Prognosepraxis bei Mindestmengen-OPs gekippt

14. Juli 2020 -

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat am 16.06.2020 zum Aktenzeichen L 16 KR 64/20 im Streit zwischen Krankenkassen und einem Krankenhaus um die Widerlegung einer Mindestmengenprognose für Leistungen entschieden, dass das vorausgegangene Kalenderjahr maßgebend ist und nicht die letzten vier Quartale.

Aus der Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen Nr. 15/2020 vom 13.07.2020 ergibt sich:

Um komplexe Operationen durchführen zu dürfen, müssen die Krankenhäuser aus Qualitätsgründen bestimmte Mindestmengen leisten. Um diese Eingriffe auch zukünftig abrechnen zu dürfen, erstellen die Krankenhäuser zur Jahresmitte zunächst eine Prognose, die in einem zweiten Schritt von den Krankenkassen widerlegt werden kann. Im zugrundeliegenden Fall wollte ein Wolfsburger Krankenhaus auch 2020 komplexe Operationen an der Speiseröhre anbieten. Hierfür prognostizierte es im Juli 2019 das Erreichen der Mindestmenge von zehn OPs im Folgejahr. Grundlage waren die Vorjahreszahlen mit genau zehn Eingriffen, sowie geplante OPs im laufenden Jahr. Die Krankenkassen bezweifelten diese Prognose. Nach ihrer Ansicht käme es auf die aktuelle Leistungsmenge der letzten vier Quartale (Q3/18 – Q2/19) an, wonach die Mindestmenge nicht erreicht werde. Auf die Vorjahreszahlen oder eine pauschale Mitteilung geplanter Fälle sei nicht entscheidend abzustellen. Dies sei bloße Erwartungshaltung.

Das LSG Celle-Bremen hat die Rechtswidrigkeit des Widerlegungsbescheides der Krankenkassen festgestellt, da das Krankenhaus seine Prognose auf eine fehlerfreie Grundlage gestützt hat.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts haben die Krankenkassen schon den Wortlaut der Mindestmengenregelungen missachtet. Bei dem „vorangegangenen Kalenderjahr“ handele es sich zweifelsohne nicht um die letzten vier Quartale. Die Regelvermutung könne nicht mit dem Argument konterkariert werden, dass die Vorjahreszahlen in einem anderen Zeitraum nicht erreicht würden. Die Sichtweise der Krankenkassen würde die Mindestmengenregelung ins Gegenteil verkehren. Denn durch die Betrachtung des Quartalszeitraums solle vielmehr den Krankenhäusern die Möglichkeit gegeben werden, auch bei Unterschreitung der Mindestmenge im Vorjahr eine positive Prognose abzugeben sofern die neueren Zahlen in diese Richtung zeigten. Auch konkret geplante OPs könnten einbezogen werden; dies sei das Wesen einer in die Zukunft blickenden Prognose.