Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluss vom 18.07.2019 zum Aktenzeichen 15 W 21/19 entschieden, dass verdeckt erlangtes Ton- und Filmmaterial einen Unterlassungsanspruch begründen können, auch wenn es nicht gesendet wird.
Aus der Pressemitteilung des OLG Köln Nr. 27/2019 vom 24.07.2019 ergibt sich:
Bereits die Weitergabe an Dritte könne das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen und Straftatbestände erfüllen, so das Oberlandesgericht.
Die Entscheidung erging im Zusammenhang mit einer Recherche für das TV-Format „Team Wallraff“. Geklagt hatte ein seit früher Jugend unter einer Autismus-Störung leidender Patient einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Eine Journalistin (Beklagte zu 1) hatte sich im Auftrag der Produktionsfirma (Beklagte zu 2) mit dem Ziel einer verdeckten Recherche unter einem falschen Namen als Praktikantin in der Klinik anstellen lassen. Während ihres Praktikums fertigte sie in umstrittenem Umfang heimliche Ton- und Filmaufnahmen u.a. auch von dem Kläger. Am 18.03.2019 strahlte der Fernsehsender RTL eine Reportage über Zustände in psychiatrischen Kliniken in Deutschland aus. Ton- und Bildaufnahmen des Klägers waren nicht Teil dieser Sendung. Die Parteien haben ursprünglich über den Antrag des Klägers gestritten, dass die ihn betreffenden Aufnahmen nicht verarbeitet oder verbreitet werden dürfen. Im Laufe des Verfahrens haben die Beklagten eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, wonach das Material gelöscht worden war. Beide Parteien erklärten den Rechtsstreit daraufhin für erledigt, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Hierbei ist vorgesehen, dass das Gericht in einer „summarischen Prüfung“ die Erfolgsaussichten der Klage beurteilt.
Das OLG Köln hat entschieden, dass die Beklagten die Verfahrenskosten zu tragen haben.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hätten die Beklagten ohne Löschung des Materials den Rechtsstreit voraussichtlich verloren, auch wenn gar keine Veröffentlichung des Materials beabsichtigt gewesen wäre. Die Journalistin habe bereits durch die Aufnahmen bzw. die Weitergabe des Materials an die Produktionsfirma die Straftatbestände der §§ 201 Abs. 1 Nr. 2, 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie 203 Abs. 4 Satz 1 StGB verwirklicht. Durch die Aufnahmen sei der höchstpersönliche Lebensbereich des Klägers verletzt worden. Auch eine zum Schein in die Klinik eingeschleuste Praktikantin sei eine sog. mitwirkende Person i.S.d. § 201 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StGB. Die Produktionsfirma könne zwar selbst keine Straftatbestände verwirklichen, sie hafte zivilrechtlich aber über § 31 BGB.
Das OLG Köln hat ausgeführt, dass investigative Recherchen von Journalisten grundsätzlich gerechtfertigt sein können. Dies sei der Fall, wenn bei gebotener Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Beachtung der Schutzwürdigkeit der Dritten „erhebliche Missstände“ sonst nicht aufzudecken wären und die berechtigten Interessen Dritter daher jedenfalls im Stadium der Recherche zurücktreten müssten. Für eine Rechtfertigung im vorliegenden Fall hätten die Beklagten aber nicht genügend vorgetragen.
Schließlich sei kein sich aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ergebender Unterlassungsanspruch zu sehen. Art. 9 DSGVO finde bei einer Verarbeitung zu „journalistischen Zwecken“ durch von privaten Rundfunkveranstaltern und deren „Hilfs- und Beteiligungsunternehmen“ damit „befassten“ Personen gemäß § 9c Abs. 1 Satz 4 bis 6 RStV keine Anwendung („Medienprivileg“).