Der Münchner Bremsen-Weltmarktführer Knorr-Bremse hat angekündigt, hunderte Stellen abzubauen – und das, obwohl das Unternehmen derzeit hohe Gewinne einfährt. Im ersten Halbjahr 2025 erwirtschaftete Knorr-Bremse einen operativen Gewinn von knapp 500 Millionen € bei einer Marge von 12,6 %. Finanzvorstand Frank Weber sprach von „finanziell in Top-Form“. Umso größer ist der Schock der Belegschaft: Mindestens 700 Jobs – rund 13 % der deutschen Belegschaft – sollen im Rahmen des Sparprogramms „Boost 2026“ wegfallen. Am Standort München stehen laut interner Präsentation mindestens 328 Stellen auf der Streichliste, weitere ca. 376 in Werken wie Aldersbach und Berlin. Zwar versucht das Management offenbar, einen Teil des Abbaus über freiwillige Angebote zu erreichen – Mitarbeiter wurden seit Juli gezielt auf Altersteilzeit oder Aufhebungsverträge angesprochen. Doch betriebsbedingte Kündigungen sind ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Für viele Beschäftigte, die in den letzten Jahren bereits Opfer harter Einschnitte wurden (Kündigung des Tarifvertrags, Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden), fühlt sich das wie ein „Schlag ins Gesicht“ an. IG Metall-Gewerkschafter Filippos Kourtoglou kritisiert: „Der Standort Deutschland soll geschwächt werden, es geht nur noch um den Gewinn“ – das Vertrauen der Belegschaft in die Arbeitsplatzsicherheit sei fahrlässig verspielt worden.
Vor diesem Hintergrund erhalten Sie nachfolgend einen ausführlichen Rechtstipp, der speziell betroffene Arbeitnehmer bei Knorr-Bremse unterstützt. Wir beleuchten die rechtlichen Möglichkeiten bei betriebsbedingten Kündigungen, geben Hinweise zum Umgang mit Aufhebungsverträgen und Altersteilzeit-Angeboten, erklären die Rolle von Betriebsrat und Gewerkschaft, erläutern den Ablauf einer möglichen Kündigungsschutzklage und sprechen konkrete Empfehlungen für Knorr-Bremse-Mitarbeiter aus.
Betriebsbedingte Kündigungen: Rechte und Möglichkeiten der Arbeitnehmer
Auch ein profitables Unternehmen wie Knorr-Bremse darf grundsätzlich betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Entscheidend ist, dass „dringende betriebliche Erfordernisse“* vorliegen, die den dauerhaften Wegfall eines oder mehrerer Arbeitsplätze zur Folge haben (§ 1 KSchG). Das können z.B. organisatorische Maßnahmen sein (Umstrukturierungen, Abbau von Abteilungen, Produktionsverlagerungen) oder wirtschaftliche Entscheidungen (Kostensenkungsprogramme, Effizienzsteigerung), selbst wenn das Unternehmen insgesamt Gewinne macht. Wichtig zu wissen: Eine betriebsbedingte Kündigung hängt rechtlich nicht davon ab, ob die Firma Verlust schreibt oder Gewinne erzielt – auch in wirtschaftlich guten Zeiten sind solche Kündigungen zulässig, sofern sie aus unternehmerischen Gründen plausibel begründet werden. Gerichte hinterfragen die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit nur begrenzt; die unternehmerische Entscheidung (etwa Personalabbau zur langfristigen Effizienzsteigerung) wird respektiert, solange sie nachvollziehbar dargelegt ist.
Allerdings muss der Arbeitgeber strenge Vorgaben einhalten, damit die Kündigung wirksam ist:
- Nachvollziehbares Konzept: Die Unternehmensleitung muss im Streitfall genau darlegen können, warum und wie die getroffenen Maßnahmen zu einem dauerhaften Wegfall der Beschäftigung führen. Allgemeine Hinweise wie „Umsatzrückgang“ reichen vor Gericht nicht – es bedarf konkreter Zahlen und Fakten. Zudem muss die Maßnahme dringend sein, d.h. andere milderere Mittel (z.B. Kurzarbeit, Versetzungen, Arbeitszeitverkürzungen) dürfen nicht ausreichend sein, um die Situation zu lösen. Kündigungen sind laut Gesetz nur ultima ratio, wenn die Lage nicht anders zu verbessern ist.
- Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit: Bevor Mitarbeitern gekündigt wird, muss geprüft werden, ob sie anderswo im Unternehmen auf einem freien zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können. Notfalls ist auch an Umschulung oder Versetzung zu denken – erst wenn es keine Alternative gibt, ist die Kündigung sozial gerechtfertigt. Im Rahmen größerer Konzerne wie Knorr-Bremse kann dies bedeuten, dass der Arbeitgeber auch in anderen Standorten/Abteilungen nach freien Stellen schauen muss, soweit zumutbar.
- Sozialauswahl: Wenn nicht alle Arbeitnehmer einer Abteilung entlassen werden, sondern nur einige, schreibt das Kündigungsschutzgesetz eine Sozialauswahl vor. Das heißt, der Arbeitgeber muss unter den vergleichbaren Mitarbeitern diejenigen auswählen, die sozial am wenigsten schutzwürdig sind. Kriterien sind insbesondere Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten (z.B. Kinder) und ggf. Schwerbehinderung. Wer z.B. lange im Betrieb ist, älter und familienunterhaltspflichtig, darf nicht einfach gegenüber jüngeren, ledigen Kollegen mit kurzer Betriebszugehörigkeit benachteiligt werden. Eine Kündigung ist sozial ungerechtfertigt, wenn diese Kriterien nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Allerdings darf der Arbeitgeber bestimmte Leistungsträger oder für die Zukunft wichtige Qualifikationen aus der Sozialauswahl herausnehmen (sogenannte „Leistungsträgerklausel“), was die Auswahl oft komplex macht. Tipp: Falls Sie eine Kündigung erhalten, lassen Sie unbedingt prüfen, ob die Sozialauswahl korrekt durchgeführt wurde – hier schlummern oft Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage.
- Form und Anhörung des Betriebsrats: Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 623 BGB) und vom richtigen Vertretungsberechtigten unterschrieben sein (i.d.R. Geschäftsführer oder Prokura-Inhaber). Vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat anhört werden (§ 102 BetrVG). Dabei sind dem Betriebsrat die Gründe mitzuteilen; dieser kann Bedenken äußern, hat aber kein Vetorecht, das die Kündigung direkt verhindert. Wichtig: Wird der Betriebsrat überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig beteiligt, ist die Kündigung allein deshalb unwirksam. Diese Anhörungspflicht wird in der Praxis von seriösen Arbeitgebern aber meist beachtet.
- Kündigungsfristen und Massenentlassungsanzeige: Der Arbeitgeber muss die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist einhalten. Bei größeren Entlassungswellen greift zudem § 17 KSchG: Ab einer bestimmten Zahl geplanter Kündigungen innerhalb von 30 Tagen (je nach Betriebsgröße z.B. > 5 % der Belegschaft) handelt es sich um eine Massenentlassung, die der Agentur für Arbeit vor den Kündigungen gemeldet werden muss. Knorr-Bremse wird aufgrund der Größenordnung des Abbaus aller Voraussicht nach eine solche Massenentlassungsanzeige erstatten müssen. Versäumt die Firma diese Anzeige oder macht formale Fehler dabei, sind die Kündigungen nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung unwirksam. (Hinweis: Der Europäische Gerichtshof befasst sich aktuell zwar mit Details dieser Regelung, aber einstweilen gilt – im Zweifel können Formfehler bei der Anzeige die Kündigungen zunichtemachen.) Für betroffene Arbeitnehmer bedeutet das: Es lohnt sich, im Kündigungsschutzprozess auch zu prüfen, ob der Arbeitgeber alle Anzeige- und Konsultationspflichten im Rahmen der Massenentlassung erfüllt hat.
Betriebsbedingte Kündigungen unterliegen strengen Voraussetzungen. Auch wenn Knorr-Bremse als Arbeitgeber hier betriebswirtschaftliche Gründe vorschiebt (Stellenabbau zur Effizienzsteigerung), müssen die formaljuristischen Spielregeln eingehalten werden. Für Arbeitnehmer bietet das verschiedene Ansatzpunkte, eine Kündigung anzugreifen – sei es über Fehler bei der Sozialauswahl, fehlende Weiterbeschäftigungsangebote oder etwaige Verfahrensfehler. Dazu unten mehr beim Thema Kündigungsschutzklage.
Aufhebungsverträge und Altersteilzeit: Angebote richtig einschätzen
Statt sofort betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, setzen Unternehmen häufig auf freiwillige Programme: Beschäftigte sollen durch Aufhebungsverträge (mit Abfindungsangebot) oder durch Altersteilzeit das Unternehmen freiwillig verlassen. Auch Knorr-Bremse beschreitet diesen Weg und spricht gezielt Mitarbeiter an, um über solche Angebote Personal abzubauen. Für Arbeitnehmer stellen sich hier wichtige strategische Fragen: Annehmen oder ablehnen? Was beachten, wenn man unterschreibt?
