Ein neues Urteil des Landgerichts Berlin II vom 10.06.2025 sorgt für Aufsehen: Darf die Boulevardpresse das Geburtsdatum der Tochter von Schlagerstar Helene Fischer abdrucken? Das Gericht meint ja – trotz des besonderen Schutzes von Prominenten-Kindern. Im folgenden Rechtstipp beleuchten wir den Fall, die rechtlichen Erwägungen des Gerichts und die praktische Bedeutung des Urteils.
Worum ging es in dem Verfahren?
Helene Fischer und ihr Partner Thomas Seitel, ein prominentes Paar, wollten verhindern, dass Medien das genaue Geburtsdatum ihrer Tochter veröffentlichen. Im Juni 2023 war publik geworden, dass das Paar kurz vor der Geburt heimlich geheiratet hatte – diese Nachricht schaffte es groß in die Schlagzeilen. Einige Zeitungen nannten dabei den vollen Namen und das Geburtsdatum des Babys. Die Eltern klagten daraufhin im Namen ihrer Tochter gegen diese Veröffentlichungen. Zunächst erließ das Landgericht Berlin tatsächlich Verbote gegen einige bereits erschienene Artikel. Anfang 2025 folgte dann eine zweite Klage: Diesmal wollten Fischer und Seitel eine vorsorgliche Unterlassung erreichen, um jede künftige Nennung des Geburtsdatums ihrer Tochter in der Presse zu untersagen.
Die Eltern betonten vor Gericht das Recht ihrer Tochter auf Privatsphäre. Sie argumentierten, das Mädchen habe ein Anrecht darauf, „unbeobachtet von der Öffentlichkeit aufzuwachsen“. Durch die Preisgabe ihres Geburtsdatums werde dieser Schutz unterlaufen. Konkret fürchteten die Eltern etwa, dass die Veröffentlichung zu ungebetenen Besuchen oder Geschenksendungen am Geburtstag führen könnte – ein erheblicher Eingriff in das private Umfeld des Kindes. Ihr Ziel war ein Unterlassungsanspruch, also ein gerichtliches Verbot für Medien, den Geburtstag ihres Kindes öffentlich zu nennen.
Welche Rechte standen im Mittelpunkt?
Im Kern prallten hier zwei Rechtspositionen aufeinander: das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes und die Presse- und Meinungsfreiheit der Medien.
Auf Seiten des Kindes ging es um den Schutz der Privatsphäre und der Entwicklung seiner Persönlichkeit. Jeder Mensch – auch ein Kind prominenter Eltern – hat das Recht, persönliche Informationen geheim zu halten. Besonders Minderjährige genießen in Deutschland einen intensiven Schutz ihres Persönlichkeitsrechts. So sollen Kinder und Jugendliche sich frei entfalten können, ohne frühzeitig dem grellen Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Juristisch umfasst das Persönlichkeitsrecht z. B. den Schutz der persönlichen Daten (wie Name oder Geburtsdatum) und – falls es um Fotos ginge – auch den Bildnisschutz, also das Recht am eigenen Bild. Im vorliegenden Fall ging es allerdings nicht um Fotos, sondern um eine Information (das Datum der Geburt). Der klassische Bildnisschutz spielte daher keine Rolle. Dafür war der Datenschutz zumindest berührt: Ein Geburtsdatum ist ein personenbezogenes Datum, dessen Veröffentlichung grundsätzlich nur mit Einwilligung oder besonderer Rechtfertigung zulässig ist. In der Medienberichterstattung greifen jedoch Ausnahmen – hier berief sich die Presse auf ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse, das eine Veröffentlichung rechtfertigen sollte.
Auf Seiten der Presse standen die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz). Diese Grundrechte schützen die Tätigkeit von Journalisten und Medien, auch wenn sie über prominente Personen berichten. Die Pressefreiheit umfasst nicht nur seriöse politische Berichterstattung, sondern ausdrücklich auch Beiträge der Unterhaltungs- und Boulevardpresse. Das Landgericht betonte, dass auch scheinbar „oberflächliche“ Informationen aus dem Promi-Kosmos von der Pressefreiheit gedeckt sind, solange ein öffentliches Informationsinteresse daran besteht. Solche Berichte über Prominente befriedigen nämlich nicht nur die Neugier des Publikums, sondern erfüllen nach Auffassung der Gerichte auch eine „Leitbild- und Kontrastfunktion“: Die Leserschaft vergleicht ihr eigenes Leben mit dem der Prominenten und bildet sich daran eine Meinung über gesellschaftliche Werte und Lebensentwürfe. Helene Fischer als herausragende Persönlichkeit trage durch ihr Verhalten – etwa eine Hochzeit kurz vor der Geburt des Kindes – zu dieser öffentlichen Meinungsbildung bei.
