Der Sportwagenhersteller Porsche plant, seine Batterietochter Cellforce in Kirchentellinsfurt (Baden-Württemberg) weitgehend einzustellen. Fast 200 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Nach Medienberichten soll am Montag, 25. August 2025, eine Mitarbeiterversammlung stattfinden, bei der Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner persönlich die Belegschaft über die Situation informieren will. Viele Beschäftigte bangen um ihre Jobs – denn anders als bei der Porsche-Muttergesellschaft gibt es bei Cellforce keine Beschäftigungsgarantie. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Rechte betroffener Arbeitnehmer und empfehlen Handlungsschritte.
Hintergrund: Porsche-Tochter vor dem Aus
Cellforce war ursprünglich als Porsche-Vorzeigeprojekt für Hochleistungs-Batteriezellen gestartet. Doch nun soll das Tochterunternehmen radikal abgewickelt werden. Am Standort Kirchentellinsfurt könnten künftig nur noch kleine Bereiche für Forschung und Entwicklung erhalten bleiben. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wurde bereits eine Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit in Reutlingen angezeigt. Porsche äußert sich offiziell nicht zu den Vorgängen. Nach dpa-Informationen hat Porsche-Chef Oliver Blume sogar die Landesregierung Baden-Württembergs über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Insgesamt beschäftigt die Cellforce Group rund 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die meisten von ihnen könnten nun vor der Arbeitslosigkeit stehen.
Ursachen: Ursprünglich wollte Porsche mit Cellforce den Einstieg in die eigene Batteriezellfertigung schaffen, um im Zuge der Elektromobilität unabhängiger zu werden. Geplante Batteriewerke (z.B. in Tübingen) scheiterten jedoch an rechtlichen Hürden, und das Projekt verlor an Rückhalt. Porsche investiert mittlerweile wieder verstärkt in konventionelle Antriebe. Der gescheiterte Ausflug in die Batterietechnik bedeutet nun erhebliche Abschreibungen und einen Strategiewechsel – und für die Beschäftigten von Cellforce droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze.
Mitarbeiterversammlung am 25. August 2025
Für Montag, den 25. August 2025, ist eine Betriebs- bzw. Mitarbeiterversammlung angesetzt. Dort soll der Porsche-Entwicklungsvorstand die Mitarbeiter über die Zukunft von Cellforce informieren und Fragen beantworten. Was bedeutet das für Sie als Arbeitnehmer? Nutzen Sie diese Versammlung unbedingt, um Informationen aus erster Hand zu erhalten. Fragen Sie nach konkreten Plänen und Zeitabläufen: Steht eine vollständige Schließung an? Gibt es Möglichkeiten, Mitarbeiter in anderen Bereichen des Porsche-Konzerns unterzubringen? Wird es Abfindungsangebote oder Unterstützungsmaßnahmen geben? Als Betroffene haben Sie ein Recht darauf, über anstehende Kündigungen, Sozialplan-Verhandlungen etc. informiert zu werden. Notieren Sie sich wichtige Aussagen und scheuen Sie sich nicht, kritische Fragen zu stellen – etwa wie der Konzern seine soziale Verantwortung gegenüber den knapp 200 Mitarbeitern wahrnehmen will.
Tipp: Gehen Sie geschlossen als Belegschaft in diese Versammlung. Oft hilft ein gemeinsames Auftreten der Mitarbeiter (eventuell mit Unterstützung der Gewerkschaft oder bereits gewählter Arbeitnehmervertreter), um den Druck zu erhöhen, dass der Arbeitgeber faire Lösungen präsentiert. Sollte bereits eine Interessenvertretung (wie ein Wahlvorstand für den Betriebsrat) bestehen, kann diese in der Versammlung ebenfalls auftreten und die Interessen der Beschäftigten bündeln.