Zunächst das Wichtigste: Kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben oder in Altersteilzeit zu gehen. Solche Angebote beruhen auf Freiwilligkeit – Sie können Nein sagen. Lehnt man ab, bleibt das Arbeitsverhältnis vorerst unverändert bestehen. Knorr-Bremse hat – anders als z.B. VW in einem jüngsten Personalabbau – bislang nicht zugesagt, auf Kündigungen zu verzichten; betriebsbedingte Kündigungen sind ausdrücklich möglich. Das bedeutet: Wenn nicht genügend Freiwillige das Angebot annehmen, können später dennoch Kündigungen folgen. Aber: Sie dürfen sich durch Druck oder kurze Fristen nicht zu einer vorschnellen Unterschrift drängen lassen. Im Zweifel behalten Sie Ihren Arbeitsvertrag vorerst – und der Arbeitgeber müsste den schwierigeren Weg der Kündigung mit allen rechtlichen Hürden gehen.
Was ist bei einem angebotenen Aufhebungsvertrag zu beachten? Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum vereinbarten Termin, meist gegen eine Abfindung. Vorteile: Man erhält eine Abfindungszahlung und oft ein wohlwollendes Zeugnis, und es gibt keinen „Makel“ einer Kündigung. Der Arbeitgeber wiederum vermeidet einen Kündigungsschutzprozess und kann Planungssicherheit erzielen. Doch als Arbeitnehmer sollte man sehr genau hinschauen, ob die Konditionen stimmen und welche Folgen die Unterschrift hat:
- Keine Übereilung: Unterschreiben Sie keinen Aufhebungsvertrag ohne gründliche Prüfung. Lassen Sie sich nicht von hoher Abfindung oder zeitlichem Druck (z.B. knappe Frist, „Turboprämie“) verführen. Ein einmal unterschriebener Aufhebungsvertrag lässt sich später kaum anfechten oder widerrufen – der Kündigungsschutz ist dann weg. Fordern Sie Bedenkzeit und holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein, bevor Sie unterschreiben.
- Sperrzeit beim Arbeitslosengeld vermeiden: Ein Aufhebungsvertrag wird von der Agentur für Arbeit in der Regel wie eine eigene Kündigung gewertet. Die Folge ist meist eine Sperrzeit von 12 Wochen für das Arbeitslosengeld I – d.h. drei Monate kein Geld von der Arbeitsagentur. Dieses Risiko kann man umgehen, wenn der Aufhebungsvertrag einen wichtigen Grund für die Beendigung nennt. In der Praxis wird hier oft vereinbart, dass der Arbeitgeber andernfalls aus betrieblichen Gründen gekündigt hätte (drohende betriebsbedingte Kündigung). Ist eine solche Klausel im Vertrag, kann die Bundesagentur auf die Sperrzeit verzichten. Wichtig: Achten Sie darauf, dass im Aufhebungsvertrag eindeutig ein betriebsbedingter Grund oder eine sonstige Rechtfertigung erwähnt ist. Andernfalls droht neben dem Jobverlust auch der Verlust von drei Monatszahlungen Arbeitslosengeld. (Tipp: Sprechen Sie notfalls vorab mit der Agentur für Arbeit – seit neuen internen Weisungen prüft die BA bei Abfindungen bis 0,5 Monatsgehälter pro Jahr nicht mehr die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung. Trotzdem gilt: Bei Verkürzung der Kündigungsfrist oder sehr hoher Abfindung kann ein Ruhen des ALG oder Sperrzeit eintreten. Lassen Sie sich im Zweifel vor Unterschrift beraten.)