Kurz gesagt: Die Zeitung berief sich darauf, dass die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse an Details aus dem Leben eines solchen Stars und seiner Familie habe – und dass dieses Informationsinteresse in einer freien Presse auch solche Details wie ein Geburtsdatum einschließt.
Die Entscheidung des LG Berlin: Abwägung der Interessen
Das Landgericht Berlin II (Zivilkammer 27) stellte in seinem Urteil vom 10.06.2025 (Az. 27 O 17/25) klar, dass kein Automatismus zugunsten des Kindes besteht. Zwar erkannte das Gericht das besondere Schutzbedürfnis von Kindern an – je jünger das Kind, desto mehr Rücksicht auf seine ungestörte Entwicklung. Dennoch müsse immer im Einzelfall geprüft werden, welches Recht überwiegt. Ein genereller Vorrang der Privatsphäre Minderjähriger vor der Pressefreiheit bestehe nicht.
Im konkreten Fall nahm das LG Berlin eine sorgfältige Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Kindes und der Pressefreiheit vor. Das Ergebnis fiel zugunsten der Medien aus. Entscheidend waren dabei folgende Erwägungen des Gerichts:
- Öffentliches Informationsinteresse: Das Gericht sah ein „erhebliches öffentliches Informationsinteresse“ an der Berichterstattung über Helene Fischer und ihre Tochter. Helene Fischer ist eine der erfolgreichsten Entertainerinnen Deutschlands. Ihr Privatleben – einschließlich Familie und Kind – stößt naturgemäß auf großes Interesse in der Gesellschaft. Die Tatsache der heimlichen Hochzeit und Geburt im engen zeitlichen Zusammenhang wertete die Kammer als berichtenswert, da sie zum öffentlichen Diskurs über Lebensentwürfe beitragen kann. Pressefreiheit bedeutet eben nicht nur Schutz wichtiger Nachrichten, sondern auch von Unterhaltung und Prominenten-News.
- Geringe Eingriffsintensität: Die Nennung lediglich des Geburtsdatums des Kindes greife nach Ansicht des Gerichts nur am Rande in dessen Persönlichkeitsrecht ein. Diese Information sei kein intimes oder sensibles Detail aus dem Privatleben des Kindes. Das Gericht führte aus, es sei nicht ersichtlich, inwiefern allein durch die Kenntnis des Geburtstags das unbefangene Aufwachsen des Mädchens beeinträchtigt werden könnte. Ein Datum als solches verrät nichts über die Person selbst – es ist vor allem für das Selbstbild des Kindes irgendwann von Bedeutung, aber kaum für Außenstehende. Die befürchteten Folgen (z. B. gratulierende Fremde oder Fanpost am Geburtstag) schätzte das Gericht als rein theoretisch ein. Solche Szenarien würden zudem voraussetzen, dass weitere private Informationen (wie die aktuelle Wohnadresse der Familie) bekannt werden – was hier nicht der Fall ist.
- Promi-Kind als „besondere“ Person: Ein Argument der Eltern war, dass ihre Tochter durch die Berichte „zu etwas Besonderem“ stilisiert werde im Vergleich zu anderen Kindern – allein weil sie ein Promi-Kind ist. Diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Die Richter machten deutlich, dass ein Kind einer sehr prominenten Mutter sich ohnehin nicht vollständig davor schützen lässt, von der Öffentlichkeit als etwas Besonderes wahrgenommen zu werden. Mit anderen Worten: Die prominente Stellung der Eltern „färbt ab“ – ein gewisses öffentliches Interesse am Kind kann man faktisch nicht verhindern, solange die Berichte die Privatsphäre nicht schwerwiegend verletzen.
Unter Abwägung all dieser Punkte kam das Landgericht zu dem Schluss, dass hier die Pressefreiheit im konkreten Fall überwiegt. Das Persönlichkeitsrecht der Tochter von Helene Fischer war zwar betroffen, aber nur in einem untergeordneten Bereich. Demgegenüber wog das Informationsinteresse der Öffentlichkeit schwer – selbst bei einer Boulevardnews wie einem Baby-Geburtsdatum. Folglich wurde der Unterlassungsanspruch verneint: Die Zeitung durfte das Geburtsdatum des Kindes drucken.
