Eine Abfindung soll den Verlust des Arbeitsplatzes finanziell abmildern. Doch unter welchen Voraussetzungen erhalten Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung?
Betriebsbedingte Kündigung – was bedeutet das?
Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn dringende betriebliche Erfordernisse der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Im Klartext: Der Kündigungsgrund liegt nicht im Verhalten oder in der Person des Mitarbeiters, sondern in der Situation des Unternehmens. Typische Beispiele sind etwa Auftragsrückgang, Umstrukturierungen, Stellenabbau oder gar die Schließung des Betriebs. In solchen Fällen schreibt das Kündigungsschutzgesetz vor, dass der Arbeitgeber Sozialauswahl durchführen muss: Bei betriebsbedingten Kündigungen sollen zunächst die sozial am wenigsten schutzwürdigen Mitarbeiter gekündigt werden. Kriterien der Sozialauswahl sind Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Ältere Arbeitnehmer, langjährig Beschäftigte, Unterhaltspflichtige (z. B. mit Kindern) oder Schwerbehinderte genießen also besonderen Schutz, während weniger schutzwürdige Kollegen zuerst gekündigt werden müssen. Dabei dürfen nur vergleichbare Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe (z. B. alle mit ähnlicher Tätigkeit/Hierarchie) verglichen werden, damit die Auswahl fair bleibt.
Wichtig: Fehler des Arbeitgebers bei der Sozialauswahl können die Kündigung unwirksam machen. Eine fehlerhafte Sozialauswahl – etwa, wenn ein deutlich weniger schutzwürdiger Kollege im Betrieb verbleibt und Sie gekündigt wurden – ist ein häufiger Angriffspunkt in Kündigungsschutzklagen. Für Arbeitnehmer bedeutet dies: Entdeckt man solche Fehler, erhöhen sich die Chancen erheblich, entweder den Arbeitsplatz zu behalten oder eine hohe Abfindung auszuhandeln. Denn Arbeitgeber sind oft bereit, eine höhere Abfindung zu zahlen, um das Risiko einer gerichtlichen Niederlage mit möglicher Weiterbeschäftigung und Lohnnachzahlungen (Annahmeverzugslohn) zu vermeiden.
Kein automatischer Abfindungsanspruch – die wenigen Ausnahmen
Ein verbreiteter Irrglaube unter Arbeitnehmern ist, dass es bei einer Kündigung automatisch eine Abfindung gibt. Grundsätzlich besteht im deutschen Arbeitsrecht jedoch kein allgemeiner Rechtsanspruch auf Abfindung bei Kündigung. Weder das Bürgerliche Gesetzbuch noch das Kündigungsschutzgesetz verpflichten den Arbeitgeber im Normalfall zu einer Abfindungszahlung. Das Kündigungsschutzgesetz zielt primär auf den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses ab – wird eine Kündigung als unwirksam erkannt, behält der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz, statt automatisch Geld zu erhalten. Eine Abfindung erhalten Arbeitnehmer daher meist nur, wenn sie aktiv dafür eintreten, typischerweise im Rahmen einer Verhandlung oder Kündigungsschutzklage.
Ausnahmen: In einigen besonderen Fällen sieht das Gesetz oder ein Vertrag doch eine Abfindung vor:
- 1a KSchG – betriebsbedingte Kündigung mit Abfindungsangebot: Kündigt der Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen und bietet er im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung an für den Fall, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt, entsteht ein gesetzlicher Abfindungsanspruch. Dazu unten mehr.
- Sozialplan: Bei größeren Betriebsänderungen (z. B. Massenentlassungen) wird oft zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Sozialplan Sozialpläne enthalten häufig Abfindungsregelungen für die betroffenen Mitarbeiter, die als Ausgleich für den Arbeitsplatzverlust gezahlt werden. Die Höhe folgt meist einer festen Formel (z. B. Betriebszugehörigkeit × Monatsgehalt × Faktor) und kann über der gesetzlichen „Regelabfindung“ liegen. Haben Sie Anspruch auf einen Sozialplan, erhalten Sie die dort vereinbarte Abfindung in jedem Fall – unabhängig davon, ob Sie klagen oder nicht.