- Altersteilzeit-Angebot: Altersteilzeit ist ein freiwilliges Modell, um älteren Mitarbeitern den Übergang in den Ruhestand zu erleichtern. Typischerweise wird die Arbeitszeit auf die Hälfte reduziert (häufig im Blockmodell: erst eine Arbeitsphase in Vollzeit, dann eine Freistellungsphase), und der Arbeitgeber stockt das reduzierte Gehalt und die Sozialversicherungsbeiträge auf (es gibt gesetzliche Mindest-Aufstockungen, jedoch keine staatliche Förderung mehr für neue Fälle). Einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit gibt es nicht – es bedarf einer Vereinbarung oder betrieblichen Regelung. Wenn Ihnen Altersteilzeit angeboten wird, prüfen Sie: Passt das finanziell und persönlich? Während der Altersteilzeit verdienen Sie weniger als zuvor und bauen bis zum endgültigen Ausscheiden Überstunden oder ein Zeitguthaben ab. Vorteile sind, dass Sie bis zum Ruhestand beschäftigt bleiben (wenn auch ggf. mit verkürzter Arbeitszeit) und häufig Zuschüsse vom Arbeitgeber erhalten. Nachteile: Das Einkommen sinkt, und am Ende der Altersteilzeit endet das Arbeitsverhältnis (meist einige Jahre vor der regulären Rente). Prüfen Sie mit der Deutschen Rentenversicherung, ab wann Sie abschlagsfrei oder mit welchen Abschlägen in Rente gehen könnten. Rechenbeispiel: 4 Jahre vor der regulären Altersgrenze in Rente zu gehen, bedeutet rund 14,4 % weniger Rente lebenslang (0,3 % pro Monat). Selbst wenn der Arbeitgeber einen Teil der Rentenabschläge ausgleicht, tragen Sie doch den verbleibenden Verlust selbst. Überlegen Sie also gut, ob Sie sich das leisten können und wollen. Altersteilzeit kann attraktiv sein, wenn man z.B. gesundheitlich nicht mehr voll arbeiten möchte oder ohnehin zeitnah in Rente gehen wollte – aber es sollte in Ihre persönliche Lebensplanung passen. Niemand kann Sie zwingen, in Altersteilzeit zu gehen. Lehnen Sie ab, muss der Arbeitgeber gegebenenfalls andere Lösungen suchen oder – wenn er Stellen abbauen will – letztlich doch kündigen.
- Abfindungshöhe und Bedingungen: Ob bei Aufhebungsvertrag oder im Sozialplan – üblich sind Abfindungen nach einer Formel (z.B. 0,5 Monatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit, manchmal mehr). Ermitteln Sie, ob das Angebot fair ist. Achtung: Es gibt keinen gesetzlichen Mindestanspruch auf eine Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung. Nur wenn ein Sozialplan oder individuelle Vereinbarung das vorsieht, gibt es Geld. Knorr-Bremse wird voraussichtlich im Zuge des Stellenabbaus einen Sozialplan abschließen müssen. Informieren Sie sich über dessen Inhalte, sobald verfügbar (Fragen Sie den Betriebsrat!). Wenn Sie ein individuelles Abfindungsangebot erhalten, prüfen Sie neben der Höhe auch das Beendigungsdatum (kann man z.B. noch einen Bonusanspruch oder das Weihnachtsgeld mitnehmen, wenn später beendet wird?) und weitere Bedingungen. Häufig lassen sich Details verhandeln – etwa eine Verlängerung der Betriebszugehörigkeit um ein paar Monate (für eine runde Altersgrenze oder ein Jubiläum) oder Zusatzleistungen wie Outplacement-Beratung, Weiterbildungsgutscheine, Mitnahme des Dienstwagens für einige Zeit, etc. Gerade wenn der Arbeitgeber Ihre freiwillige Zustimmung haben möchte, besteht oft Verhandlungsspielraum. Scheuen Sie sich nicht, freundlich aber bestimmt nachzuverhandeln. Im Zweifel unterstützt hier ein Fachanwalt oder der Betriebsrat mit Tipps.
Wichtiger Hinweis: Egal ob Aufhebungsvertrag oder Altersteilzeit – nehmen Sie sich Zeit zur Entscheidung. Prüfen Sie die finanziellen Konsequenzen (Abfindung nach Steuern, Überbrückung bis zur Rente oder neuem Job, Auswirkungen auf Rente und Krankenversicherung). Klären Sie, wie lange Ihr Arbeitslosengeld-Anspruch dauert (älteren Arbeitnehmern ab 58 stehen bis zu 24 Monate ALG I zu) und ob Sie eine Sperrzeit überbrücken könnten. Melden Sie sich im Falle einer Unterschrift rechtzeitig (spätestens 3 Monate vorher, sonst innerhalb von 3 Tagen nach Unterschrift) bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend, um Nachteile zu vermeiden. Nutzen Sie Beratungsangebote: Der Betriebsrat, Gewerkschaften oder Rentenberatungen können helfen, Ihre individuelle Lage richtig einzuschätzen.
