Pflicht des Landratsamts zur Weiterleitung von Eingaben an Kreistagsmitglieder

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 06.05.2020 zum Aktenzeichen 8 C 12.19 entschieden, dass das Landratsamt Rottweil als Geschäftsstelle des Kreistages verpflichtet war, die an die einzelnen Kreistagsmitglieder gerichteten Briefe einer Einzelperson an die Kreisräte weiterzuleiten.

Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 22/2020 vom 07.05.2020 ergibt sich:

Im September 2016 versandte der Kläger Briefe an die Kreisräte und den Landrat des Landkreises Rottweil, in denen er diese u.a. aufforderte, ihre kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten geltend zu machen, um von ihm behauptete Rechtsverstöße eines im Landkreis ansässigen Unternehmens zu unterbinden. Die Anschrift enthielt jeweils die Funktionsbezeichnung, den Namen und den Zusatz „c/o Landratsamt Rottweil“ sowie die Bemerkung „persönlich/vertraulich“. Einige Briefe erreichten die Adressaten. Die übrigen sandte das Landratsamt an den Kläger zurück.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Landratsamt verpflichtet war, die Briefe des Klägers an diejenigen Kreisräte weiterzuleiten, bei denen keine andere Kontaktaufnahme möglich war, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem BVerwG Erfolg.

Nach Auffassung des BVerwG steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Weiterleitung der Briefe aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 17 GG zu. Mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben stehe die Verwaltungspraxis des Landratsamtes, Briefe von Einzelpersonen an Kreisräte generell nicht an diese weiterzuleiten, nicht in Einklang. Jedenfalls Petitionen von Einzelpersonen müssten gemäß Art. 17 GG weitergeleitet werden. Ob hier alle Voraussetzungen einer Petition im Sinne der Vorschrift erfüllt waren, musste nicht abschließend geklärt werden. Nachdem das Landratsamt festgestellt hatte, dass die Eingabe einigen Kreisräten zugegangen war, musste es sie jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung auch den übrigen Kreisräten zuleiten. Nur so konnte jeder angeschriebene Kreisrat prüfen, ob es sich bei dem Schreiben um eine Petition handelte, und gegebenenfalls das Erforderliche veranlassen.