Ein juristischer Überblick für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Hintergrund: Werksschließung in Homburg – 200 Stellen betroffen
Die Schaeffler-Gruppe hat die Schließung ihres Lineartechnik-Werks in Homburg bestätigt. Das Werk, in dem unter anderem Komponenten für die Medizintechnik hergestellt wurden, ist das kleinste von drei Standorten des Konzerns in der Region. Laut dem Saarländischen Rundfunk sollen im Zuge der Werksschließung rund 200 Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Produktion wird zum Teil verlagert, jedoch bleiben etwa 40 Arbeitsplätze im Automobilbereich erhalten.
Die gute Nachricht: Laut Unternehmensangaben und Betriebsrat sollen betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein. Stattdessen setzt man auf Freiwilligenprogramme und Altersteilzeitmodelle. Es wurde ein Sozialplan und ein Interessenausgleich vereinbart, der bis Ende 2028 gelten soll.
Doch was bedeutet das rechtlich für die betroffenen Beschäftigten? Welche Rechte haben Arbeitnehmer*innen in solchen Fällen? Und worauf sollten sie achten?
Was ist ein Sozialplan – und was regelt er konkret?
Ein Sozialplan (§ 112 BetrVG) ist eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, die wirtschaftliche Nachteile für die Beschäftigten bei Betriebsänderungen – wie Werksschließungen, Stilllegungen oder Massenentlassungen – abmildern soll.
Im Fall des Schaeffler-Werks umfasst der Sozialplan laut Medienberichten:
- Freiwilligenprogramme, etwa durch Abfindungsregelungen oder interne Wechselmöglichkeiten
- Altersteilzeitmodelle für ältere Beschäftigte
- Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen
- interne Versetzungsangebote auf andere freie Stellen im Schaeffler-Konzern
Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass der Arbeitsplatzverlust für die Betroffenen sozial verträglich erfolgt.
Was ist ein Interessenausgleich – und wie wirkt er sich aus?
Ein Interessenausgleich (§ 112 BetrVG) regelt ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Er ist gewissermaßen der “Fahrplan” für die Umstrukturierung. Im Fall des Schaeffler-Werks bedeutet das:
- Die Verlagerung der Produktion wird bis April 2026 abgeschlossen.
- Das Werk wird schrittweise heruntergefahren, aber ein Teil der Produktion bleibt bis auf Weiteres bestehen.
- Für die verbleibenden Beschäftigten gelten Sonderregelungen bis Ende 2028.
Wichtig: Ein Interessenausgleich enthält keine unmittelbaren Ansprüche auf Abfindung, wohl aber Regelungen, wie die Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.
Was bedeutet „freiwilliger“ Arbeitsplatzabbau?
In der Praxis bedeutet dies meist, dass Arbeitnehmer*innen freiwillig auf ihr Arbeitsverhältnis verzichten – gegen Zahlung einer Abfindung oder mit Aussicht auf einen anderen Arbeitsplatz im Unternehmen.
Für Beschäftigte heißt das konkret:
- Abfindungsangebote: Wer freiwillig geht, kann eine einmalige Zahlung erhalten. Die Höhe hängt meist von Alter, Betriebszugehörigkeit und Gehalt ab. Faustregel: 0,5 bis 1 Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.
- Interne Wechselmöglichkeiten: Beschäftigte können sich auf andere Stellen innerhalb des Konzerns bewerben. Das kann Chancen eröffnen – aber auch Risiken bergen, etwa wenn die neue Stelle in einer anderen Stadt liegt.
- Altersteilzeitmodelle: Wer älter ist, kann unter bestimmten Bedingungen früher in den Ruhestand wechseln – oft bei teilweisem Lohnausgleich.
Tipp: Wer ein Angebot zur freiwilligen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält, sollte sich unbedingt rechtlich beraten lassen, bevor er unterschreibt. Denn mit der Unterschrift verliert man nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch den Kündigungsschutz.
Keine betriebsbedingten Kündigungen – was heißt das?
Dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind, bedeutet, dass niemand gegen seinen Willen gekündigt werden soll. Das ist eine wichtige Zusage – allerdings nicht rechtlich garantiert, falls sich wirtschaftliche Bedingungen verschärfen.
Arbeitnehmer*innen sollten daher:
- alle Unterlagen sorgfältig prüfen
- sich bei Zweifeln an der Zumutbarkeit angebotener interner Stellen beraten lassen
- bei interner Versetzung prüfen, ob eine vertragliche Änderung mit neuen Bedingungen einhergeht (z. B. andere Arbeitszeiten, Pendelweg)
Was passiert mit dem Restbetrieb?
Obwohl das Medizintechnikwerk geschlossen wird, bleibt das Schaeffler-Werk in Homburg mit etwa 1.700 Mitarbeitenden weiter bestehen. Die Produktion von Motorenelementen und Wälzlagern soll fortgesetzt werden.
Für die dort Beschäftigten gilt der Interessenausgleich weiterhin – das heißt: bis Ende 2028 besteht ein gewisser Bestandsschutz.
Rechte wahren, Chancen prüfen, Risiken absichern
Die angekündigte Werksschließung bei Schaeffler in Homburg ist ein harter Einschnitt – auch wenn der Abbau „sozialverträglich“ erfolgen soll. Für Arbeitnehmer*innen ergeben sich daraus jedoch konkrete Handlungsmöglichkeiten:
✅ Prüfen Sie Abfindungsangebote sorgfältig
✅ Nutzen Sie Bewerbungsoptionen innerhalb des Konzerns
✅ Lassen Sie sich juristisch beraten, bevor Sie eine Aufhebungsvereinbarung unterschreiben
✅ Informieren Sie sich über Altersteilzeitregelungen
✅ Beobachten Sie genau, wie der Abbau konkret umgesetzt wird
Wichtig: Auch wenn betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind, sollten Sie Ihre individuellen Rechte sichern. Gerade bei komplexen Umstrukturierungen lohnt sich frühzeitige Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht oder eine Gewerkschaft.
Kontakt und Hilfe
Betroffene Beschäftigte können sich z. B. an folgende Stellen wenden:
- Betriebsrat vor Ort
- IG Metall oder andere zuständige Gewerkschaft
- Fachanwälte für Arbeitsrecht
- Arbeitsagentur (für Beratung zur Altersteilzeit, Qualifizierung, Weitervermittlung)
Dieser Artikel stellt keine individuelle Rechtsberatung dar, sondern dient der allgemeinen Information. Bei konkreten Fragen wenden Sie sich bitte an eine juristische Fachperson.