Rolle von Betriebsrat und Gewerkschaft im Stellenabbau
In einer solchen Krise sind Betriebsrat und Gewerkschaft wesentliche Stützen für die Beschäftigten. Bei Knorr-Bremse gibt es sowohl einen Betriebsrat als auch gewerkschaftliche Organisation durch IG Metall. Diese Gremien haben bestimmte Mitbestimmungs- und Beratungsrechte, die Ihnen als Arbeitnehmer zugutekommen:
- Informations- und Beratungsrechte: Beabsichtigt der Arbeitgeber eine größere Entlassungswelle, muss er den Betriebsrat frühzeitig unterrichten (§ 17 Abs. 2 KSchG). Der Betriebsrat muss schriftlich alle relevanten Informationen erhalten – Gründe der Entlassungen, Zahl und Berufsgruppen der betroffenen Mitarbeiter, Zeitraum, Kriterien der Auswahl und der Abfindungsberechnung. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen über Alternativen beraten, um Entlassungen zu vermeiden oder zu begrenzen und ihre Folgen zu mildern. In Betrieben mit >20 wahlberechtigten Arbeitnehmern stellt eine Massenentlassung zugleich eine Betriebsänderung dar (§§ 111, 112 BetrVG) – dann sollen Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich (Verständigung über das „Ob“ und „Wie“ der Maßnahme) und einen Sozialplan aushandeln. Ergebnis: Der Betriebsrat wird mit Knorr-Bremse über einen Sozialplan verhandeln, der Abfindungen und Hilfsmaßnahmen (z.B. Transfergesellschaft, Qualifizierungen, Vorrang bei internen Stellen) für die Betroffenen festlegt. Dieser Sozialplan schafft verbindliche Ansprüche für die Arbeitnehmer (Abfindungshöhe nach Formel etc.). Betriebsrat und IG Metall werden versuchen, hier das Maximum für die Kollegen herauszuholen. In früheren Fällen konnten durch gewerkschaftlichen Druck teils höhere Abfindungen (z.B. durchschnittlich 1,5 Monatsgehälter/Jahr bei einer Werksschließung) und sogar die Einrichtung einer Transfergesellschaft erreicht werden. Das zeigt: Eine starke Interessenvertretung kann viel bewirken.
- Betriebsrat bei individuellen Kündigungen: Unabhängig von Massenverfahren muss der Betriebsrat vor jeder einzelnen Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Er kann zwar die Kündigung nicht verhindern, aber er kann Bedenken oder Widerspruch anmelden (etwa wenn er soziale Auswahlfehler sieht). Diese Stellungnahme des Betriebsrats muss der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit bei der Massenentlassungsanzeige beifügen. Praktisch wichtig: Widerspricht der Betriebsrat einer Kündigung schriftlich, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweisen, falls dieser trotzdem kündigt – und der Arbeitnehmer erhält im Kündigungsschutzprozess ggf. Weiterbeschäftigung bis zum Urteil. Der Betriebsrat kann betroffene Kollegen auch darauf hinweisen, wenn er Ungerechtigkeiten erkennt, und so indirekt Klagen unterstützen.
- Gewerkschaftliche Unterstützung: Die IG Metall als Gewerkschaft kann auf mehreren Ebenen helfen. Zum einen stehen Gewerkschaftssekretäre (wie Herr Kourtoglou in München) im Austausch mit dem Betriebsrat und erhöhen den öffentlichen Druck – mediale Aufmerksamkeit („Schlag ins Gesicht…“) kann dem Arbeitgeber zeigen, dass sein Vorgehen kritisch beobachtet wird. Zum anderen haben Gewerkschaftsmitglieder Anspruch auf Rechtsschutz in Arbeits- und Sozialrecht. Das heißt, wenn Sie Mitglied der IG Metall sind, können Sie für eine Kündigungsschutzklage oder Beratung im Aufhebungsvertrag Unterstützung durch die Gewerkschafts-Juristen erhalten. In vielen Fällen stellen Gewerkschaften Anwälte oder tragen die Verfahrenskosten für ihre Mitglieder. Gerade in einem komplexen Verfahren (Sozialplan, Massenentlassungsanzeige, Kündigungsschutz) ist juristischer Beistand wichtig – als Gewerkschaftsmitglied bekommen Sie diesen quasi kostenlos gestellt.