Massenentlassung und Anzeige bei der Arbeitsagentur
Die Tatsache, dass Porsche bereits eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingereicht hat, ist ein formaler Schritt gemäß §17 Kündigungsschutzgesetz. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen beabsichtigt, innerhalb von 30 Tagen eine größere Zahl von Kündigungen auszusprechen (hier ~200), muss dies vorab der Arbeitsagentur gemeldet werden. Wichtig für Arbeitnehmer:
- Eine solche Anzeige ersetzt keine Kündigungsschreiben. Sie dient zunächst der Information der Behörde und dazu, Unterstützungsmaßnahmen für die Beschäftigten vorzubereiten. Solange Sie kein individuelles Kündigungsschreiben erhalten haben, sind Sie weiterhin regulär beschäftigt.
- Die Arbeitsagentur prüft die Anzeige und es gilt eine Sperrfrist von in der Regel 30 Tagen ab Eingang der Meldung. Vor Ablauf dieser Frist dürfen Kündigungen grundsätzlich nicht wirksam werden. Das soll Massenentlassungen verzögern, damit Vermittlungsbemühungen gestartet werden können.
- Dennoch kann der Arbeitgeber bereits Kündigungen aussprechen, die dann zum Ende der Sperrfrist wirksam werden. Rechnen Sie also damit, dass unmittelbar nach der Mitarbeiterversammlung – oder sogar noch am selben Tag – Kündigungsschreiben verteilt werden könnten. Porsche dürfte versuchen, das Verfahren zügig abzuwickeln.
Falls Sie ein Kündigungsschreiben erhalten, achten Sie auf das Datum der Anzeige an die Arbeitsagentur (dies müsste im Kündigungsschreiben oder Beiblatt erwähnt sein). Fehler bei der Massenentlassungsanzeige können Kündigungen unwirksam machen. Ein Fachanwalt kann prüfen, ob die Formalien (inkl. Beteiligung eines Betriebsrats, siehe unten) eingehalten wurden.
Keine Beschäftigungsgarantie bei Cellforce
In Medienberichten wird hervorgehoben, dass es bei Cellforce keine Beschäftigungsgarantie gibt – im Gegensatz zur Stammbelegschaft von Porsche in Stuttgart. Große Automobilhersteller vereinbaren mit Betriebsrat und Gewerkschaft oft Beschäftigungssicherungs-Abkommen, die betriebsbedingte Kündigungen für einen bestimmten Zeitraum ausschließen. Eine solche Garantie fehlt bei der jungen Tochterfirma Cellforce. Für die Mitarbeiter bedeutet das leider: Betriebsbedingte Kündigungen sind rechtlich zulässig, sofern die Voraussetzungen des Kündigungsschutzes gewahrt sind.
Allerdings muss auch Porsche/Cellforce die sozialen Auswahlkriterien (§1 KSchG) beachten. Sollte nicht der gesamte Betrieb geschlossen, sondern nur ein Teil der Belegschaft abgebaut werden, muss eine Sozialauswahl stattfinden. Das heißt, der Arbeitgeber müsste anhand von Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung prüfen, wen er entlassen kann. Da hier offenbar ein Großteil der Belegschaft gehen soll und nur eine kleine F&E-Einheit bleiben könnte, wird die Sozialauswahl vermutlich zwischen den wenigen verbleibenden Stellen und den restlichen Mitarbeitern relevant. Achtung: Sollte Ihnen gekündigt werden, obwohl ein anderer vergleichbarer Kollege mit deutlich kürzerer Betriebszugehörigkeit bleiben darf, könnte dies ein Ansatz für eine Kündigungsschutzklage sein.
Betriebsrat-Gründung und Sozialplan
Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in der Ausgleichs- und Unterstützungsmaßnahmen für die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer geregelt sind (z. B. Abfindungen, Umschulungen, Transfergesellschaft). Voraussetzung für einen erzwingbaren Sozialplan ist das Bestehen eines Betriebsrats. Bei Cellforce gab es bislang keinen Betriebsrat – doch angesichts der drohenden Schließung haben die Beschäftigten gemeinsam mit der IG Metall kurzfristig eine Betriebsratswahl eingeleitet. Am 6. August 2025 wurde ein Wahlvorstand gegründet, um die Interessen der rund 280 Mitarbeiter künftig mitbestimmen zu können.