- Gerichtsurteil in Sonderfällen: Theoretisch kann ein Arbeitsgericht auf Antrag das Arbeitsverhältnis auflösen und eine Abfindung zusprechen (§§ 9, 10 KSchG), wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist (z. B. bei massivem Zerwürfnis). Dies passiert jedoch selten – in der Praxis werden Abfindungen fast immer durch freiwillige Vereinbarungen (Vergleich oder Vertrag) erzielt, nicht durch gerichtliches Urteil.
- Tarif- oder Arbeitsverträge: Manchmal sehen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Arbeitsverträge Abfindungen vor, z. B. in Form von Abfindungstabellen bei Personalabbau oder bei Aufhebungsverträgen für ältere Arbeitnehmer. Solche Regelungen begründen dann ausnahmsweise einen Anspruch im jeweiligen Geltungsbereich.
Abfindungsangebot nach § 1a KSchG – die „gesetzliche“ Abfindung
Speziell bei betriebsbedingten Kündigungen gibt es eine wichtige gesetzliche Regelung: § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Danach muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung anbieten, wenn er betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer auf eine Klage verzichtet. In der Praxis funktioniert das so:
- Der Kündigungsbrief enthält einen ausdrücklichen Hinweis, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen kann, wenn er die Klagefrist verstreichen lässt. Meist steht dort sinngemäß: „Diese Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen. Wenn Sie keine Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen erheben, erhalten Sie eine Abfindung nach § 1a KSchG.“
- Höhe der Abfindung: Das Gesetz legt eine Regelabfindung von 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr Ein angefangenes Jahr über 6 Monate wird aufgerundet. Beispiel: 10 Jahre Betriebszugehörigkeit ergeben 5 Monatsgehälter Abfindung. Als maßgeblicher Monatsverdienst zählt das zuletzt bezogene Bruttogehalt inkl. regelmäßiger Zulagen. (Diese gesetzliche Abfindung wird oft auch „Halber-Monatsgehalt-pro-Jahr“-Formel oder Regelabfindung genannt.)
- Voraussetzung Kündigungsschutzgesetz: Damit § 1a KSchG greift, muss das Kündigungsschutzgesetz überhaupt anwendbar sein, d.h. der Betrieb beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Mitarbeiter und das Arbeitsverhältnis besteht länger als 6 Monate. In Kleinbetrieben oder sehr kurzen Beschäftigungen besteht kein solcher Anspruch.
- Wirkung für Arbeitnehmer: Lassen Sie die dreiwöchige Klagefrist verstreichen, ohne Kündigungsschutzklage einzureichen, gilt das Angebot als angenommen. Sie haben dann mit Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf die Abfindung. Wichtig: Mit dem Verstreichen der Klagefrist verlieren Sie gleichzeitig die Möglichkeit, eine individuell höhere Abfindung auszuhandeln. Das heißt, wer das gesetzliche Angebot annimmt (durch Nichtstun), begnügt sich mit der festen halben Monatslohn-Pro-Jahr-Abfindung und verzichtet auf eine gerichtliche Überprüfung der Kündigung.
Praxistipp: Ein Abfindungsangebot nach § 1a KSchG ist freiwillig – Arbeitgeber müssen es nur aussprechen, wenn sie die gesetzliche Abfindungsregel nutzen wollen. Viele Arbeitgeber nutzen § 1a KSchG eher selten. Stattdessen wird häufiger direkt verhandelt oder geklagt. Enthält Ihr Kündigungsschreiben kein Abfindungsangebot, haben Sie keinen automatischen Anspruch – dann bleibt nur der Weg, Ihre Rechte aktiv einzufordern (siehe nächster Abschnitt). Umgekehrt sollten Sie, wenn ein Angebot im Kündigungsschreiben steht, überlegen: Bin ich mit der Abfindung gemäß § 1a einverstanden, oder ziehe ich eine Klage vor, um möglicherweise mehr zu erreichen? Denken Sie daran, dass das gesetzliche Angebot in der Regel eher ein Minimum darstellt und gut verhandelte Abfindungen auch höher ausfallen können.