- Betriebsversammlung und kollektive Aktionen: Der Betriebsrat hat das Recht, die Belegschaft zu informieren (Betriebsversammlungen, Info-Schreiben). Nutzen Sie diese Informationskanäle! Oftmals werden dort der Verhandlungsstand zum Sozialplan oder Rechte bei Aufhebungsangeboten erklärt. Außerdem kann die IG Metall – falls nötig – Proteste, Warnstreiks oder Aktionen organisieren, um einen fairen Interessenausgleich zu erstreiten. Bei Knorr-Bremse gab es in der Vergangenheit starken Widerstand, wenn profitable Unternehmensteile geschlossen oder Stellen abgebaut wurden. Ergebnis waren verbesserte Konditionen für die Beschäftigten. Solidarität zahlt sich aus: Je geschlossener die Belegschaft auftritt, desto größer die Chance, Kündigungen abzuwenden oder zumindest hohe Abfindungen und Unterstützungen zu sichern.
Kurz gesagt: Suchen Sie den Rat des Betriebsrats und der IG Metall, bevor Sie irgendeine Entscheidung treffen. Der Betriebsrat ist Ihre Interessenvertretung im Betrieb und hat Einblick in die Planungen des Arbeitgebers. Er kann individuell und kollektiv Einfluss nehmen. Die Gewerkschaft bietet Rechtsrat und politische Rückendeckung. Beide gemeinsam können oft bessere Ergebnisse aushandeln, als ein einzelner Arbeitnehmer es könnte.
Kündigungsschutzklage: Ihr Recht, sich zu wehren
Sollte es tatsächlich zu einer betriebsbedingten Kündigung kommen – sei es, weil Sie ein Aufhebungsangebot abgelehnt haben oder weil nicht genug Freiwillige gefunden wurden – stehen Sie nicht schutzlos da. Dank Kündigungsschutzgesetz (KSchG) haben Arbeitnehmer in Deutschland starke Rechte, eine Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Kündigungsschutzklage ist das Mittel der Wahl, um eine ungerechtfertigte Kündigung abzuwehren oder eine Abfindung zu erreichen.
Wichtigste Regel zuerst: Die Klagefrist beträgt nur 3 Wochen ab Zugang der Kündigung! (§ 4 KSchG). Sobald Ihnen das Kündigungsschreiben zugegangen ist (im Briefkasten liegt oder persönlich übergeben wurde), läuft ein 21-tägiger Countdown. Bis spätestens 3 Wochen nach Erhalt müssen Sie beim zuständigen Arbeitsgericht Klage eingereicht haben, sonst wird die Kündigung rechtswirksam, selbst wenn sie eigentlich rechtswidrig war. Diese Frist ist absolut entscheidend – verpassen Sie sie nicht! Ausnahmefälle (nachträgliche Zulassung) sind selten und nur bei unverschuldetem Fristversäumnis möglich. Deshalb: Sobald eine Kündigung droht oder ausgesprochen ist, unverzüglich anwaltlichen Rat suchen oder die Klage selbst einreichen. Der Betriebsrat oder die Gewerkschaft kann Ihnen hierbei helfen.
Was bringt eine Kündigungsschutzklage? Im Klageverfahren prüft das Arbeitsgericht, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt war (also ob die oben erläuterten Voraussetzungen – betriebliche Gründe, Sozialauswahl etc. – eingehalten wurden) oder ob formelle Fehler vorliegen. Ihre Ziele können unterschiedlich sein: Manche Arbeitnehmer wollen den Arbeitsplatz erhalten, die meisten streben jedoch eine Abfindung an. In der Praxis enden Kündigungsschutzprozesse häufig mit einem Vergleich, sprich: Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung und das Arbeitsverhältnis endet einvernehmlich zu einem vereinbarten Termin. Die Gerichte fördern solche gütlichen Einigungen, und für beide Seiten schafft das Klarheit.
Für Arbeitnehmer bei Knorr-Bremse ist wichtig zu wissen: Auch wenn im Sozialplan eine Abfindung vorgesehen ist, kann eine Klage lohnend sein. Selbst wenn Sie per Sozialplan ohnehin einen Abfindungsanspruch haben, lässt sich durch eine Kündigungsschutzklage manchmal mehr erreichen – etwa eine höhere Abfindung oder vorteilhaftere Bedingungen. Der Arbeitgeber ist unter Druck, wenn die Kündigung wackelig sein könnte, und zahlt dann mitunter drauf, um das Verfahren zu beenden. Keine Angst vor Misserfolg: Sollten Sie vor Gericht unterliegen, behalten Sie zumindest die im Sozialplan zugesicherte Abfindung. Laut Fachanwalt Dr. Bietmann kann der Arbeitnehmer „hierbei also gar nicht verlieren“ – selbst im schlimmsten Fall bleibt die Sozialplan–Abfindung sicher. (Natürlich muss man im Einzelfall die Nerven und ggf. die Prozesskosten berücksichtigen – doch in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht trägt jede Seite die eigenen Anwaltskosten, und Gewerkschaftsmitglieder erhalten Rechtsschutz, sodass das Kostenrisiko überschaubar ist.)