Bedeutung des Urteils für die Praxis
Das Urteil des LG Berlin vom 10.06.2025 ist wegweisend für den Umgang mit Prominenten und ihren Kindern in den Medien. Es verdeutlicht, wo die Grenze zwischen Privatsphäre und Pressefreiheit verläuft – zumindest nach Auffassung dieses Gerichts. Folgende Lehren lassen sich daraus ziehen:
- Für Prominente (und ihre Familien): Auch prominente Eltern können nicht jede Veröffentlichung über ihre Kinder verhindern. Zwar genießen Promi-Kinder besonderen Schutz, doch nicht jede Information ist tabu. Nur schwerwiegende Eingriffe – etwa heimlich aufgenommene Paparazzi-Fotos in privaten Momenten – werden von den Gerichten konsequent unterbunden. So hatte Helene Fischer im Jahr 2023 vor demselben Landgericht Erfolg, verbotene Paparazzi-Bilder ihrer Tochter aus der Boulevardpresse zu entfernen und sogar 80.000 € Entschädigung vom Axel-Springer-Verlag zugesprochen bekommen. Diese Fotos (die Sängerin wurde mit ihrem Baby im Park abgelichtet) galten als klare Verletzung der Intimsphäre und des Rechts am eigenen Bild. Reine Basisdaten wie ein Vorname oder Geburtsdatum stellen hingegen einen vergleichsweise geringen Eingriff dar – hier müssen Prominente eher hinnehmen, dass darüber berichtet wird. Das Urteil bedeutet aber nicht, dass ab jetzt alles über Promi-Kinder veröffentlicht werden darf. Es kommt stets auf die Art der Information und das Ausmaß der Beeinträchtigung an. Persönliche oder gesundheitliche Details des Kindes etwa blieben weiterhin streng geschützt.
- Für Medien und Journalisten: Die Entscheidung stärkt in gewissem Umfang die Pressefreiheit bei der Berichterstattung über prominente Personen und deren Familien. Redaktionen können sich darauf berufen, dass selbst Berichte aus dem Privatleben von Prominenten vom Grundrecht der Pressefreiheit gedeckt sind, solange ein öffentliches Interesse besteht. Allerdings liefert das Urteil auch eine Checkliste: Medien sollten prüfen, wie tief eine Information in die Privatsphäre eingreift. Unproblematisch sind eher oberflächliche Fakten (wie Geburtsdaten, Hochzeitsdaten oder Ähnliches), insbesondere wenn die Prominenten sehr bekannt sind und die Öffentlichkeit Anteil nimmt. Vorsicht geboten ist bei intimen oder potenziell schädlichen Enthüllungen (z. B. Krankheiten eines Promi-Kindes, Aufnahmen aus dem Familienheim etc.) – hier dürfte die Abwägung anders ausfallen. Das LG Berlin betont den Einzelfall: Medien dürfen nicht automatisch alles drucken, was irgendwie interessant erscheint, sondern müssen bei heiklen Details die Persönlichkeitssphäre respektieren. Das Urteil zeigt aber, dass Gerichte auch der Boulevardpresse zugestehen, ihre Leser mit Informationen zu versorgen, die über reine Unterhaltung hinaus eine gesellschaftliche Orientierungsfunktion haben.
- Für Rechtsanwälte und Berater: Der Richterspruch dient als Orientierungshilfe in ähnlich gelagerten Fällen. Anwälte, die Prominente vertreten, sollten aus diesem Urteil schließen, dass es erfolgversprechend ist, konkret darzulegen, welcher Schaden oder welche Beeinträchtigung durch eine Veröffentlichung droht. Allgemeine Hinweise auf Privatsphäre reichen nicht immer – es kommt auf die Substanz der Beeinträchtigung an. Im vorliegenden Fall konnte das Gericht keine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch die bloße Kenntnis des Geburtstags erkennen. Hätten Fischer und ihr Mann z. B. nachweisen können, dass bereits tatsächlich Fremde vor der Tür standen oder das Kind belästigt wurde, wäre die Entscheidung womöglich anders ausgefallen. Umgekehrt können Medienanwälte dieses Urteil anführen, um zu unterstreichen, dass ein gewisses Öffentlichkeitsinteresse an Prominenten und ihrem Umfeld legitimerweise befriedigt werden darf – insbesondere wenn der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte nur geringfügig ist. Wichtig ist, auf die Rechtsprechung des Einzelfalls hinzuweisen: Frühere Urteile, etwa vom Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, haben immer wieder betont, dass die konkrete Situation und Abwägung ausschlaggebend sind. Das LG Berlin 2025 reiht sich in diese Linie ein und konkretisiert sie für den Umgang mit Promi-Kindern.
Prominente und ihre Kinder haben einen starken Schutz ihrer Privatsphäre – doch dieser Schutz ist nicht absolut. Die Presse darf über Personen des öffentlichen Lebens berichten, auch über deren Familienangelegenheiten, solange sie dabei keine rote Linie überschreitet. Das aktuelle Urteil zeigt exemplarisch, wo diese Linie verläuft: Ein Geburtsdatum ist im Zweifel zulässig, ein intimes Foto dagegen nicht. Für alle Beteiligten – Stars, Medien und Juristen – bietet diese Entscheidung wertvolle Klarheit darüber, wie weit die Berichterstattung über Prominenten-Kinder gehen darf und wo die Rechte der Betroffenen beginnen. Jeder Fall bleibt individuell zu beurteilen, doch das LG Berlin gibt mit diesem Urteil einen wichtigen Maßstab an die Hand.