Kündigungsschutzklage – der Weg zur Abfindung
Häufig führt erst eine Kündigungsschutzklage (also das gerichtliche Anfechten der Kündigung) zum Erfolg in Sachen Abfindung. Wichtigste Regel zuerst: Wenn Sie gegen eine Kündigung vorgehen wollen, müssen Sie innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Wird diese Frist versäumt, ist die Kündigung – so unfair sie auch sein mag – rechtlich wirksam und eine Klage oder Abfindungsverhandlung praktisch ausgeschlossen. Diese kurze Frist gilt selbst dann, wenn im Kündigungsschreiben keine Rechtsmittelbelehrung steht. Reagieren Sie also zügig!
Stellt der Arbeitnehmer fristgerecht Kündigungsschutzklage, prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit der Kündigung. In der Praxis passiert jedoch Folgendes: Die überwiegende Mehrzahl solcher Verfahren endet mit einem Vergleich und einer Abfindung – nicht mit einer Urteilsentscheidung. Warum? Beide Seiten haben Risiken und Interessen:
- Risiko des Arbeitgebers: Ist die Kündigung womöglich fehlerhaft oder rechtlich zweifelhaft, droht dem Arbeitgeber eine Niederlage. Dann müsste er den Arbeitnehmer entweder weiterbeschäftigen oder im schlimmsten Fall Lohn nachzahlen für die Zeit seit der Kündigung (sogenannter Annahmeverzugslohn), obwohl der Mitarbeiter gar nicht gearbeitet hat. Dieses Risiko und die Kosten eines langen Prozesses wollen viele Arbeitgeber vermeiden.
- Risiko des Arbeitnehmers: Ein Arbeitnehmer hat keinen garantierten Abfindungsanspruch und läuft bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung Gefahr, am Ende ohne Abfindung dazustehen, wenn das Gericht die Kündigung als rechtmäßig bestätigt. Zwar bekäme er in diesem Fall formal den Arbeitsplatz nicht zurück (die Kündigung bliebe bestehen), aber eben auch kein Geld. Daher ist auch für den Arbeitnehmer ein vernünftiger Vergleich oft attraktiver als ein ungewisses Urteil.
Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens: Nach Klageerhebung beraumt das Arbeitsgericht meist zügig einen Gütetermin an, oft schon innerhalb weniger Wochen. In diesem Gütetermin – einer formlosen ersten Verhandlung – lotet der Richter mit den Parteien eine gütliche Einigung aus. Typischerweise fragt das Gericht nach den Standpunkten, gibt eine erste rechtliche Einschätzung und schlägt dann oft selbst eine Abfindungssumme vor, um den Streit beizulegen. Kommt eine Einigung zustande, wird sie als gerichtlicher Vergleich protokolliert. Darin wird regelmäßig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum X Datum und eine Abfindungszahlung von Y Euro vereinbart, oft nebst Regelungen etwa zum Arbeitszeugnis oder zur Freistellung. Dieser Vergleich ist rechtsverbindlich und beendet den Rechtsstreit endgültig.
Scheitert die Einigung im Gütetermin, geht das Verfahren in die nächste Phase (Kammertermin mit Beweisaufnahme, Urteilsverhandlung etc.). Hinweis: Ihre Verhandlungsposition verbessert sich in der Regel, je stärker Ihre rechtlichen Erfolgsaussichten sind. Haben Sie deutliche Hinweise auf Kündigungsfehler (fehlende Sozialauswahl, Formfehler, falsche Fristen, kein ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörungsprozess usw.), sitzen Sie am längeren Hebel. Dann kann es sich lohnen, nicht vorschnell auf ein erstes Angebot einzugehen, sondern notfalls die nächste Instanz abzuwarten. Das gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber erkennbar nervös ist wegen möglicher Prozessrisiken. Andererseits sollte man einen Vergleich auch nicht mutwillig ausschlagen – es kommt auf Fingerspitzengefühl an, um den bestmöglichen Abfindungsbetrag herauszuholen, ohne das Risiko eines völligen Scheiterns einzugehen.
Wie hoch fällt die Abfindung üblicherweise aus?