Praxis-Tipp: Nach Zugang einer Kündigung sollten Sie sofort handeln. Informieren Sie den Betriebsrat über die Kündigung (falls dieser es nicht schon durch die Anhörung weiß) und kontaktieren Sie einen Anwalt oder Ihre Gewerkschaft. Die Klageschrift kann kurz gehalten werden; wichtig ist erstmal die Fristwahrung. Sammelklagen gibt es zwar nicht, aber oft betreffen Massenkündigungen viele Kollegen – tauschen Sie sich aus. Mitunter werden Musterklagen geführt, oder man kann sich eine Kanzlei teilen. Ziele definieren: Wollen Sie eigentlich lieber bleiben oder gehen? Wenn Sie bleiben möchten und die Kündigung offensichtlich unwirksam war (z.B. grober Auswahlfehler), stehen die Chancen auf Weiterbeschäftigung gut. Oftmals wird aber selbst dann ein Arbeitgeber eine Rückkehr mit einer hohen Abfindung „abwenden“ – die Entscheidung liegt letztlich bei Ihnen, ob Sie das Geld nehmen oder auf Ihren Arbeitsplatz pochen. Wenn Sie eher an der Abfindung interessiert sind, kann eine Klage den Druck erhöhen, über den Sozialplan hinaus etwas zu erhalten.
Zusammengefasst: Die Kündigungsschutzklage ist Ihr zentrales Schwert im Arbeitsrecht, um sich gegen eine Entlassung zu wehren. Nutzen Sie es innerhalb der Frist. Sie haben – gerade mit Unterstützung erfahrener Anwälte – gute Chancen, aus einer ungerechtfertigten Kündigung entweder Ihren Job zu retten oder zumindest eine angemessene Entschädigung herauszuholen.
Konkrete Empfehlungen für betroffene Knorr-Bremse-Mitarbeiter
Abschließend möchten wir Ihnen einige Handlungsempfehlungen mit auf den Weg geben, die speziell in der aktuellen Situation bei Knorr-Bremse wichtig sind. Diese Tipps fassen das oben Gesagte zusammen und helfen Ihnen, typische Fehler zu vermeiden:
- Informieren und beraten lassen: Bleiben Sie nicht passiv. Sprechen Sie mit dem Betriebsrat und nutzen Sie Sprechstunden oder Versammlungen, um die neuesten Infos zum Stellenabbau zu erfahren. IG Metall-Mitglieder sollten frühzeitig den Kontakt zur Gewerkschaft suchen – dort erhalten Sie Rechtsberatung und Unterstützung. Gerade in unsicheren Zeiten ist Wissen Macht: Fragen Sie nach Ihren Rechten, möglichen Abfindungshöhen, Transfermaßnahmen usw. Der Betriebsrat kennt oft interne Pläne und kann Hinweise geben. Scheuen Sie sich nicht, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Keine vorschnellen Entscheidungen: Unterschreiben Sie nicht übereilt irgendein Dokument – weder Aufhebungsvertrag noch Altersteilzeit – ohne alle Konsequenzen durchdacht zu haben. Lassen Sie sich nicht von vermeintlich hohen Summen oder knappen Fristen unter Druck setzen. Sie haben das Recht, Angebote gründlich zu prüfen. Holen Sie sich Bedenkzeit und fachkundigen Rat (Anwalt, Gewerkschaft) ein. Eine vorschnelle Unterschrift lässt sich später kaum rückgängig machen.
- Altersteilzeit gut abwägen: Wenn Ihnen Altersteilzeit angeboten wird, prüfen Sie, ob dieses Modell zu Ihrer Lebensplanung passt. Kalkulieren Sie das reduzierte Einkommen und die Auswirkungen auf Ihre Rente. Denken Sie daran, dass vorzeitiger Ruhestand permanente Rentenabschläge bedeutet (0,3 % pro Monat) – z.B. ~14 % weniger Rente bei vier Jahren früher. Stellen Sie sicher, dass Sie sich das leisten können. Wenn Sie gesundheitlich angeschlagen sind oder sowieso früher aufhören wollten, mag Altersteilzeit attraktiv sein; wenn Sie aber noch Verpflichtungen (Kredite, Kinder) haben, könnte das verringerte Einkommen Probleme bereiten. Lassen Sie sich ggf. von der Rentenversicherung beraten, bevor Sie entscheiden.
