anhängig gemacht worden.