Die Höhe einer Abfindung ist Verhandlungssache – es gibt eine große Spannweite, abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Allerdings hat sich als grober Richtwert die „Regelabfindung“ etabliert: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Dieses Orientierungsangebot wird oft vom Gericht im Gütetermin in den Raum gestellt oder von den Parteien als Basis genutzt. Beispiel: 10 Jahre im Betrieb und zuletzt 3.000 € brutto Monatsgehalt ergeben rund 15.000 € Abfindung als Regelabfindung. Wichtig: Das ist kein fester Anspruch, sondern ein Richtwert. Je nach Verhandlungslage kann die tatsächliche Abfindung deutlich höher oder niedriger ausfallen:
- Fälle mit starker Arbeitnehmerposition: Wenn die Kündigung offensichtlich angreifbar ist (z. B. krasse Fehler bei Sozialauswahl oder formale Mängel) und dem Arbeitgeber ein Prozessverlust droht, sind auch höhere Abfindungen möglich – nicht selten 0,75 bis 1,0 Monatsgehälter pro Jahr oder mehr, je nach Drucklage. In Einzelfällen wurden sogar Abfindungen von mehreren Monatsgehältern pro Jahr erzielt (z. B. bei sehr langen Betriebszugehörigkeiten und eindeutig unwirksamen Kündigungen). Die Zahlungsbereitschaft des Arbeitgebers hängt auch von seiner finanziellen Lage und der Höhe eines potentiellen Annahmeverzugslohn-Anspruchs ab.
- Normale Fälle / durchschnittliche Vergleiche: Liegen keine extremen Umstände vor, pendeln sich viele Abfindungsvergleiche um die 0,5 pro Jahr Statistiken zeigen, dass Arbeitnehmer in Deutschland im Schnitt Abfindungen im mittleren fünfstelligen Bereich erhalten – natürlich stark variierend nach Branche, Betriebsgröße und individueller Situation.
- Fälle mit schwacher Kündigungsschutzposition: Wenn der Kündigungsgrund für den Arbeitgeber relativ sicher ist und der Ausgang einer Klage für den Arbeitnehmer ungewiss, kann es passieren, dass der Arbeitgeber weniger als die Regelabfindung bietet. Hier muss der Arbeitnehmer abwägen, ob er das Risiko eingehen will, im Prozess leer auszugehen. Ein erfahrener Anwalt kann realistisch einschätzen, welcher Vergleichswert angemessen ist.
Sozialplan-Abfindungen weichen häufig von der obigen Faustformel ab. In Sozialplänen kommen oft Faktoren zur Anwendung, die etwa Alter oder Unterhaltspflichten zusätzlich berücksichtigen, oder es gibt Mindestbeträge und Höchstbeträge. Diese Abfindungen sind dann aber fixiert – individuelle Verhandlungen darüber sind meist ausgeschlossen, es sei denn, der Sozialplan lässt Spielraum für Härtefälle.
Zu beachten ist auch: Abfindungen sind grundsätzlich steuerpflichtig, allerdings begünstigt zu versteuern (Stichwort Fünftelregelung, die die Steuerlast auf die Abfindung verteilt). Sozialversicherungsbeiträge fallen auf echte Abfindungen nicht an, da sie kein Arbeitsentgelt darstellen. Auf die Ansprüche beim Arbeitslosengeld wirkt sich eine Abfindung nicht mindernd aus, solange sie als Entschädigung für den Jobverlust gezahlt wird – aber es kann unter Umständen zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld kommen, wenn der Arbeitnehmer an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aktiv mitgewirkt hat (z. B. durch Aufhebungsvertrag oder voreiligen Vergleich). Daher ist es wichtig, als Kündigungsgrund im Vergleich ausdrücklich „betriebsbedingte Gründe“ festzuhalten, um eine Sperrzeit zu vermeiden.
Tipps für die Verhandlung einer Abfindung
Eine erfolgreiche Abfindungsverhandlung erfordert taktisches Geschick und Kenntnis der eigenen Rechtsposition. Hier einige Tipps für Arbeitnehmer, die um eine Abfindung verhandeln möchten:
- Frist wahren und Kündigung prüfen lassen: Reichen Sie zur Sicherheit innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage ein, sofern Sie nicht bereits absolut mit dem §1a-Angebot zufrieden sind. So behalten Sie alle Optionen. Nutzen Sie die Zeit bis zur Verhandlung, um die Kündigung durch einen Fachmann prüfen zu lassen – etwaige Fehler oder Versäumnisse des Arbeitgebers (fehlende Sozialauswahl, Formfehler, falsche Fristen, ungenügende Begründung etc.) stärken Ihre Verhandlungsposition enorm.