- Abfindung und Finanzielles realistisch einschätzen: Sollte Ihnen eine Abfindung in Aussicht stehen (im Aufhebungsvertrag oder Sozialplan), behalten Sie einen kühlen Kopf. Eine Abfindung ist kein Lottogewinn, sondern Überbrückungsgeld. Rechnen Sie nach: Wie hoch bleibt netto übrig (Steuern beachten!) und wie lange kommen Sie damit aus? Viele überschätzen, wie lange sie von einer großen Summe leben können. Planen Sie daher genau, wofür Sie die Abfindung nutzen – z.B. um die Zeit bis zur Rente zu finanzieren oder eine Umschulung zu machen. Erstellen Sie im Zweifel einen Finanzplan und ziehen Sie ggf. einen Steuerberater hinzu (Stichwort Fünftelregelung für Abfindungen, um die Steuerlast zu drücken). Vermeiden Sie es, die Abfindung in einem Schwung mit letztem Gehalt auszuzahlen – oft lässt sich steuerlich günstiger gestalten (z.B. Zahlung im Folgejahr vereinbaren).
- Sperrzeit und Arbeitslosengeld sichern: Wenn Sie einen Aufhebungsvertrag in Erwägung ziehen, denken Sie an die Arbeitsagentur. Um keine Nachteile zu erleiden, muss entweder eine Kündigung ohnehin gedroht haben (im Vertrag vermerkt), oder Sie riskieren eine Sperrzeit von 12 Wochen. Melden Sie sich unbedingt rechtzeitig arbeitsuchend (spätestens 3 Monate vor dem Ende des Jobs, sonst innerhalb von 3 Tagen nach Unterschrift). So sichern Sie Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld I, der je nach Alter und Beschäftigungsdauer bis zu 24 Monate betragen kann. Klären Sie mit der Agentur auch Fragen zur Krankenversicherung während einer eventuellen Sperrzeit – gegebenenfalls müssen Sie Beiträge selbst zahlen.
- Arbeitszeugnis und Unterlagen: Lassen Sie bei allem Trubel nicht die Formalitäten unter den Tisch fallen. Verlangen Sie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, bevor Sie das Unternehmen verlassen. Am besten wird ein wohlwollendes Zeugnis gleich im Aufhebungsvertrag zugesichert. Haben Sie das Zeugnis erst einmal, prüfen Sie es auf Korrektheit. Sammeln Sie zudem alle wichtigen Unterlagen (Arbeitsvertrag, eventuelle Zusatzvereinbarungen, Renteninformationen). Diese Dokumente brauchen Sie für Beratungen und für die Agentur für Arbeit.
- Im Zweifel klagen: Sollten Sie tatsächlich die Kündigung erhalten und sich ungerecht behandelt fühlen – erheben Sie Kündigungsschutzklage (innerhalb von 3 Wochen). Auch wenn Sie primär an der Abfindung interessiert sind: Die Klage erhöht Ihren Druck und schadet nicht, weil Sie im schlimmsten Fall die Sozialplanabfindung behalten. Viele Kollegen scheuen den Gang zum Gericht aus Loyalität oder Angst. Bedenken Sie aber: Es geht um Ihre Zukunft. In einem Unternehmen, das trotz fetter Gewinne Stellen streicht, brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben, Ihre Rechte einzufordern. Suchen Sie sich am besten einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht – Ihr Arbeitgeber wird ebenfalls Juristen hinzuziehen. Die Unterstützung der IG Metall können Sie ebenfalls in Anspruch nehmen.
Zum Schluss: Bleiben Sie nicht allein. Tauschen Sie sich mit Kollegen aus, schließen Sie sich ggf. zusammen (etwa um gemeinsam zum Anwalt zu gehen oder Informationen zu teilen). Die Erfahrung zeigt, dass informierte und geeinte Belegschaften bessere Ergebnisse erzielen – sei es durch bessere Sozialpläne oder erfolgreichere Prozesse. Knorr-Bremse’s Vorgehen mag für viele ein Vertrauensbruch und „asozial“ erscheinen, aber Sie haben Mittel und Wege, darauf zu reagieren. Nutzen Sie Ihre Rechte, und lassen Sie sich unterstützen. Dann stehen die Chancen gut, dass Sie entweder Ihren Arbeitsplatz erhalten oder zumindest mit einer fairen Kompensation und erhobenem Haupt weiterziehen können.