Unfälle während Freizeitaktivitäten im Rahmen von Geschäftsreisen oder Firmenveranstaltungen sind nicht automatisch als Arbeitsunfälle versichert. Das zeigt ein aktueller Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover (SG Hannover) vom 14.11.2025. In dem entschiedenen Fall hatte sich ein Geschäftsführer bei einer Ski-Abfahrt auf einem mehrtägigen Event eines Geschäftspartners verletzt – doch das Gericht verneinte den Versicherungsschutz als Arbeitsunfall, weil der Freizeitcharakter im Vordergrund stand.
Sachverhalt: Ski-Event mit Unfallrisiko
Der klagende Geschäftsführer war von einem Geschäftspartner zu einem viertägigen Ski-Event in Österreich eingeladen worden – und zwar als einziger Vertreter seines Unternehmens. Das Programm der unter dem Motto „Skitour 2023“ stehenden Veranstaltung versprach „ein paar erholsame Tage“ mit Fachvorträgen am Vormittag. Tatsächlich fielen jedoch alle vorgesehenen Vorträge aus, sodass die 14 Teilnehmenden ihre Vormittage eigenständig in Gruppen gestalteten. Der Geschäftsführer schloss sich einer Skigruppe an. Während einer Abfahrt stürzte er und brach sich ein Bein (Beinfraktur).
Nach dem Unfall meldete der Geschäftsführer diesen als Arbeitsunfall bei der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft). Die Unfallversicherung lehnte jedoch eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Ihrer Argumentation nach standen die Freizeitaktivitäten bei der Reise eindeutig im Vordergrund. Weder habe es sich um eine berufliche Dienstreise noch um eine offizielle betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt – schließlich nahm der Geschäftsführer als einziger Beschäftigter seines Betriebs an der Skitour teil. Ein ausreichender betrieblicher Zusammenhang zu den Aufgaben des Klägers als Geschäftsführer sei nicht erkennbar. Der verunglückte Kläger sah dies anders: Er argumentierte, die Reise habe dem Aufbau von Geschäftsbeziehungen und dem fachlichen Austausch gedient und somit im Unternehmensinteresse stattgefunde.
Entscheidung des SG Hannover: Kein Arbeitsunfall beim Skifahren
Das Sozialgericht Hannover folgte der Einschätzung der Unfallversicherung und wies die Klage ab. Zur Begründung betonte das Gericht, gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe nur, wenn die zum Unfallzeitpunkt verrichtete Tätigkeit in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehe. Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt. Skifahren als Freizeitbeschäftigung sei eine „eigenwirtschaftliche, private Tätigkeit“ ohne Bezug zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Geschäftsführers. Mit anderen Worten: Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt nicht beruflich tätig, sondern privat auf der Skipiste unterwegs.
Skifahren in der Freizeit: Bei Aktivitäten, die überwiegend dem Vergnügen und der Erholung dienen, fehlt der innere Bezug zur Arbeit.
Ein lediglich erwarteter oder mittelbarer Nutzen der Ski-Auszeit für das Unternehmen – etwa durch informelles Networking – genügt nicht, um den fehlenden Arbeitsbezug herzustellen. Bereits die Einladung zu der Veranstaltung, in der „ein paar erholsame Tage“ versprochen wurden, machte den vorwiegend privaten Erholungszweck des Events deutlich. Zum Zeitpunkt des Sturzes erfüllte der Kläger keine arbeitsbezogene Pflicht; folglich lag kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor.
Hinweis: Bei dem Urteil des SG Hannover handelt es sich um einen Gerichtsbescheid, der – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung – noch nicht rechtskräftig ist. Der Kläger kann also Rechtsmittel einlegen. Allerdings entspricht die Entscheidung der Linie früherer Urteile in vergleichbaren Fällen. Bereits andere Gerichte haben Unfälle beim Skifahren im Rahmen von Firmenveranstaltungen nicht als Arbeitsunfälle anerkannt.
Rechtlicher Hintergrund: Wann liegt ein Arbeitsunfall vor?
Ein Unfall zählt nur dann als Arbeitsunfall, wenn er sich infolge einer versicherten Tätigkeit ereignet. Gesetzlich ist gefordert, dass die Verrichtung des Arbeitnehmers zur Zeit des Unfalls der beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann – Juristen sprechen vom erforderlichen „inneren (sachlichen) Zusammenhang“ zwischen Tätigkeit und Unfall. Typische Arbeitsunfälle sind Verletzungen, die während der Arbeit am Arbeitsplatz passieren, oder außerhalb des Betriebs bei dienstlichen Tätigkeiten (zum Beispiel auf einer Montage oder während einer dienstlich veranlassten Reise). Auch Wegeunfälle auf dem direkten Weg von oder zur Arbeit sind vom gesetzlichen Unfallschutz umfasst. Im Grundsatz gilt: Versicherungsschutz besteht nur, wenn die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt dem Unternehmen dient und Teil der versicherten beruflichen Tätigkeit ist.