- Kühlen Kopf bewahren: Lassen Sie sich nicht von der Situation einschüchtern. Überstürzen Sie nichts – insbesondere sollten Sie keinen Aufhebungsvertrag vorschnell unterschreiben, wenn eine Kündigung bereits ausgesprochen wurde. In vielen Fällen ist die Klage und anschließende Verhandlung sinnvoller, da Arbeitgeber vor Gericht häufig zu höheren Zugeständnissen bereit sind, als sie zunächst anbieten.
- Ziele und Schmerzgrenze festlegen: Überlegen Sie im Vorfeld, welche Abfindungshöhe Sie anstreben und was Ihr Minimum wäre. Ein realistischer Anhaltspunkt ist die Regelabfindung (0,5/ Jahr). Haben Sie starke Trümpfe (z. B. Kündigungsfehler), können Sie mehr fordern. Machen Sie sich aber auch klar, dass ein Vergleich Kompromiss bedeutet – zu hoch pokern kann die Verhandlungen scheitern lassen.
- Selbstbewusst, aber kooperativ auftreten: Signalisieren Sie dem Arbeitgeber, dass Sie bereit sind, Ihre Rechte durchzusetzen, notfalls bis zum Urteil. Gleichzeitig sollten Sie gesprächsbereit bleiben. Oft hilft es, im Gütetermin abzuwarten, ob der Richter einen Vorschlag macht. Zeigen Sie, dass Sie grundsätzlich vergleichsbereit sind, aber nicht um jeden Preis.
- Verhandlungsvorteile nutzen: Wenn z. B. offensichtlich ist, dass die Sozialauswahl fehlerhaft war oder formale Vorschriften missachtet wurden, sprechen Sie diese Punkte ruhig an (ggf. über Ihren Anwalt). Arbeitgeber wissen dann, dass Sie gute Karten haben, und werden eher ein attraktives Angebot vorlegen. Auch besondere persönliche Umstände (z. B. baldiger Renteneintritt, Schwangerschaft, Schwerbehinderung) können für den Arbeitgeber eine Rolle spielen – hier ist oft besondere Kompromissbereitschaft vorhanden.
- Nebenpunkte nicht vergessen: Bei einer Abfindungsverhandlung geht es nicht nur um die Summe X. Achten Sie auch auf weitere Vereinbarungen im Vergleich: Ein wohlwollendes Arbeitszeugnis, die Formulierung des Kündigungsgrundes (betriebsbedingt, um Sperrzeit zu vermeiden), eine eventuelle Freistellung bis zum Beendigungstermin, die Abfindungszahlungstermine (ggf. zu Steueroptimierung) etc. sollten mitgeregelt werden. Diese Punkte haben keinen direkten Geldwert, sind aber für Ihren weiteren Berufsweg und die finanzielle Planung wichtig.
Zu überlegen ist außerdem, wann man verhandelt. Viele Abfindungen werden bereits im Gütetermin ausgehandelt. Doch manchmal kann es taktisch klug sein, erst im späteren Verfahren ernsthaft zu verhandeln, insbesondere wenn neue Fakten auftauchen oder der Druck auf den Arbeitgeber steigt. Allerdings besteht immer das Risiko, dass das Gericht irgendwann entscheidet – daher sollte man den richtigen Moment nicht verpassen. Hier kann die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht helfen, der die Situation strategisch einschätzt und die Verhandlungen führen kann.
Häufige Fehler von Arbeitnehmern in dieser Situation
In der Praxis zeigen sich einige typische Fehler, die gekündigte Arbeitnehmer machen. Diese können teuer werden – hier die wichtigsten Stolperfallen, die Sie vermeiden sollten:
- Klagefrist versäumen: Der gravierendste Fehler ist, die 3-Wochen-Frist ungenutzt verstreichen zu lassen. Danach ist juristisch kaum noch etwas zu retten – weder kann die Kündigung angefochten noch eine Abfindung erzwungen werden. Markieren Sie sich daher den Fristablauf im Kalender und handeln Sie rechtzeitig.
