Rechtsschutz gegen ehrverletzende Äußerungen in der Stadtverordnetenversammlung

Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Urteil vom 04.02.2020 zum Aktenzeichen 8 K 4149/18.GI entschieden, dass einer Klage auf Unterlassung von Äußerungen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn vorher keine sitzungsrechtlichen Maßnahmen in der Stadtverordnetenversammlung beantragt wurden.

Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 04.02.2020 ergibt sich:

Die Klägerin und die Beklagte sind Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Wetzlar. Die Klägerin gehört der SPD-Fraktion an, die Beklagte der NPD-Fraktion. Die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro zu unterlassen, die Klägerin mit der Formulierung „Werte Vertreter der volkszerstörenden und volksvernichtenden Gutmenschen Parteien“ anzureden. In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 28.09.2016 hatte die Beklagte ihren Redebeitrag mit dieser Formulierung eingeleitet. Die Klägerin sieht sich hierdurch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Das VG Gießen hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin für ihre Klage kein Rechtsschutzbedürfnis. Es obliege zunächst dem Stadtverordnetenvorsteher zu prüfen, ob Äußerungen eines Stadtverordneten hinzunehmen oder zu sanktionieren seien. Verstöße eines Stadtverordneten gegen die Ordnung oder ein ungebührliches Verhalten in der Sitzung könnten vom Stadtverordnetenvorsteher geahndet werden. Solche sitzungsrechtlichen Maßnahmen seien im vorliegenden Fall aber nicht erfolgt und die Klägerin habe auch eine Verhängung derartiger Maßnahmen gegenüber der Beklagten in der Stadtverordnetenversammlung nicht beantragt. Unter dieser Voraussetzung sei eine anschließende Klage auf Unterlassung dieser Äußerungen vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr zulässig.

Soweit die Klägerin eine Verurteilung zur Unterlassung der Äußerung außerhalb der Stadtverordnetenversammlung begehrt, sieht das Gericht eine entsprechende „Begehungsgefahr“ für nicht gegeben, weil die Klägerin eine solche Äußerung außerhalb der Stadtverordnetenversammlung bislang nicht getätigt habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zum VGH Kassel gegen seine Entscheidung zugelassen. Diese können die Beteiligten binnen eines Monats nach Zustellung des schriftlichen Urteils einlegen.