Demgegenüber sind rein private Handlungen nicht versichert. Die gesetzliche Unfallversicherung unterscheidet ausdrücklich zwischen beruflichen Verrichtungen und „eigenwirtschaftlichen“ (privaten) Tätigkeiten. Unfälle während privater Aktivitäten – selbst wenn sie während der Arbeitszeit oder auf einer Dienstreise stattfinden – fallen in der Regel nicht unter den Schutz der Berufsgenossenschaft. So sind etwa Verletzungen beim Essen in der Kantine oder beim Gang zur Toilette während der Arbeit keine Arbeitsunfälle, weil diese Tätigkeiten dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind und nicht der betrieblichen Tätigkeit. Genauso wenig besteht Versicherungsschutz, wenn Beschäftigte sich im Rahmen einer dienstlichen Veranstaltung überwiegend dem Freizeitvergnügen widmen. Fehlt einer Tätigkeit der dienstliche Charakter, wird ein Unfall als Privatunfall eingestuft – die gesetzlichen Unfallkassen müssen dann nicht leisten.
Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen (wie Betriebsfeiern oder -ausflüge) können zwar unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz stehen, aber nur unter strengen Voraussetzungen. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Veranstaltung vom Arbeitgeber initiiert oder gebilligt wurde und allen Betriebsangehörigen offensteht, um den Zusammenhalt der Belegschaft zu fördern. Steht jedoch – wie im vorliegenden Fall – die private Motivation der Teilnehmer an Spaß, Sport und Erholung im Vordergrund, fehlt der innere Bezug zur Arbeit und damit der Versicherungsschutz. Ebenso gilt: Nicht vom Arbeitgeber organisierte Events (z.B. Freizeitangebote von Geschäftspartnern) sind keine offiziellen Betriebsveranstaltungen im unfallversicherungsrechtlichen Sinn.
Praxistipp: Vorsicht bei Freizeitaktivitäten auf Firmen-Events
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet dieses Urteil: Unfälle bei freiwilligen Freizeitaktivitäten während beruflicher Events erfolgen grundsätzlich auf eigenes Risiko. Selbst wenn eine Reise oder Veranstaltung einen geschäftlichen Anlass hat, besteht der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nur im Rahmen des offiziellen betrieblichen Teils der Veranstaltung. Wer also an einem Firmen-Event oder einer geschäftlichen Einladung teilnimmt, sollte beachten, dass sportliche und freizeitorientierte Programmpunkte (wie etwa Skifahren, Schwimmen, Wandern oder ähnliche Aktivitäten) nicht als Teil der beruflichen Tätigkeit gewertet werden, sofern sie nicht ausdrücklich zum Pflichtprogramm gehören. Verunglückt ein Beschäftigter bei einer solchen Spaßaktivität, greift die Berufsgenossenschaft in der Regel nicht – der Unfall gilt als Privatunfall ohne gesetzlichen Versicherungsschutz.
Arbeitnehmer sollten daher bei der Teilnahme an betrieblichen Ausflügen oder Partner-Events folgende Punkte beherzigen:
- Offizielles Programm einhalten: Bleiben Sie möglichst innerhalb des vom Arbeitgeber vorgesehenen Programms. Solange Sie sich im dienstlichen Teil der Veranstaltung bewegen, besteht Versicherungsschutz. Verlassen Sie jedoch das offizielle Programm für eigene Freizeitaktivitäten, erlischt der Schutz umgehend.
- Freizeitangebote vorsichtig nutzen: Wenn Sie an sportlichen Aktivitäten auf solchen Events teilnehmen, seien Sie sich bewusst, dass Sie auf eigene Gefahr Passen Sie besonders gut auf sich auf und überschätzen Sie nicht Ihre Fähigkeiten – ein Unfall könnte sonst für Sie persönlich weitreichende Folgen haben.
- Private Absicherung prüfen: Überlegen Sie, ob für Sie eine private Unfallversicherung oder eine andere Absicherung sinnvoll ist, um für Freizeitunfälle gewappnet zu sein. Die gesetzliche Unfallversicherung kommt für solche Unfälle nämlich nicht
- Unfall melden, aber realistisch bleiben: Sollte trotz aller Vorsicht etwas passieren, informieren Sie zwar umgehend Ihren Arbeitgeber und lassen Sie den Unfall aufnehmen – allerdings müssen Sie damit rechnen, dass die Berufsgenossenschaft den Vorfall nicht als Arbeitsunfall anerkennt, wenn Sie sich während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verletzt haben.
Das SG Hannover hat klargestellt, dass ein Skiunfall auf einem vorwiegend touristisch geprägten Geschäfts-Event keinen Arbeitsunfall darstellt. Entscheidend ist stets, in welcher Tätigkeit man sich im Unfallmoment befand. Für Arbeitnehmer heißt das: Sobald der Spaß und die Erholung überwiegen und nicht der Job, besteht kein gesetzlicher Unfallschutz. Planen Sie daher im Vorfeld, welche Aktivitäten Sie bei Firmenveranstaltungen wahrnehmen – und behalten Sie im Hinterkopf, dass Freizeit bleibt Freizeit, selbst wenn sie am Rande einer dienstlichen Veranstaltung stattfindet. Bleiben Sie achtsam und sichern Sie sich im Zweifel privat ab, damit aus dem Vergnügen kein finanzielles Risiko wird.