Privatparkplatz-Strafzettel – Halter muss Fahrer benennen oder muss selbst zahlen

18. Dezember 2019 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18.12.2019 zum Aktenzeichen XII ZR 13/19 entschieden, dass ein Kfz-Halter bei Verstoß gegen die Parkordnung des Betreibers eines privaten Parkplatzes auf „erhöhtes Parkentgelt“ haften kann, wenn er seine Fahrereigenschaft nur pauschal bestreitet, ohne den Fahrer zu benennen.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 164/2019 vom 18.12.2019 ergibt sich:

Die Klägerin, ein mit der Bewirtschaftung privaten Parkraums befasstes Unternehmen, betreibt für die jeweiligen Grundstückseigentümer zwei Krankenhausparkplätze. Diese sind durch Hinweisschilder als Privatparkplätze ausgewiesen. Die Benutzung ist für eine Höchstparkdauer mit Parkscheibe kostenlos; zudem gibt es gesondert beschilderte, den Krankenhausmitarbeitern mit Parkausweis vorbehaltene Stellflächen. Durch Schilder ist darauf hingewiesen, dass bei widerrechtlich abgestellten Fahrzeugen ein „erhöhtes Parkentgelt“ von mindestens 30 Euro erhoben wird. Die Beklagte ist Halterin eines Pkws, der im Oktober 2015 auf dem Parkplatz des einen Krankenhauses unter Überschreitung der Höchstparkdauer sowie im Mai und im Dezember 2017 unberechtigt auf einem Mitarbeiterparkplatz des anderen Krankenhauses abgestellt war. Die drei am Pkw hinterlassenen Aufforderungen zur Zahlung eines „erhöhten Parkentgelts“ blieben erfolglos. Daraufhin ermittelte die Klägerin durch Halteranfragen die Beklagte als die Fahrzeughalterin. Diese bestritt, an den betreffenden Tagen Fahrerin des Pkws gewesen zu sein, und verweigerte die Zahlung.

Das Amtsgericht hatte die auf Zahlung der „erhöhten Parkentgelte“ sowie der Kosten der Halteranfragen und von Inkassokosten in einer Gesamthöhe von 214,50 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hatte die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil Schuldner des „erhöhten Parkentgelts“ nicht der Fahrzeughalter, sondern nur der Fahrer sei und die Beklagte wirksam ihre Fahrereigenschaft bestritten habe. Gegen die Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.

Der BGH hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des BGH kommt zwischen dem Betreiber eines privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführer ein Nutzungsvertrag zustande, indem der Fahrzeugführer das in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs annimmt. Werde der Parkplatz – wie hier – unentgeltlich zur Verfügung gestellt, handele es sich nicht um einen Miet-, sondern um einen Leihvertrag. Durch die Hinweisschilder werde das „erhöhte Parkentgelt“ als Vertragsstrafe in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Festlegung mit mindestens 30 Euro sei hinreichend bestimmt und der Höhe nach nicht unangemessen.

Zu Recht habe es das Landgericht zwar abgelehnt, eine Haftung der Klägerin für diese Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere schulde der Halter keinen Schadensersatz wegen der Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen, weil ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende Auskunftspflicht treffe.

Anders als das Landgericht meint, habe die Beklagte aber ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer gewesen sei, bestehe allerdings nicht, weil Halter- und Fahrereigenschaft in der Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Jedenfalls wenn die Einräumung der Parkmöglichkeit, wie im vorliegenden Fall, unentgeltlich in Form einer Leihe erfolgt sei, könne sich der Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft beschränken. Vielmehr müsse er im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht gekommen sei.

Die grundsätzlich dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast, hier für die Fahrereigenschaft, könne nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen eine Erleichterung erfahren. Danach treffe den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung habe, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kenne und es ihm unschwer möglich und zumutbar sei, hierzu näher vorzutragen. Diese Voraussetzungen seien für den vorliegenden Fall zu bejahen.

Denn beim Parken auf einem privaten Parkplatz handele es sich um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der Parkplatz nicht einem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit zur – regelmäßig kurzzeitigen – Nutzung angeboten werde. Zu einem persönlichen Kontakt zwischen Betreiber und Fahrer als den beiden Vertragsparteien komme es regelmäßig nicht. Dies habe zwangsläufig zur Folge, dass dem Verleiher die Person des Fahrzeugführers als des Entleihers nicht bekannt sei. Dass der Parkplatzbetreiber das Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig mache, sei Bestandteil dieses Massengeschäfts und liege im Interesse der auf den einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er habe keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs und damit einer Verletzung seiner letztlich aus dem Eigentum folgenden Rechte im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er – mittels gesteigerten Personalaufwandes – den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung stelle, könne auch nicht die Errichtung technischer Anlagen (etwa eines Schrankensystems) gefordert werden, die letztlich allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen.

Im Gegensatz dazu sei es dem Halter, der unter Beachtung seiner prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er habe es regelmäßig in der Hand, wem er sein das Fahrzeug überlasse.

Das Landgericht werde der Beklagten daher nun Gelegenheit zu einem wirksamen Bestreiten ihrer Fahrereigenschaft unter Angabe der als Fahrer im Zeitpunkt des jeweiligen Parkverstoßes in Betracht kommenden Person einzuräumen und dann neu zu entscheiden haben.