Strafverfahren gegen Florian J. wegen des Verdachts der Volksverhetzung

19. Januar 2024 -

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Beschluss vom 15. Januar 2024 zum Aktenzeichen 207 StRR 440/23 ein Urteil des Landgerichts München II aufgehoben und den Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen.

Aus der Pressemitteilung des Bayerischen Obersten Landgericht Nr. 1 vom 17.01.2024 ergibt sich:

Der Angeklagte war vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt worden, nachdem er auf seinem öffentlichen Facebook-Account ein Video veröffentlicht hatte, in dem nach der Auffassung des Amtsgerichts die Novemberpogrome 1938 mit der Impfkampagne zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie  verglichen wurden. Die 6. Strafkammer des Landgerichts München II hatte am 17.08.2023 in der Berufungsinstanz die Verurteilung des Angeklagten wegen Volksverhetzung bestätigt.

Das Bayerische Oberste Landesgericht kam nun auf die Revision des Angeklagten hin zu einem anderen Ergebnis:

Das Berufungsgericht habe den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, die auch im Rahmen des Straftatbestandes der Volksverhetzung von Bedeutung sei, rechtsfehlerhaft bestimmt.

Der Sinngehalt der Äußerung des Angeklagten sei – anders als das Landgericht meine – keineswegs zwingend dahingehend auszulegen, dass der Umgang mit Ungeimpften vergleichbar sei mit den Maßnahmen, denen die jüdische Bevölkerung in Deutschland bereits bei den Novemberpogromen 1938 ausgesetzt gewesen sei.

Es liege nach dem Gesamtzusammenhang vielmehr mindestens genauso nahe, dass der Angeklagte damit zum Ausdruck bringen wollte, dass von der Politik immer einfache und populistische Lösungen und „Sündenböcke“ gesucht würden, und dass das 1938 die Juden und heute die Ungeimpften seien. Dafür spreche, dass der Angeklagte die Verfolgung der Juden nicht negiere oder relativiere, sondern darauf verweise, dass die Juden an der damaligen wirtschaftlichen Situation im Reich genauso wenig schuld gewesen seien wie die Ungeimpften an der Pandemie. Die Politik sei vielmehr damals wie heute auf der Suche nach Schuldigen, gegen die sich der Volkszorn richten solle. In dieser letztgenannten Deutung wäre die Äußerung des Angeklagten aber vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit gedeckt.

Vor diesem Hintergrund hat der 7. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts den Angeklagten freigesprochen.

Der Senat stellte klar, dass eine Gleichsetzung von Maßnahmen gegen Ungeimpfte mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bei den Novemberpogromen den Tatbestand der Volksverhetzung grundsätzlich erfülle.

Rechtsmittel gegen diese Entscheidung gibt es nicht.