Pflegeheimvertrag: Keine Kündigung bei Verhaltensauffälligkeiten einer demenzkranken Bewohnerin

29. Juli 2020 -

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat am 28.05.2020 zum Aktenzeichen 1 U 156/19 entschieden, dass gewisse Verhaltensauffälligkeiten bei einer an Demenz erkrankten Bewohnerin eines Seniorenheims nicht die Kündigung des Heimvertrags rechtfertigen.

Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg Nr. 23/2020 vom 29.07.2020 ergibt sich:

Eine alte Dame zog 2015 in die Demenzabteilung eines Seniorenheims. Nachdem die Seniorin nach einem Krankenhausaufenthalt medikamentös neu eingestellt wurde, zeigte sie sich viel unruhiger als zuvor. Das Heim erklärte die Kündigung und forderte den Auszug der Seniorin. Die Heimleitung behauptete, die alte Dame störe den Heimfrieden erheblich, laufe ständig umher, gehe in die Zimmer anderer Bewohner, öffne dort Türen und Fenster und schaue bei der Intimpflege zu. Sie sei aggressiv und boxe die Pflegekräfte, stelle ihnen und anderen Bewohnern das Bein und fahre sie mit dem Rollator an. Außerdem esse und trinke sie nicht mehr richtig. Sie stelle eine Gefahr für sich und andere dar.
Das LG Osnabrück wies die Räumungsklage des Heims ab. Die Kündigung sei unwirksam.

Das OLG Oldenburg hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts kann ein Heimvertrag von Seiten des Heims nur aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG), wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar sei. Dies sei hier nicht der Fall. Abzuwägen seien die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und die Interessen des Heims, sich von dem Vertrag zu lösen. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten seien daher hinzunehmen. Es sei auch nicht erkennbar, dass es tatsächlich schon zu Sach- oder gar Körperschäden gekommen sei. Das Heim habe auch nicht dargestellt, dass es bereits Maßnahmen ergriffen habe, um die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten. Die Abwägung ergebe, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame in dem Rahmen bewege, der von dem Betreiber eines Pflegeheims von Bewohnern einer Demenzabteilung noch hingenommen werden müsse. Die alte Dame darf ihr Zimmer jetzt behalten.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.