- Vorschnell unterschreiben: Viele Arbeitgeber bieten statt einer Kündigung auch einen Aufhebungsvertrag oder einen Klageverzichtsvertrag an, oft verbunden mit einer sofortigen (manchmal geringeren) Abfindung. Unterschreiben Sie nie übereilt! Ein Aufhebungsvertrag kann eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld nach sich ziehen und Sie geben dabei Ihr wichtigstes Druckmittel – die Kündigungsschutzklage – aus der Hand. Lassen Sie so ein Angebot immer von einem Experten prüfen.
- Mündliche Zusagen vertrauen: Bestehen Sie auf Schriftlichkeit. Mündliche Versprechen à la „Du bekommst schon eine Abfindung, verzichte nur auf die Klage“ sind gefährlich. Ohne schriftliche Fixierung haben Sie im Zweifel keinen durchsetzbaren Anspruch. Auch Kündigungen selbst müssen schriftlich erfolgen – eine mündliche Kündigung ist unwirksam.
- Keine Prüfung der Kündigungsgründe: Nehmen Sie die Begründung der Kündigung und die Umstände genau unter die Lupe (oder lassen Sie dies tun). Viele Arbeitnehmer akzeptieren eine betriebsbedingte Kündigung blind, obwohl z. B. die Sozialauswahl falsch lief oder gar kein echter Wegfall des Arbeitsplatzes vorliegt. Prüfen Sie, ob wirklich alle Kollegen mit vergleichbarer Stelle berücksichtigt wurden und ob der Arbeitgeber gegebenenfalls alternative Beschäftigungsmöglichkeiten hätte anbieten müssen. Fehler des Arbeitgebers bedeuten für Sie Hebel für Verhandlungen.
- Unrealistische Erwartungen oder Unkenntnis: Informieren Sie sich über die übliche Abfindungsspanne in vergleichbaren Fällen. Manche Arbeitnehmer überschätzen ihre Ansprüche („Ich will mindestens 24 Monatsgehälter“ ohne Basis) und blockieren dadurch eine Einigung. Andere unterschätzen ihren Wert und nehmen das erste Angebot an, obwohl deutlich mehr drin gewesen wäre. Kenntnisse über übliche Abfindungshöhen und die eigene Verhandlungsposition sind goldwert.
- Kommunikationsfehler: Vermeiden Sie es, dem Arbeitgeber unnötig Informationen preiszugeben, die Ihre Position schwächen. Beispiel: Wenn Sie bereits einen neuen Job in Aussicht haben, behalten Sie dies zunächst für sich. Ein Arbeitgeber weiß sonst, dass Ihr finanzieller Schaden begrenzt ist (weil Sie bald woanders Gehalt beziehen) und könnte weniger zu zahlen bereit sein. Natürlich sollten Sie nicht lügen, aber Sie sind nicht verpflichtet, von sich aus alles offenzulegen.
Eine betriebsbedingte Kündigung ist für Arbeitnehmer ein einschneidendes Ereignis – doch sie bedeutet nicht, dass man schutzlos dasteht. Ein automatischer Anspruch auf Abfindung besteht zwar selten, aber mit dem richtigen Vorgehen lassen sich oft beträchtliche Abfindungen aushandeln. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Rechte kennen und aktiv wahrnehmen. Prüfen Sie das Kündigungsschreiben genau: Enthält es ein Abfindungsangebot nach § 1a KSchG? Wenn ja, überlegen Sie gut, ob Sie dieses annehmen oder doch gerichtlich vorgehen, um vielleicht mehr zu erzielen. Wenn nein, wissen Sie, dass Sie nur durch eine Kündigungsschutzklage Druck erzeugen können – und dafür gilt die 3-Wochen-Frist zwingend.
Nutzen Sie die Unterstützung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht, wenn Sie unsicher sind. Er kann die Kündigung auf Herz und Nieren prüfen, typische Fehler des Arbeitgebers aufdecken und Sie sicher durch das Verfahren begleiten. Die meisten Abfindungen werden letztlich in Verhandlungen erzielt – je besser Ihre Vorbereitung und Verhandlungsstrategie, desto mehr können Sie für sich herausholen. Bleiben Sie sachlich und bestimmt. Dann stehen die Chancen gut, dass Ihnen für den Verlust des Arbeitsplatzes ein angemessener Ausgleich gezahlt wird. Denken Sie daran: Was Ihnen zusteht, ist oft das Ergebnis kluger Verhandlung – und keine freiwillige Gnade des Arbeitgebers.