Warum ist das wichtig? Ohne Betriebsrat könnte Porsche die Entlassungen einseitig durchführen, und ein Sozialplan wäre nur auf freiwilliger Basis möglich. Mit einem gewählten Betriebsrat hingegen muss der Arbeitgeber über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln (§§ 111, 112 BetrVG), sobald eine Massenentlassung oder Betriebsschließung ansteht. Die IG Metall hat bereits deutlich gemacht, dass sie von Porsche Perspektiven für alle Beschäftigten fordert und einen fairen Umgang verlangt. Zwar kam die Betriebsratsgründung „in letzter Sekunde“ – doch zumindest gibt es nun eine Belegschaftsvertretung, die auf Verhandlungen über Abfederungsmaßnahmen drängen kann.
Sozialplan-Inhalte: In einem Sozialplan würden typischerweise Abfindungen für alle gekündigten Mitarbeiter festgelegt. Die Höhe kann verhandelt werden; häufig orientiert man sich an Formeln (z. B. 0,5 Brutto-Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr als Basis – je nach Alter, Betriebszugehörigkeit und Familienstatus kann es Zu- oder Abschläge geben). Außerdem könnten Maßnahmen wie eine Transfergesellschaft (zur vorübergehenden Weiterbeschäftigung und Qualifizierung der Mitarbeiter), Outplacement-Beratung oder Weiterbildungsangebote vereinbart werden. Ziel ist es, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer teilweise auszugleichen.
Hinweis: Sollte Porsche tatsächlich noch vor Abschluss der Betriebsratswahl Kündigungen aussprechen, wäre das ein heikles Vorgehen. Die IG Metall hat in der Presse ihr Unverständnis darüber geäußert, dass der Konzern praktisch Fakten schafft, obwohl die Betriebsratswahl im September geplant war. In so einem Fall könnte ein später gewählter Betriebsrat versuchen, dennoch Sozialplan-Verhandlungen aufzunehmen oder rechtlich zu prüfen, ob die frühzeitigen Kündigungen gegen Mitbestimmungsrechte verstoßen.
Kündigungsschutz und Abfindung: Das sollten Betroffene tun
Stehen Ihnen tatsächlich Kündigungen ins Haus, sollten Sie als Arbeitnehmer einige grundlegende Punkte beachten und aktiv angehen:
- Kündigungsschreiben prüfen: Wenn Sie ein Kündigungsschreiben erhalten, kontrollieren Sie zunächst Form und Frist. Ist die Kündigungsfrist korrekt berechnet? (Diese richtet sich nach Ihrer Betriebszugehörigkeit und dem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag.) Enthält das Schreiben einen konkreten Kündigungsgrund? Bei betriebsbedingter Kündigung muss zwar kein ausführlicher Grund im Schreiben stehen, aber zumindest sollte klar sein, dass eine Betriebsstilllegung oder Massenentlassung der Anlass ist. Achten Sie auch darauf, ob im Schreiben ein Hinweis auf die Meldung gemäß §17 KSchG (Massenentlassung) enthalten ist und ob ggf. der Betriebsrat – falls bis dahin gewählt – angehört wurde. Formfehler können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
- Sich arbeitssuchend melden: Unabhängig davon, ob Sie eine Kündigung anfechten wollen oder nicht – melden Sie sich umgehend (spätestens innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt der Kündigung) bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Dies ist wichtig, um keine Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu riskieren. Sie können sich auch schon vorsorglich melden, sobald absehbar ist, dass Ihnen eine Kündigung droht (z. B. nach der Mitarbeiterversammlung), selbst wenn das Kündigungsschreiben noch nicht ausgehändigt wurde.
