Stadt Annweiler muss AfD Saal zur Nutzung überlassen

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 20. März 2024 zum Aktenzeichen 10 B 10273/24.OVG entschieden, dass die Stadt Annweiler am Trifels verpflichtet ist, die Nutzung des Hohenstaufensaals durch die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) am 23. März 2024 zur Durchführung einer geplanten „Bürgerdialog-Veranstaltung“ zuzulassen.

Aus der Pressemitteilung des OVG RP Nr. 5/2024 vom 21.03.2024 ergibt sich:

Die AfD-Bundestagsfraktion begehrt die Nutzung des im Gebiet der Stadt Trifels liegen­den Hohenstaufensaals für die von ihr am 23. März 2024 geplante „Bürgerdialog-Ver­anstaltung“. Ein entsprechendes Zugangsrecht wird von der Stadt Trifels verneint. Einen Eilrechtsschutzantrag der AfD, die Antragsgegnerin zur Überlassung des Saales zu verpflichten, lehnte das Verwaltungsgericht ab. Als Vorstufe für die Eröffnung eines Nutzungsanspruchs sei im konkreten Fall der Abschluss eines Mietvertrags zwischen den Beteiligten erforderlich gewesen. Dieser liege nicht vor (vgl. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße Nr. 3/2024).

Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hob das Oberverwal­tungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf und verpflichtete die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung, der Antragstellerin den Hohenstaufensaal für die am 23. März 2024 geplante Veranstaltung zu überlassen. Zur Begründung führte es aus:

Die Anspruchsberechtigung der Antragstellerin auf Überlassung des Hohenstaufen­saals zu den üblichen Nutzungsbedingungen folge aus der konkludenten Widmung des Hohenstaufensaals für die Durchführung politischer Veranstaltungen unter Berücksich­tigung der Vorgaben des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Der von der Antragstellerin für den 23. März 2024 geplante „Bürgerdialog“ sei mit dem Widmungszweck des Hohenstaufensaals, der die Durchführung von politischen Veranstaltungen umfasse, vereinbar. Dies stelle die Antragsgegnerin als solches nicht in Frage. Sie mache insoweit vielmehr unter Verweis auf die Enthüllungen des Recher­chenetzwerks „CORRECTIV“ geltend, die Antragstellerin und die hinter ihr stehende Partei stellten eine konkrete Gefahr für den Rechtsstaat und die demokratische Grund­ordnung dar. Eine „rechtliche Behandlung von Fällen“ wie dem vorliegenden könne nach dem „Bekanntwerden des Geistes von Potsdam“ nicht mehr wie zuvor erfolgen. Hiermit lasse sich der Ausschluss der beantragten, vom Widmungszweck erfassten Nutzung unter Berücksichtigung der aus Art. 3, 21, 38 GG abgeleiteten Verpflichtung staatlicher Stellen zur politischen Neutralität nicht rechtfertigen. Dem „Parteienprivileg“ des Art. 21 GG folgend sei es bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht zwar erlaubt, sie politisch zu bekämpfen. Bei der Vergabe kommunaler Einrichtungen dürfe sie aber rechtlich nicht benachteiligt werden. Es verstieße gegen den Grundsatz der Chancengleichheit zum einen der hinter der Antragstellerin stehenden Partei (Art. 21 GG), aber zum anderen auch der jeden­falls mittelbar durch Art. 38 GG geschützten Antragstellerin selbst, wenn ihre Teilnahme am politischen Wettbewerb dadurch behindert würde, dass die Antragsgegnerin als Trägerin öffentlicher Gewalt die Nutzung ihrer Einrichtungen wegen einer bestimmten politischen Richtung verweigerte und so die Vergabe öffentlicher Räumlichkeiten zum Teil des politischen Meinungskampfes machte.

Das Gericht teile zwar die Auffassung der Vorinstanz, dass zwischen den Verfahrens­beteiligten noch kein wirksamer Vertrag über die Anmietung des Hohenstaufensaals zustande gekommen sei und auch darüber hinaus noch keine verbindliche Zulassungs­entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin getroffen worden sei. Auch eine verbind­liche Reservierung liege nicht (mehr) vor. Dies stehe dem von der Antragstellerin gel­tend gemachten Zugangsanspruch aber nicht entgegen. Denn der Vertragsschluss betreffe grundsätzlich das „Wie“ des Zugangs zu einer kommunalen Einrichtung – wie hier zu dem Saal – und sei damit vom Zugangsanspruch als solchem (dem „Ob“) zu unterscheiden. Mit anderen Worten sei die Kommune – soweit sie sich wie hier für eine privatrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses entscheide – zum Abschluss des Vertrages verpflichtet, wenn ein Rechtanspruch auf Nutzung des Saals als kommu­nale Einrichtung bestehe. Aus dem Umstand allein, dass bis zuletzt noch kein wirk­samer Vertrag zwischen den Verfahrensbeteiligten zustande gekommen sei, folge mit­hin noch nicht, dass die Antragstellerin vom Zugang zum Hohenstaufensaal aus­geschlossen sei. Durchgreifende Gründe, die einem Vertragsschluss entgegenstünden, mit dem der Zugangsanspruch der Antragstellerin umgesetzt werde, habe die Antrags­gegnerin nicht vorgebracht. Die Bestimmungen der Nutzungsordnung sicherten der Sache nach nur eine Vergabe des Hohenstaufensaals nach Maßgabe des Prioritäts­grundsatzes, indem sie im Rahmen einer „Reservierung“ den Zugang zur öffentlichen Einrichtung binnen der mit der Reservierung verbundenen Frist gegenüber potenziell später auftretenden Konkurrenten freihielten. Eine Aussage dazu, dass nach Ablauf der Reservierungsfrist ein Vertragsschluss über den Zugang zur Halle – bei einem nach wie vor bestehenden Anspruch im Übrigen – nicht mehr in Betracht komme bzw. dass es stets vor dem Abschluss des Vertrags einer Reservierung bedürfte, sei den Bestimmun­gen demgegenüber nicht zu entnehmen. Es könne schließlich auch nicht davon aus­gegangen werden, dass dem Zugangsanspruch der Antragstellerin eine anderweitige Vergabe des Hohenstaufensaals entgegenstehe. Die Antragsgegnerin habe sich nicht darauf berufen, vorliegend eine Auswahlentscheidung getroffen zu haben, bei der ein anderer Bewerber vorzuziehen gewesen wäre. Nach einem vorgelegten Pressebericht werde der Hohenstaufensaal lediglich im Falle eines Prozessausgangs zu Gunsten der Antragsgegnerin anderweitig vergeben.