Immer häufiger sehen sich Kundinnen und Kunden von kostenpflichtigen Streamingdiensten mit Preiserhöhungen konfrontiert. Meist wird ihnen per Pop-up-Fenster mitgeteilt, dass die Preise steigen – und sie müssen auf eine Schaltfläche wie „Preiserhöhung zustimmen“ klicken, um den Dienst weiter nutzen zu können. Doch wie rechtlich wirksam ist eine solche „Zustimmung“ tatsächlich? Und wann ist eine einseitige Preiserhöhung durch den Anbieter überhaupt zulässig?
Diese Fragen beschäftigten zuletzt mehrere Gerichte, darunter das Kammergericht Berlin und den Bundesgerichtshof (BGH). Das Ergebnis: Ein bloßes Anklicken ist keine gültige Vertragsänderung – und viele Klauseln, die Anbietern ein einseitiges Preiserhöhungsrecht einräumen, sind nach deutschem Recht unwirksam.
Keine Willenserklärung durch Klick auf „Preiserhöhung zustimmen“
Wenn Nutzerinnen und Nutzer eine Pop-up-Meldung sehen und auf „Preiserhöhung zustimmen“ klicken, mag das auf den ersten Blick wie eine eindeutige Einwilligung wirken. Doch die rechtliche Beurteilung ist differenzierter.
Das Gericht stellte fest, dass ein solcher Klick nicht als echte Willenserklärung im Sinne eines Vertragsangebots oder einer Vertragsannahme gilt. Vielmehr drückt die Handlung häufig nur die Überzeugung aus, zur Zustimmung verpflichtet zu sein. Hintergrund: Viele Streamingdienste verweisen in ihren Nutzungsbedingungen auf ein Preisanpassungsrecht, das die Kunden als verbindlich ansehen.
Dieses Verhalten ist vergleichbar mit Fällen aus dem Energierecht, etwa bei Gaspreisen. Dort gilt ebenfalls, dass das Akzeptieren eines höheren Preises nicht automatisch eine freie Willenserklärung darstellt (vgl. BGH NJW-RR 2012, 690).
Wann sind einseitige Vertragsänderungen überhaupt zulässig?
Grundsätzlich sind einseitige Vertragsänderungen nach deutschem Recht nur dann zulässig, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist oder wenn beide Parteien ein entsprechendes Recht vertraglich vereinbart haben (§ 315 Abs. 1 BGB).
Im Fall der Streamingdienste müssen also AGB-Klauseln, die einseitige Preiserhöhungen erlauben, sorgfältig geprüft werden.
Das Kammergericht Berlin entschied, dass die einschlägige Klausel in den AGB der Streamingplattform unwirksam ist. Warum?
- Die Klausel ermöglicht es dem Anbieter, den Preis jederzeit zu erhöhen, ohne ihn zur Preissenkung bei sinkenden Kosten zu verpflichten.
- Die einseitige Erhöhung erfolgt ohne angemessene Beschränkung oder Ausgleich.
- Ein solches Ungleichgewicht benachteiligt Kunden unangemessen und verstößt gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 BGB).
- Das Vertragsverhältnis erlaubt beiden Seiten eine kurzfristige Kündigung – der Anbieter ist daher nicht darauf angewiesen, Preisanpassungen einseitig vorzunehmen, um wirtschaftlich zu kalkulieren.
- Alternativ könnte der Anbieter Änderungen durch eine Änderungskündigung durchsetzen, was jedoch mit Wettbewerbspflichten einhergeht.
Damit bestätigte das Gericht eine Reihe von Grundsätzen, die Verbraucher vor willkürlichen Preisanpassungen schützen sollen.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Für Kundinnen und Kunden heißt das konkret:
- Ein Klick auf „Preiserhöhung zustimmen“ ist nicht automatisch eine wirksame Zustimmung zu einem höheren Preis.
- Sind die zugrundeliegenden Klauseln unwirksam, besteht keine Zahlungspflicht für die höheren Preise.
- Der Anbieter hat dann keinen Rechtsgrund, die erhöhten Zahlungen zu verlangen, und muss diese gegebenenfalls zurückerstatten (§ 812 BGB).
Der Bundesgerichtshof bestätigt diese Rechtsprechung
Mit mehreren Beschlüssen aus dem Jahr 2025 hat der Bundesgerichtshof die Rechtsauffassung der Vorinstanz bestätigt und die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil abgelehnt.
Der BGH stellte klar:
- Klauseln, die dem Anbieter erlauben, Preise über das vereinbarte Maß hinaus ohne Begrenzung zu erhöhen, sind rechtswidrig.
- Es ist nicht ausreichend, wenn der Kunde lediglich ein Kündigungsrecht hat, um sich gegen die Preiserhöhung zu wehren.
- Die Unangemessenheit der Klausel wird nicht dadurch aufgehoben, dass der Kunde „freiwillig“ zustimmen oder kündigen kann.
Damit hat der BGH das gesetzliche Leitbild des fairen Vertragsverhältnisses im Bereich der digitalen Dienste weiter geschärft.
Unterschied zu anderen Fällen – Keine Übertragbarkeit
Die Streamingplattform verwies auf Urteile von Oberlandesgerichten, die Pop-up-Zustimmungen in sozialen Netzwerken für wirksam erklärten. Doch diese Vergleiche greifen laut Gericht nicht, weil
- es sich dort um kostenlose Dienste handelt,
- die Änderungen nicht die Hauptleistungspflicht betreffen, sondern das Nutzerverhalten (etwa das Löschen von Beiträgen),
- und die dortigen Fälle keine Auswirkungen auf die Zahlungspflicht hatten.
Im Unterschied dazu steht bei Streamingdiensten die Hauptleistungspflicht des Kunden – die Zahlung – im Mittelpunkt der Vertragsänderung.
Fazit: Rechtliche Grenzen für Streaming-Anbieter
Die aktuelle Rechtsprechung macht deutlich: Streaminganbieter können nicht beliebig und einseitig ihre Preise erhöhen, indem sie Nutzer per Pop-up zur Zustimmung zwingen.
- Ein rechtswirksamer Änderungsvertrag erfordert mehr als das bloße Anklicken eines Buttons.
- AGB-Klauseln müssen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anbieter- und Kundeninteressen wahren.
- Kunden haben Rechte gegen unfaire Preisanpassungen und müssen sich nicht vorschnell „einverstanden“ erklären.
Dieses Urteil sendet ein wichtiges Signal im digitalen Vertragsrecht und stärkt den Verbraucherschutz in einem Wachstumsmarkt.