SGB II-Anspruch bei Beurlaubung im Maßregelvollzug

16. März 2020 -

Das Landessozialgericht NRW in Essen hat mit Urteil vom 23.01.2020 zum Aktenzeichen L 19 AS 1492/18 entschieden, dass ein Antragsteller, der sich im Rahmen einer Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug in einer eigenen Wohnung aufhält, nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II unterfällt.

Aus der Pressemitteilung des LSG NRW vom 16.03.2020 ergibt sich:

Der Kläger befand sich seit Ende 2015 im Maßregelvollzug. Mitte 2017 erhielt er die höchste Lockerungsstufe des achtstufigen Lockerungskonzeptes, die u.a. die Möglichkeit einer Langzeitbeurlaubung in eine eigene Wohnung vorsah. Im März 2018 mietete er eine solche an und zog nach Beurlaubung in diese ein. Der Beklagte lehnte seinen Antrag auf Bewilligung von SGB II-Leistungen ab, da im Maßregelvollzug befindliche Personen vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien.
Das SG Duisburg hatte den Beklagten hingegen zur Leistungsgewährung verurteilt.

Das LSG Essen hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist ein Leistungsbegehrender, der sich im Rahmen einer Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug in einer eigenen Wohnung aufhält, nicht nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen. Denn mit dem Beginn dieser Form der Beurlaubung sei die Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne und damit ein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung beendet. Ein dem Maßregelvollzug Unterworfener werde in diesem Moment aus der kontrollierenden Aufsicht der Vollzugsanstalt befreit. Diese übe bei einem gewährten Probewohnen in einer eigenen Wohnung zwar noch eine mittelbare Kontrolle über die Lebensführung aus, jedoch entfalle die für den Vollzug typische Gestaltung und Kontrolle der äußeren Struktur des täglichen Lebens des Untergebrachten durch die Maßregelvollzugseinrichtung vollständig. Die Vollzugseinrichtung übernehme in diesem Fall nicht mehr die Verantwortung für die Lebensführung des Untergebrachten. Die in der individuellen Betreuungsvereinbarung getroffenen Bestimmungen über die jederzeitige Erreichbarkeit usw. hätten zwar die Handlungsfähigkeit des Klägers eingeschränkt, jedoch seine tägliche Lebensführung nur mittelbar beeinflusst. Eine tägliche Kontrolle oder Beaufsichtigung sei nicht erfolgt.

Die Beklagte hat Revision beim BSG eingelegt (Az. B 4 AS 26/20 R).