- Kündigungsschutzklage erwägen: Wollen Sie gegen die Kündigung vorgehen, müssen Sie innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Diese Frist ist absolut strikt (§4 KSchG)! Versäumen Sie sie, wird die Kündigung selbst bei Fehlern als gültig betrachtet. Eine Kündigungsschutzklage kann sich lohnen, um entweder Ihre Weiterbeschäftigung zu erstreiten oder – was häufiger der Fall ist – eine höhere Abfindung auszuhandeln. In vielen Fällen enden Kündigungsschutzprozesse mit einem Vergleich, bei dem der Arbeitgeber eine Abfindung zahlt, damit das Arbeitsverhältnis beendet wird. Tipp: Lassen Sie sich anwaltlich beraten, ob in Ihrem konkreten Fall Erfolgsaussichten bestehen (etwa wegen fehlerhafter Sozialauswahl, Formfehlern, Missachtung besonderer Kündigungsschutzregeln für Schwerbehinderte, etc.).
- Abfindungsangebot prüfen: Möglicherweise bietet Porsche/Cellforce den Mitarbeitern ein freiwilliges Abfindungsangebot an, um Kündigungsklagen zu vermeiden. Prüfen Sie ein solches Angebot genau – idealerweise mit Hilfe des Betriebsrats oder eines Anwalts. Wichtig zu wissen: Es gibt keinen automatischen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung! Ein Anspruch entsteht nur, wenn ein Sozialplan dies vorsieht oder der Arbeitgeber Ihnen im Kündigungsschreiben nach §1a KSchG eine Abfindung für den Verzicht auf Klage anbietet. Oft sind initiale Abfindungsangebote verhandelbar. Unterschreiben Sie nicht voreilig einen Aufhebungsvertrag oder eine Abfindungsvereinbarung, ohne die Konditionen (Höhe der Abfindung, Zeugnis, Verzicht auf Klage etc.) geprüft zu haben. Ein vorschnell unterzeichneter Aufhebungsvertrag könnte sogar Nachteile beim Arbeitslosengeld (Sperrzeit) mit sich bringen.
- Unterstützung suchen: Wenden Sie sich an die IG Metall (sofern Mitglied) oder andere Gewerkschaften, die den Prozess begleiten. Nehmen Sie Kontakt zum (ggf. frisch gewählten) Betriebsrat auf – dieser kann kollektiv für bessere Bedingungen kämpfen, etwa durch Nachverhandlungen beim Sozialplan. Tauschen Sie sich auch mit Kollegen aus, ziehen Sie gemeinsam in Erwägung, rechtliche Schritte zu gehen oder zumindest geschlossen Verbesserungen zu fordern. Solidarisches Auftreten erhöht den Druck auf den Arbeitgeber.
Die angekündigte Abwicklung von Cellforce ist für die Mitarbeiter ein harter Schlag. Wichtig ist jetzt, ruhig zu bleiben, sich aber zugleich aktiv über die eigenen Rechte zu informieren und diese wahrzunehmen. Nutzen Sie die Mitarbeiterversammlung am 25. August, um Klarheit zu gewinnen, und bereiten Sie sich auf mögliche Kündigungen vor. Dank der kurzfristig initiierten Betriebsratswahl besteht Hoffnung auf einen Sozialplan, der Abfindungen und Hilfen bringen kann. Letztlich sollten betroffene Arbeitnehmer nicht zögern, fachkundigen Rat einzuholen – sei es von der Gewerkschaft oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Jeder Fall ist individuell: Ein rechtzeitiges Beratungsgespräch kann Ihnen helfen, die beste Strategie für Ihren weiteren Berufsweg zu finden und Ihre Ansprüche zu sichern. Bleiben Sie informiert, unterstützen Sie einander im Kollegenkreis und scheuen Sie sich nicht, Ihre Rechte geltend zu machen. Ihr jahrzehntelanger Einsatz und Ihr Know-how als Spezialisten für Batterietechnologie verdienen einen fairen Umgang – rechtlich stehen Ihnen Mittel zur Verfügung, diesen einzufordern. Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft und Erfolg bei den kommenden Schritten.